Kleine grüne Inseln für unsere Städte

Es zählt jeder nicht versiegelte Quadratmeter, besonders in Städten. Wenn da, wo vorher nur Stein, Beton und Teer war, kleine Wildniszonen entstehen dürfen, dann hat das viele positive Effekte. Von Claudia Schwarzmaier

Fußballfelder sind ein beliebter Maßstab, um die Auswirkungen der menschlichen Aktivitäten auf die Natur zu veranschaulichen. Auch was den Flächenfraß und die Versiegelung der Landschaft angeht. Allein in Bayern werden beispielweise jeden Tag 10,3 Hektar oder 14 Fußballfelder ehemals freie Flächen überbaut. Dem kann man nun Tennisplätze gegenüberstellen. Denn es genügt eine Fläche von einem Tennisplatz mit rund 200 qm, um einen kleinen Mini-Wald entstehen zu lassen und das mitten in der Stadt. Das klingt bescheiden und im Vergleich zum Fußballfeld nicht viel, aber die kleinen Wäldchen können einiges bewirken.

TINY FORESTS – KLEINE AUTARKE ÖKOSYSTEME

Tiny Forests, das ist die offizielle Bezeichnung für diese kleinen Wäldchen, gehen auf die Forschungen des japanischen Botanikers und Pflanzenökologen Professor Akira Miyawaki zurück. Er studierte und lehrte auch in Deutschland. Bereits in den 1970er-Jahren dachte Miyawaki darüber nach, wie man in Großstädten das Klima durch Aufforstung verbessern kann. Seine Antwort: kleine, grüne Naturinseln schaffen. Sie spenden Schatten, unterstützen die Artenvielfalt und reinigen die Luft von Schadstoffen. Seine von ihm entwickelte Bewaldungsmethode ist heute weltweit als „Miyawaki-Methode“ bekannt. Die Miniwälder gibt es inzwischen in Indien, den USA und Europa. In Europa entstanden die ersten kleinen Wäldchen in den Niederlanden und Belgien, in Deutschland wurde 2019 der erste in Bönningstedt durch den Verein Citizens Forests e. V. (siehe Informationen unten) angelegt.

Doch was ist das Besondere an den Tiny Forests? Der entscheidende Unterschied liegt in der Vielfalt und der Dichte der Bäume, im Gegensatz beispielweise zum Urban Gardening, wo nur wenige oder gar keine Gehölze eingesetzt werden oder auch zu den Parks, wo die Bäume meist nicht in einer solchen Dichte wachsen. Auf einer relativ kleinen Grundfläche, es genügt die Fläche des oben erwähnten Tennisplatzes oder von mehreren Parkplätzen mit nur 100 qm, werden viel dichter als üblich nur heimische und standortangepasste Bäume, Sträucher und Stauden angepflanzt. Um die Biodiversität zu erhöhen, sind es meistens mehr als 20 verschiedene Arten. Ein weiterer wichtiger Erfolgsfaktor ist die intensive Vorbereitung der Böden. Durch die hohe Pflanzdichte steigt der Konkurrenzdruck innerhalb des Ökosystems. Bereits in 25 bis 30 Jahren entsteht dadurch eine natürliche Waldgesellschaft, statt in 200 Jahren, wie bei einer normalen Aufforstung üblich. Noch besser, bereits nach drei Jahren Pflege und Bewässern ist der Tiny Forest ein autarkes Ökosystem und kann sich selbst überlassen werden.

Die schnellwachsenden Biotope wirken sich mehr als positiv auf ihre Umwelt aus. Sie sind wie kleine Oasen, sie kühlen, sorgen für ein gutes Mikroklima und schützen vor extremer Hitze. Sie bringen eine hohe Artenvielfalt hervor und bieten zahlreichen Schmetterlingen, Vögeln und bestäubenden Insekten einen Lebensraum. Außerdem speichern sie Wasser wie ein Schwamm und wirken als Rückhalteflächen bei Starkregen. Durch die dichte, mehrschichtige Vegetation, aber auch durch die Wurzeln sowie der Förderung des Oberbodens speichern Tiny Forests doppelt so schnell CO2, verglichen mit traditionell aufgeforsteten Flächen. Darüber hinaus sorgen sie durch Geräuschreduzierung und Verbesserung der Luftqualität für ein erhöhtes Wohlbefinden der Anwohner.

GEMEINSAM INSELN SCHAFFEN

Zum Wohlbefinden können die Anwohner selber beitragen, denn ein wesentlicher Kern der Methode ist die Mitwirkung von Anliegern, von Kindern und anderen Freiwilligen. Harald Wedig, ein Experte für Tiny Forests erläuterte anlässlich der Pflanzung des ersten Miniwaldes in Mönchengladbach den partizipativen Gedanken: „Menschen arbeiten gemeinsam an dem Wald. Und der Innenraum inmitten der Bäume wird ein grüner Gruppenraum für Kinder.“

Gerade für Kinder ist es eine einmalige Gelegenheit gemeinsam mit der Kindergartengruppe, der Schulklasse oder ihren Eltern durch das Pflanzen der Bäumchen in den direkten Kontakt mit der Natur zu kommen. Tiny Forests eignen sich gut als grünes Klassenzimmer (siehe unten), aber auch als Real-Labor. Kinder und Erwachsene können die Entwicklung eines Waldökosystems hautnah miterleben. Im Sinne von Citizen Science, also der Bürgerforschung, können sie mit einfachen Mitteln beispielsweise den Zuwachs der Bäume dokumentieren oder Insekten bestimmen und damit gemein- sam mit den Vereinen erforschen, wie artenreich die kleinen Wäldchen sind und wie schnell sie wachsen. Es gibt viele Möglichkeiten, die Idee der kleinen Wäldchen zu unterstützen (siehe unten).

Unabhängig davon kann jeder auf dem Balkon oder in seinem Garten eigene kleine Inseln für mehr Artenvielfalt schaffen, das ist nicht schwer und macht Spaß.

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GRÜNE KLASSENZIMMER

Eine Unterrichtsstunde im Freien, waldpädagogische Aktionen im Wald zu Themen wie „der Waldboden lebt“, oder spezielle Angebote für Kindergärten oder Schulklassen beispielweise in einem Botanischen Garten: All diese Angebote können der zunehmenden Naturentfremdung der Kinder entgegenwirken. Denn wo auch immer Kinder die Möglichkeit haben, in den frühen und persönlichen Kontakt zur Natur zu kommen, wird die Verbundenheit zur Natur gefördert und damit die Basis gelegt für ein positives Grundvertrauen in das Leben. Die Zeit in der Natur fördert darüber hinaus die mentale und soziale Entwicklung – sei es Kreativität, Entdeckerfreude, Konzentration oder Empathie. All das wird auch durch die Mitwirkung und Beschäftigung der Kinder mit Tiny Forests gefördert.

EINFACH MACHEN

Wer selbst mitanpacken will, kann sich unter anderem an den Verein Citizens Forests e.V. wenden. Der Verein geht aktiv auf Behörden, Städte und Gemeinden zu, um nicht genutzte Flächen für Tiny Forests zu finden. Die Initiative für die Aufforstung soll von den Bürgern selbst kommen, der Verein berät, unterstützt und fördert. Aufforstung gegen den Klimawandel soll zu einem normalen Teil des gesellschaftlichen Lebens werden. www.citizens-forests.org

Der Fachverband zur Förderung der Miyawaki Methode MIYA e.V. unterstützt ebenfalls, berät und forscht und bietet darüber hinaus Weiterbildung und Bildungskonzepte an. www.miya-forest.de

Bild: Pflanzaktion in Hamburg von citizens-forests