Nach traditionellem Verfahren gebackene Natursauerteigbrote haben für Genuss und Gesundheit erstaunliche Effekte zu bieten. Von Andrea Tichy.
Kein anderes Lebensmittel spielt für unsere abendländische Kultur eine solch große Rolle wie Brot. Schon lange bevor das Vaterunser mit seiner Bitte um das tägliche Brot entstand, formulierte der griechische Philosoph Pythagoras: „Das Universum beginnt mit dem Brot“. Denn Brot und Kultur hingen in früheren Zeiten aufs Engste zusammen: Getreide erfordert Ackerbau, das Ordnen und Bestellen der Felder und damit verbunden Sesshaftigkeit und soziale Ordnung. Der Begriff „Kultur“ in seiner ursprünglichen Bedeutung meint Hegen und Pflegen des Feldes. Die Wertschätzung des Brotes als Symbol für Nahrung bestimmte lange Zeit auch unsere Esskultur. Doch kaum ein anderes Lebensmittel hat in den vergangenen Jahrzehnten einen derartigen kulturellen Verfall durchgemacht, wie das Brot. Die von den Ägyptern, Griechen und Römern entwickelte und hierzulande ständig verfeinerte Kunst des Brotbackens ist in den letzten Jahrzehnten mehr und mehr einer Instant-Kultur zum Opfer gefallen. Diese Instant-Kultur reduziert den vormals hoch angesehenen Bäcker immer mehr zum Anrührer und Aufbacker vorgefertigter Backmischungen. Es ist ein Kulturverfall mit allen Nachteilen, die industrielle Fertigmischungen mit sich bringen: Rund 300 Lebensmittel-Zusatzstoffe zählt eine Broschüre der Verbraucherzentrale (Was bedeuten die E-Nummern?) und viele davon können sich auch im Brot wieder finden. Von der Ascorbinsäure bis zum Diacetylweinsäureester, vom Azorubin bis zum Tartazin – Stoffe, die für den Körper Stress bedeuten und Allergien auslösen können. Parallel zu seinem Verfall vom handwerklich hergestellten Individual- Produkt hin zur industriell vorgefertigten Fertig-Mischung ging auch die Bedeutung von Brot in der Ernährung zurück: Pizza und Döner, Hamburger oder süßes Kleingebäck verdrängen Brot mehr und mehr in der Gunst junger Menschen. Dabei hat nach herkömmlichem Verfahren hergestelltes Brot in Punkto Genuss und Gesundheit so viel zu bieten, wie zum Beispiel Natursauerteig Brot, wie es die Hofpfisterei in München nach traditioneller Methode bäckt. Seine Inhaltsstoffe bestehen lediglich aus Mehl, Wasser und Salz, bei manchen Broten verfeinert
Aktivierung der körpereigenen Abwehr
In der Hofpfisterei erledigt die Natur alles, wofür sonst häufig Backhilfen eingesetzt werden. Es ist ein natürlicher Vorgang der Mehlsäuerung, der durch die im Mehl und in der Luft enthaltenen Mikroorganismen entsteht und durch die Zugabe von Urteig, ein Teil des Natursauerteiges vom Vortag, an Schwung gewinnt. In einem mehrstufigen Prozess werden dabei mit Hilfe von Milchsäurebakterien sowie mit natürlichen Hefen drei Gärungsstufen durchlaufen. Was dabei herauskommt, ist für den menschlichen Körper in mehrfacher Hinsicht bekömmlich. Stichwort Phytin: Es ist im vollen Korn enthalten und soll das Getreide vor Fressfeinden schützen. Diesem Stoff wird nachgesagt, dass er im Darm die Aufschlüsselung wichtiger Mineralstoffe verhindert. Die Enzyme des Natursauerteigs sind dazu in der Lage, das Phytin abzubauen und damit das Korn für den Menschen bekömmlicher zu machen. Noch mehr: Die durch die milchsaure Vergärung entstandenen probiotischen Keime stärken das Immunsystem und aktivieren die körpereigenen Abwehr- und Entgiftungssysteme (siehe auch Kasten: Brotzeit – Push fürs Immunsystem).
