Wasserstoff statt Erdgas

Die Europäische Union hat sich im Rahmen des Green Deal verpflichtet, bis 2050 klimaneutral zu werden. Für den Gebäudesektor legt das Klimaschutzprogramm der Bundesregierung bis zum Jahr 2030 eine Treibhausgas (THG)-Minderung in Höhe von rund  66 Prozent gegenüber 1990 fest. Nach Berechnungen des Umweltbundesamtes sind die Treibhausgasemissionen im Gebäudesektor seit 1990 bis 2018 bereits um rund 44 Prozent gesunken.

Die Berliner Nymoen Strategieberatung fand in ihrer Studie heraus: Eine Realisierung des Ziels der Klimaneutralität im Wohngebäudebereich bis zum Jahr 2050 ist technisch möglich und durch die Eigentümer/Nutzer auch finanzierbar – sofern die Umstellung wie bisher gefördert wird. Eine entscheidende Rolle spielt dabei der Einsatz klimaneutraler Energieträger sowie der Einsatz von Energieträgern mit sehr geringer CO2-Intensität. Neben einer klimaneutralen Erzeugungsstruktur von Strom und Fernwärme betrifft dies vor allem die Zusammensetzung des Gasmixes aus CO2-armen und -neutralen Gasen sowie die Verwendung von Wasserstoff. Nur durch einen ausgewogenen Maßnahmenmix aus Sanierung und dem Einsatz klimaneutraler Energieträger ist das Ziel der Klimaneutralität auch finanziell realisierbar.

Das Beratungsunternehmen geht davon aus, dass die CO2-Emissionen von 2020 bis 2050 um 132 Millionen Tonnen sinken können. Das bedeutet eine Einsparung in Höhe von 97 Prozent in den betrachteten 30 Jahren.  55 Prozent der CO2-Einsparungen bis 2050 entfallen dabei auf die Dekarbonisierung der eingesetzten Energieträger, weitere knapp 25 Prozent auf den Ersatzbau, das bedeutet den Austausch ineffizienter Bestandsgebäude durch effizienten Neubau. 20 Prozent der Einsparungen bringen Einzelmaßnahmen wie der Heizungswechsel oder die Gebäudehüllensanierung.

 Die Rolle von Wasserstoff

Insgesamt spielt Wasserstoff für diese Entwicklungen eine wesentliche Rolle. Bis 2050 wird Wasserstoff Erdgas nahezu komplett ersetzen und sowohl im Gasmix mit Biomethan oder direkt bezogen werden. Dabei werden vielfach effiziente Technologien wie Brennstoffzellen und Gas-Wärmepumpen, aber auch Brennwertkessel eingesetzt. Zudem findet Wasserstoff in der Fern- und Nahwärme und zu Teilen auch bei der Stromerzeugung Anwendung. Ein deutlich wahrnehmbarer Anstieg des Einsatzes von Wasserstoff beginnt voraussichtlich von 2030 an. Bis 2050 könnte Wasserstoff einen Anteil von 63,5 Prozent  des gesamten Endenergiebedarfs im Wohngebäudebereich liefern – umgerechnet wären das 239 TWh (Terrawattstunden).

Bei Neubauten spielen künftig strombasierte Technologien eine wichtige Rolle. Dabei ist die eingesetzte Technologie und insbesondere der Anteil elektrischer Wärmepumpen maßgeblich von der Effizienz des Gebäudes abhängig. Im Rahmen der Studie wird davon ausgegangen, dass durch Niedrigstenergiehäuser elektrische Systeme wie Luftheizungen (Zusatzheizungen im Rahmen der Lüftungsanlagen) eine stärkere Rolle spielen werden, um den dann nur noch sehr geringen Wärmebedarf sicherzustellen. Bei Altbauten findet der Einsatz effizienter strombasierter Technologien jedoch nur in Ausnahmefällen statt, da Voraussetzung für deren Einsatz eine entsprechende Sanierung der Gebäudehülle (Gebäudeeffizienz) ist. Dadurch sind diese Maßnahmen jedoch für die Mehrheit der Eigentümer nicht finanzierbar bzw. im Vergleich der verschiedenen Maßnahmen zueinander unattraktiv.

Die Herausforderung für die nächsten Jahrzehnte wird sein, für jeden Eigentümer geeignete, weil finanzierbare Maßnahmen zur Dekarbonisierung des Gebäudebestandes bereitzustellen. Es gilt, für jedes individuelle Gebäude jeweils an die finanzielle Situation des Eigentümers und des Nutzers angepasste individuelle Sanierungsfahrpläne zu entwickeln. Dabei sollen alle Möglichkeiten der Dekarbonisierung des Gebäudebestandes in sinnvollen Maßnahmenkombinationen betrachtet werden. Ausdrücklich spielen dabei auch die Nutzung der vorhandenen Gasinfrastruktur und der Einsatz von Wasserstoff und Biomethan ebenso wie die Dekarbonisierung der Fern- und Nahwärme eine wichtige Rolle. www.nymoen-strategieberatung.de

grafik: DVGW

24. Juni 2021