Energiespender Schnee

Seit der Antike wurde Eis und Schnee im Winter gespeichert, um es im Sommer zu Kühlung von Lebensmitteln, Räumen oder sogar zur Herstellung von Speiseeis zu benutzen. Durch die Erfindung von Kühlschränken wurde diese weltweite Praxis immer mehr zurückgedrängt. Faszinierende Beispiele zeigen, wie sich natürliche Phänomene auch heutzutage zur Energieerzeugung nutzen lassen. 

Die Biennale in Venedig ist immer wieder ein Seismograph für künftige Entwicklungen. „How will we live together?“ – „Wie werden wir zusammen leben?“, lautete das Motto der diesjährigen Biennale und gezeigt wurden dort Ideen, die unser Zusammenleben künftig besser machen könnten: Indem sie Gemeinschaften fördern, Orte lebenswerter machen oder unsere Umwelt schonen. 

„Melting Landscape“, die Installation des japanischen Architekten Kei Kaihoh ist eine moderne Version von „Yukimuro“, eine traditionelle Methode der Schnee-Lagerwirtschaft. Diese wurde in Japan früher in großem Stil dafür eingesetzt, um Nahrungsmittel länger haltbar zu machen – und wird es noch. Beispielsweise in Yasuzuka. Der in den schneereichen japanischen Bergen liegende Ort wurde in der Vergangenheit von diversen Krisen arg gebeutelt: von Klimawandel, Landverbrauch, Finanzkrise, Umweltverschmutzung oder der Verschwendung von begrenzten natürlichen Ressourcen. Der kleine Ort hat seine eigene Antwort darauf gefunden. Mittlerweile basiert die gesamte Wirtschaft von Yasuzuka auf der Methode von Yukimuro. Dort nutzt man den in der kalten Jahreszeit gesammelten Schnee, haltbar gemacht mit einer Lage von Holz-Schnitzeln, in der warmen Jahreszeit vielfältig: für die Kühlung öffentlicher Gebäude, für die Landwirtschaft, die Textil-Industrie oder die Produktion von Nahrungsmitteln.

Die Nutzung von Schnee und Eis zur Kühlung ist an sich nichts Neues. Bereits die Römer griffen auf Schnee aus den Albaner Bergen zurück. Kaiser Nero temperierte damit im Sommer sogar sein Bad. Historiker und Geologen gehen davon aus, dass die Römer Schnee und Eis in tiefen, gemauerten Schächten lagerten. Diese wurden im Winter gefüllt und zur Isolation mit Stroh abgedeckt. Auch später wurden Eishäuser mit dicken Mauern und einer isolierenden Erdschicht errichtet, um in der warmen Jahreszeit an die begehrte Kälte zu kommen. Winzer, Brauer, Fischer oder Metzger waren auf Schnee- und Eiskühlung im Sommer angewiesen. 

Erforschung der Schneelagerung

Wie sich Schnee so verlustfrei wie möglich speichern lässt, wird mittlerweile an verschiedenen Orten erforscht. Beispielsweise in der Schweiz. So hat das Schweizer Institut für Schnee- und Lawinenforschung (SLF) eine richtungsweisende Studie zur Lagerhaltung von Schnee vorgelegt. Die Forscher fanden dabei heraus, dass die Verwendung von herkömmlichen Materialien – Sägespänen oder Spänen – im Vergleich zu Planen den Schnee deutlich besser konserviert. Eine 30 bis 40 Zentimeter dicke Schicht aus Sägemehl oder Spänen vermindert den Schneeverlust des damit abgedeckten Schneedepots im Vergleich zu Planen um rund ein Viertel. Im Moment lassen sich vor allem Wintersportorte von den Schweizern beraten. Sie erhoffen sich durch „Snow-Farming“ erhöhte Schneesicherheit. 

Technische Energie-Nutzung 

Die in Schnee oder Eis steckende Energie lässt sich aber auch für die Wärme-Erzeugung verwenden. Beispiel Friedrichsdorf: Dort, im hessischen Hochtaunuskreis, rund 20 Kilometer nördlich von Frankfurt am Main gelegen, sorgt ein Eisspeicher mit Hilfe von Wärmepumpen für umweltfreundliche Wärme. Der unterirdische Eisspeicher ist ein mit Wasser befüllter Betonzylinder mit einem Durchmesser von 18 Metern und einer Höhe von drei Metern. In den Wintermonaten wird dem Wasser Wärme entzogen, die für Heizung und Warmwasserbereitung einer Öko-Siedlung genutzt wird. Insbesondere wenn das Wasser gefriert, setzt es viel Energie in Form von Kristallisationswärme frei. Im Frühling und Sommer schmilzt das Eis durch die gestiegene Umgebungswärme, sodass der Kreislauf CO2-neutraler Energiegewinnung in der folgenden Heizperiode von Neuem beginnen kann. 

„Im Wasser ist viel Energie gespeichert, die wir nutzen können“, wissen die Techniker der Firma „Naturspeicher“ aus Erfahrung. Sie integrieren beispielsweise dekorative Bassins als Naturwärmespeicher in Außenanlagen und nutzen deren Wasser-Energie. Das Unternehmen gibt sich zuversichtlich: „So heizt man in Zukunft: Umweltfreundlich, günstig und mit dem gewissen Etwas.“ Nach Einschätzung des Ingenieurs Markus Pfeil lohnt es sich dann, über einen Eisspeicher nachzudenken, wenn kein Fernwärmenetz existiert und es die geologischen Gegebenheiten vielleicht nicht erlauben, einen Brunnen oder eine Erdsonde zu erschließen. „Dann könnte ein Eisspeicher in Kombination mit einer Wärmepumpe eine gute Lösung sein“. Auch wenn Schnee und Eis hierzulande seltener werden, lässt sich die im Wasser gespeicherte Energie vielfältig nutzen. 

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Yukimuro

Schnee-Lager

Bei der in Japan – dem schneereichsten Land der Erde – kultivierten Methode handelt es sich um die Nutzung der natürlichen Energie von Schnee. In Yasuzuka, in der Provinz Niigata gelegen, wird die bewährte Schnee-Kühlung beispielsweise für die Lagerung von Lebensmitteln eingesetzt. So fand man heraus, dass Lebensmittel ohne Faktoren wie künstliches Licht oder Vibrationen durch Kühlgeräte stressärmer reifen und dadurch einen delikateren Geschmack entwickeln. Reis beispielsweise wird süßer, Gemüse knackiger. Auch lässt sich durch diese Kühlungsmethode einiges an Öl und Kohlendioxid einsparen. So geht man davon aus, dass die Nutzung einer Tonne Schnee 10 Liter Öl und 30 kg CO2 einspart. In einem Yukimuro werden zwischen 400 bis 700 Tonnen Schnee gelagert.

Glücksspender

Für junge Herzen

Wer kann sich nicht daran erinnern, dass er als Kind die ersten Schneeflocken des Winters mit einem Glücksgefühl begrüßt hat? Die Freuden des Schnees haben Wintersportorte gedeihen lassen und diese lassen es sich nun einiges kosten, um auch in schneearmen Zeiten Loipen und Pisten damit befahrbar zu können. „Snow farming“ wird die Technik genannt, um das kostbare Weiß über den Sommer zu bringen. 

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4. Dezember 2022