Natursauerteig: So empfindlich wie eine Diva
Seit alters her benutzt der Mensch die milchsaure Vergärung von Lebensmitteln, um diese haltbarer, geschmackvoller und genussreicher zu machen. Ein nach diesem Verfahren gebackenes Natursauerteigbrot hält wesentlich länger als industriell gefertigte Ware und ist auch nach Tagen noch ein voller Genuss. Ein Genuss, dem der bayerische Komiker Gerhard Polt ein Denkmal setzte: In seinem Kinofilm „Man spricht deutsch“ lässt Polt seine Hauptdarstellerin Gisela Schneeberger am italienischen Strand vom Münchner Pfister-Brot schwärmen. Die sorgfältig ausgesuchten Bio-Rohstoffe, das schonende Backen in Altdeutschen Steinbacköfen und die puristische Methode der Sauerteig-Herstellung machen sich eben auf der Zunge bemerkbar. Allerdings fordert die Natur bei dem der Gesundheit und dem Genuss so zuträglichen Verfahren ihren Tribut: Natursauerteig braucht, bis er backfertig ist, mindestens 24 Stunden. Er ist „so empfindlich wie eine Diva“ pflegt Firmenchef Siegfried Stocker zu sagen. Er reagiert auf Wetter- und Temperaturwechsel, auf Föhn und sogar auf Erschütterungen, und die Bäcker müssen ihn permanent im Auge behalten. „Sauerteig kennt kein Wochenende“ sagt Jürgen Mayer, der bei der Hofpfisterei für die Lebensmitteltechnologie zuständig ist. Da wundert es kaum, dass viele Bäcker in unserer Freizeitgesellschaft die traditionelle Sauerteig-Zubereitung gegen Backhilfen und Fertigmischungen eingetauscht haben. Die große Vielfalt an Brotspezialitäten, für die Deutschland bekannt ist, wandelte sich damit zu einem Standardprogramm.
Come-Back traditioneller Verfahren
Das könnte sich durch die Macht des Verbrauchers in Zukunft ändern. Schon heute erfreuen sich beispielsweise in Frankfurt Verkaufsstände auf Wochenmärkten groß er Beliebtheit, die traditionell gebackene Natursauerteigbrote anbieten. Und immer mehr Konsumenten experimentieren selbst mit dem Backen von Sauerteigbroten. Während es in früheren Zeiten ganz selbstverständlich war, Brot selbst zu backen – so gut wie jeder Bauernhof verfügte über einen eigenen Backofen – ist diese Tradition in den letzten Jahrzehnten immer mehr in Vergessenheit geraten. Bücher wie „Brot und Heimat“ der oberbayerischen Müllermeisterin Annelie Wagenstaller helfen den Konsumenten dabei, sich dem traditionellen Prozess des Brotbackens anzunähern und damit das Bewusstsein verändernde Erfahrungen zu machen. Wer einmal eine Führung in der Backstube der Münchner Hofpfisterei mitgemacht hat, der beginnt traditionell erzeugtes Brot mit großer Demut zu sehen: Wie viel Know-How, Engagement, Liebe zum Detail doch in jedem einzelnen Laib Brot stecken. Da erhält das Gebet um das „täglich Brot“ eine ganz neue Wertigkeit.
Die versteckten Zusatzstoffe
Zusatzstoffe müssen nur auf abgepackten Broten (Toastbrot, Pumpernickel) deklariert sein. Die meisten Brotwaren sind jedoch im Offenverkauf erhältlich. Für bewusste Konsumenten ist das ein Problem: Sie wissen nicht, welche Zusatzstoffe – von der Ascorbinsäure bis hin zum Diacetylweinsäureester – in den angebotenen Backwaren enthalten sind. Bio- Bäcker gehen deshalb immer mehr dazu über, sämtliche Inhaltsstoffe auf den Preisschildern der Theke zu deklarieren.
QC10E01
Brotzeit: Push fürs Immunsystem
Buchtipp | Was bedeuten die E-Nummern Herausgeber: Verbraucherzentrale Hamburg e.V. Kirchenallee 22 20099 Hamburg T 040/24832-0 040/24832-0 ISBN3-922940-25-0 Preis: 4,90 www.vzhh.de |
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Buchtipp | Brot und Heimat Von Müllermeisterin Annelie Wagenstaller Gebundene Ausgabe: 128 Seiten Verlag: Wagenstaller; Auflage: 2 (November 2005) ISBN-10: 3000176500 ISBN-13: 978-3000176500 Preis: 24,90 Euro |
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Buchtipp | Brot Symbol für Natur, Leben und KulturHerausgeber Hofpfisterei München Erhältlich in den Filialen der Hofpfisterei oder via Internet: www.hofpfisterei.de Preis: 24,80 Euro |
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Link
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www.hofpfisterei.de www.lammsbraeu.de
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