Philosophie für Zwischendurch: Wissen ist Macht

Sir Francis Bacon (1561-1626) war ein englischer Philosoph, der als Wegbereiter des Empirismus gilt. Dies ist eine philosophische Richtung, die der Erkenntnistheorie zugerechnet wird und nach der allein Sinneserfahrung, Beobachtung und Experiment, also die Empirie (Erfahrung) Quelle der Erkenntnis sind. In seinen Werken legte er den Grundstein für das Zeitalter der Aufklärung, setzte sich mit der aristotelisch geprägten christlichen Scholastik auseinander und führte diese an die Erkenntnisse und Methoden der Naturwissenschaften heran. Sein Ziel war es, die Menschen zum Nachdenken zu bringen und sie dadurch in einen höheren Stand des Daseins zu versetzen. Er wollte, dass sie ihren Verstand gebrauchen.  Dies bringt er mit der Formulierung „Nam et ipsa scientia potestas est“ (denn auch die Wissenschaft selbst ist Macht), die in den Meditationes sacrae zu finden ist, zum Ausdruck.  In der englischsprachigen Fassung von 1598 lautet der Satz: „For knowledge itself is power“, zu Deutsch: „Denn Wissen selbst ist Macht.“  Wissen und Macht des Menschen fallen nach Bacon zusammen, weil die Urkenntnis einer Ursache auch über deren Wirkung täuscht, so dass Unwissen bzw. Nichtwissen auch mit Ohnmacht gleichzusetzen ist. Andererseits bedeutet Wissen, sich die Gesetze der Naturwissenschaften und der Technik zu eigen machen, um Ursache und Wirkung zu erkennen.  Wissen stellt die Schlüsselkompetenz im Umgang mit der Welt dar. Ohne Wissen kommt niemand in der Gesellschaft klar. Bacon wollte die Menschen dazu befähigen, die eigenen Erfahrungen als Quelle der Erkenntnis und des Wissens zugrundezulegen, was von Kant später mit dem Ausspruch „Sapere aude“ bekräftigt wurde.  

Die Formulierung Bacons hat eine lange Rezeptionsgeschichte. So forderte Wilhelm Liebknecht, einer der Mitbegründer der SPD, die Arbeiterklasse solle die politische Macht erringen und bestehende Schranken beseitigen, die großen Teilen der Bevölkerung den Zugang zu Wissen, Bildung und Kultur verwehrten. Er formulierte Bacons Ausspruch um in „Wissen ist Macht – Macht ist Wissen“.

Diese Formulierung Liebknechts wurde innerhalb der Arbeiterbewegung sehr populär.

 „Wissen ist Macht“ hat sich im Laufe der Jahrhunderte zu einem geflügelten Wort entwickelt und wird so gedeutet, dass wer viel weiß, auch viel zu sagen hat, den anderen überlegen ist. Dies muss nicht immer in einem positiven Sinn gemeint sein: Je mehr man über einen Menschen weiß, umso mehr Macht hat man über ihn und kann seine Schwächen ausnutzen. Auch die modernen Medien und Suchmaschinen im Internet scheinen alles über uns zu wissen und uns zu kontrollieren. Die Macht der modernen Technik über den Menschen war im 17. Jahrhundert nicht vorauszusehen. „Wissen ist Macht“ hat viel von seiner ursprünglichen Bedeutung eingebüßt.

Edition Quell, 1. Auflage
32 Seiten
ISBN 978-3981993615
5,95 Euro

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