Philosophie für Zwischendurch: Epikur und die Epikureer
Unter dem Epikureismus versteht man die philosophische Denkrichtung, die auf den griechischen Philosophen Epikur zurückgeht. Sie entstand am Ende des 4. vorchristlichen Jahrhunderts und war bis ins 3 Jahrhundert nach Chr. in Griechenland und der römischen Welt verbreitet. Epikur (341 -ca. 271 v. Chr.) entwickelte eine hedonistische Lehre, die seit ihren Anfängen polarisierend zwischen ihren Anhängern und Gegnern wirkt. Sie war und ist durch die Auslegung des epikureischen Lustbegriffs umstritten. Seine Lehre umfasst zwar die drei Felder der antiken Philosophie: Physik, die Logik (Erkenntnislehre) sowie die Ethik (Verhaltenslehre). Bekannt beziehungsweise umstritten ist Epikur aber vor allem wegen seiner Ethik, der Verhaltenslehre. Ziel der Ethiklehre ist das Erreichen und Behalten der Lebensfreude durch den Genuss eines jeden Tages oder noch besser eines Augenblicks nach dem Motto „carpe diem“. Dies erreicht man, indem man versucht, alle Beeinträchtigungen des Seelenfriedens zu vermeiden beziehungsweise zu überwinden, die aus Begierden, Furcht und Schmerz erwachsen können. Die Lust am Leben stetig auszukosten, macht die Kunst des epikureischen Weisen aus. Für Epikur ist es nicht möglich, lustvoll zu leben, Lebenslust zu verspüren ohne einsichtsvoll, vollkommen und gerecht zu leben. Ebenso ist es unmöglich, einsichtsvoll, vollkommen und gerecht zu leben, ohne lustvoll zu leben. Furcht, Schmerzen und Begierde sind für Epikur die drei großen Probleme, mit denen man sich auseinandersetzen muss, damit dauerhaft Seelenruhe und Lebenslust herrschen können. Die Furcht besteht vor allem in der Furcht vor den Göttern und in der Todesfurcht. Epikur wendet sich gegen die Vorstellung, dass die Götter in das Weltgeschehen und das menschliche Schicksal eingreifen, dass ihr Zorn zu fürchten ist und sie dadurch durch Opfer und Gebete bei Laune gehalten werden müssen. Diese Ansicht verwarf er als Aberglauben. Ebenso versuchte er, die Angst vor dem Tod zu nehmen. Er argumentierte, dass der Tod keinen Anteil am individuell erfahrbaren Leben habe. „das schauerlichste aller Übel, der Tod hat also keine Bedeutung für uns; denn solange wir da sind, ist der Tod nicht da, wenn der Tod aber da ist, dann sind wir nicht da“, heißt es in einem Brief an einen seiner Schüler. Epikur ist der Auffassung, dass auch die menschliche Seele mit dem Tod zur Auflösung kommt. Nicht ein ewiges Leben, sondern eine zu Lebzeiten vollendete Seelenruhe (Ataraxie) ist das Grundmotiv der Epikureer und der epikureischen Weisheit. Die Lehre der Epikureer ist von der Diesseitigkeit bestimmt, ein Jenseits gibt es nicht. Ziel ist es, das diesseitige Leben in vollendeter Seelenruhe genießen zu können.
Anders als der Tod gehören Schmerzen jedoch zur sinnlich wahrnehmbaren Erfahrung eines jeden Menschen. Doch auch in ihnen sah Epikur keine ernsthafte Gefahr für die Lust am Dasein. Auch seinen eigenen Tod soll er gelassen und in heiterer Stimmung ertragen haben. Die größte Herausforderung war jedoch der Umgang mit den Begierden und Gelüsten, mit dem, was heute als menschliche Bedürfnisse beziehungsweise Bedürfnisbefriedigung bezeichnet wird. Die Erfüllung von Grundbedürfnissen wie Essen, Trinken und Schutz vor der Kälte sind Grundvoraussetzungen für den Genuss des Daseins. Die sexuelle Lust ist nur in Maßen dienlich, im Zweifel soll darauf verzichtet werden. Die Luxusbedürfnisse sind für ihn „leere Meinung“, sie gründen in Unvernunft und können Abhängigkeiten zur Folge haben, sie sind also überflüssig. Gerade in den beiden letzten Punkten ist Epikur missverstanden worden. Heute wird die epikureische Lehre als ein Therapieangebot zur Erlangung der Ataraxie, des Seelenfriedens oder des Zustandes eines seelischen Gleichgewichts angesehen. Als wichtigstes Therapeutikum fungiert das Tetrapharmakon (vierfaches Heilmittel) mit der Formel: „Wenn uns nicht die Vermutungen über die Himmelserscheinungen und die angstvollen Gedanken über den Tod, als ob er uns irgendetwas anginge, ferner die mangelnde Kenntnis der Grenzen von Schmerzen und Begierden belasteten, brauchten wir keine Naturphilosophie.“ Wenn wir uns nicht zu viele Gedanken machen würden, über Dinge, die wir nicht ändern können, würde unsere Seele Frieden finden, will er damit sagen.
Der Epikureismus war bis ins zweite nachchristliche Jahrhundert eine einflussreiche philosophische Schule mit zahlreichen Anhängern, wie zum Beispiel die Philosophen Zenon und Diogenes sowie die Dichter Lukrez und Horaz. Seit der römischen Zeit war der Begriff negativ konnotiert, für die christlichen Gegner Epikurs waren Epikur und ein Epikureer ein Synonym für einen Genussmenschen. Diese negative Bedeutung haftet Epikur auch heute noch teilweise an, wobei sie aber unbegründet ist.
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