Naturmaterialien zum Dämmen und Gestalten von Wänden sorgen für Gesundheit und Wohlbefinden.
Nachts im Bett und tagsüber im Büro. Und so ist die Gebäude-Hülle von Wohn- und Geschäftshäusern für die Menschen heutzutage zur dritten Haut geworden. Oft mit unerwünschten Folgen: Scheinbar fortschrittliche Produkte der Bauindustrie und Innenraumgestaltung können Schadstoffe ausdünsten, die Allergien erzeugen und im schlimmsten Fall Menschen krank machen. Verleimte Holzprodukte beispielsweise enthalten erstaunlich viele Kleber, die gesundheitlich und ökologisch bedenklich sein können. „Bei einem Einfamilienhaus können da schnell einige hundert Liter Kleber zusammenkommen“, schätzt Winfried Schneider, Geschäftsführer des Instituts für Baubiologie + Ökologie Neubeuern. Ein anderes Beispiel sind Dispersionsfarben, die in den vergangenen Jahrzehnten die früher üblichen Kalkfarben abgelöst hatten. Dispersionsfarben waren wesentlich einfacher zu streichen als Kalkfarben. Doch dieser Komfort hat mehrere Haken: Dispersionsfarbe verschließt die Poren des Untergrunds und lässt die Wände nicht mehr atmen. Darüber hinaus sind die in Dispersionsfarbe enthaltenen Weichmacher eine ideale Nahrungsgrundlage für Schimmel. – Schimmel, der aufgrund der rigiden Wärmedämmung von Außenfassaden mit Kunststoffen ohnehin auf dem Vormarsch ist. Für so manches Haus begann mit der Verarbeitung bequemer und möglichst effizienter Materialien ein Teufelskreis aus Schimmelbefall und Unbehagen. Laut Zahlen des Landesgesundheitsamts Baden-Württemberg ist in den Wohnungen von Allergikern zu 30 Prozent Schimmelbefall festzustellen.
Nicht nur beim Essen und Kleiden, auch bei der Verwendung von Baumaterialien beginnt sich das Bewusstsein in den vergangenen Jahren zu ändern. „Es gibt für nahezu alle Anwendungsbereiche auch eine umweltfreundliche Variante und manchmal sogar eine ganze Auswahl davon“, beobachtet Dr. Brigitte Dahlbender, Vorsitzende des BUND Baden-Würt-temberg. „So haben beispielsweise ökologische Dämmmaterialien unterschiedliche Eigenschaften, so dass je nach Situation gewählt werden kann, worauf besonders Wert gelegt wird.“ Dämmstoffe aus Holzfasern etwa bieten überzeugenden Schall- und Wärmeschutz, Dämmstoffe aus Schafwolle können der Raumluft Schadstoffe entziehen, Dämmstoffe aus Hanf und Flachs sind besonders angenehm zu verarbeiten. (Siehe: Ökologisch dämmen).
Mehr Komfort bei biologischen Farben
Der Wunsch nach einfacher Verarbeitung hat auch bei den traditionellen Kalkfarben in den vergangenen Jahren zu Innovationen geführt. Während Kalk früher mühsam in mehreren Arbeitsgängen aufgetragen werden musste, haben die Hersteller biologischer Farben dem Kalk viel von seiner Sperrigkeit bei der Verarbeitung genommen. Kalkfarbe lässt sich nun auch mit dem Farbroller auftragen, was früher nicht möglich war; außerdem hat moderne Kalkfarbe eine höhere Deckkraft als früher. „Besonders für Feuchträume wie Küchen, Bäder, Keller, Treppenhäuser und Lagerräume, aber auch für Außenfassaden bietet sich Kalkfarbe an“, weiß Malermeister Franz Kriechbaum aus dem oberbayerischen Dorf Anwort aus Erfahrung. Für ihn sind Lehm und Kalk „hervorragende Materialien, die gerade auch in Zeiten des Vollwärmeschutzes viele nützliche Effekte entfalten.“
Lehmputz: gut fürs Raumklima
Denn wenn die Wände durch Vollwärmeschutz dicht gemacht wurden und zudem auch die Fenster nicht mehr zu öffnen sind, dann bietet sich eine Pufferzone aus Lehmputz an, mit der Franz Kriechbaum beste Erfahrungen gemacht hat. „Lehmputz kann 30 mal so viel Feuchtigkeit wie konventioneller Putz aufnehmen“, so Kriechbaum. Und die Luftfeuchtigkeit ist für ein gesundes Raumklima von großer Bedeutung. Die Luft sollte nicht zu feucht, aber auch nicht zu trocken sein. Denn trockene Luft (weniger als 40 Prozent Raumluftfeuchte) reizt die Haut und Schleimhäute und macht sie anfälliger für Attacken von Erregern aller Art. Feuchte Luft (mit mehr als 70 Prozent Raumluftfeuchtigkeit) fördert die Schimmelbildung im Raum und wird von den Bewohnern als unangenehm empfunden. Darüber hinaus wirkt Lehmputz antibakte-riell und schimmelabweisend und sorgt für ein gesundes Raumklima.
Weniger Energie für die Herstellung
Doch nicht nur der Mensch, auch die Umwelt kann durch ökologische Baumaterialien profitieren. Denn Baustoffe benötigen extrem unterschiedliche Energiemengen bei ihrer Produktion. Der Schweizer Buchautor Markus Mosimann rechnet vor: „Für die Herstellung eines Quadratmeters Wärmedämmung aus Polystyrol wird gut zehnmal mehr an nicht erneuerbarer Energie verbraucht als für die Herstellung einer gleich großen und gleich dicken Dämmung aus Zellulose.“ Sein Buch „Das Holzhaus der Zukunft“ ist ein provokantes Plädoyer für eine einfache, natürliche und energiesparende Bauweise und Mosimann ist davon überzeugt, dass für eine günstige Gesamtenergiebilanz der Einsatz natürlicher Materialien erforderlich ist. „Ökologisch bauen mit menschlichem Maß“ lautet seine Devise.
Foto: Baufritz
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