Flüsse außer Rand und Band: Begradigung und Beton-Korsette haben Flüsse zur Gefahr bei Hochwasser werden lassen. Das Instream River Training kann nachhaltige und kostengünstige Abhilfe schaffen und die Wasserqualität positiv beeinflussen.

Man könnte es als Freiheitsberaubung bezeichnen, was in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts mit den Flüssen geschah: Flussläufe wurden begradigt, um mehr Flächen für die Landwirtschaft oder für den Siedlungsbau zu gewinnen; das dadurch veränderte Verhalten bei Hochwasser versuchte man durch harte Uferbefestigungen und Wehranlagen in den Griff zu bekommen. Von diesen Befestigungen ist der Großteil der Flüssläufe noch immer geprägt.
Was sich allerdings verändert hat, ist das Klima: Häufigerer Starkregen und darauf folgendes Hochwasser werden zur Belastungsprobe für die Stabilität der Ufer und stellen das bisherige Hochwasser-Management in Frage. Dazu kommt ein gesteigertes Bewusstsein für die Ökologie, die Wassergüte und den Einfluss der Verbauungen auf die Fischfauna. Dies führte zur Europäischen Wasserrahmenrichtlinie beziehungsweise zum deutschen Wasserhaushaltsgesetz, wonach alle Gewässer 1. und 2. Ordnung (also Gewässer mit erheblicher Bedeutung für die Wasserwirtschaft oder mit überörtlicher Bedeutung für das Gebiet eines Unterhaltungsverbandes) bis 2015 in einen „naturgemäßen Stand“ zurückgebaut werden sollen.

Instream River Training (IRT): Bewährungsproben bei Hochwasser bestanden
Anfang der 1990er Jahre entwickelte der österreichische Wasserbaumeister Otmar Grober ein neuartiges Konzept der Gewässerregulierung, das auf den Erkenntnissen des Naturforschers Viktor Schauberger basiert (siehe Randspalte). Die Idee: Die Hauptströmung eines Gewässers zur gezielten Erzeugung von Sekundärströmungen so zu beeinflussen, dass harte Randverbauungen weitgehend unnötig werden und zugleich die Gewässergüte steigt. Dies geschieht durch den Einbau von Lenkbuhnen, Pendelrampen Trichtern und Schnecken. Die verwendeten Natursteine werden in den Gewässerboden (Sohlgrund) eingebaut und sind auch bei Niederwasser vollständig überströmt. Diese Einbauten führen dazu, dass das Wasser spiralförmige Wirbel bildet, mit denen sich der Druck auf das Ufer deutlich reduzieren lässt. Weiterer Vorteil: Durch das Entstehen unterschiedlicher Wassertiefen und Strömungsgeschwindigkeiten erhöht sich die Wasserqualität, die Vielfalt der Arten und die Population.
Die Baubezirksleitung Bruck an der Mur in der Steiermark hat nach den Hochwässern Anfang der 1990er Jahre verschiedene IRT-Bauweisen entwickelt und deren Hochwassertauglichkeit bei den folgenden HW 100-Ereignissen festgestellt (also Hochwasser, das im statistischen Mittel alle 100 Jahre auftritt). Das österreichische Bundesministerium für Umwelt hat an der TU Graz ein Abflussmodell der Pendelrampe überprüfen lassen; dies wurde im Rahmen einer Dissertation von Dr. Christine Sindelar mit ausgezeichnetem Erfolg abgeschlossen. In Deutschland wurde erstmals der Fluss Wiese mithilfe der neuen Methode renaturiert. Die Wiese gilt als einer der am stärksten von menschlicher Hand verbauten Flüsse in Baden-Württemberg. In der Strukturgütekarte – sie gibt Auskunft über die ökologische Befindlichkeit eines Flusses – nimmt sie den vorletzten Platz ein. An der Wiese schien die Umsetzung der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie angesichts der massiven Verbauung insbesondere im Stadtgebiet von Lörrach ein schier hoffnungsloses Unterfangen. „Ein Glücksfall“ für die Gemeinde war nach eigenem Bekunden, dass dort der engagierte Wasserbauer Erich Linsin die innovativen Flussbaumaßnahmen von Viktor Schauberger und Otmar Grober umsetzte. Mithilfe von Lenkbuhnen und Pendelrampen zielte er darauf, Hochwasserschutz zu gewährleisten, die Strömungsvielfalt und die Durchgängigkeit für Fische zu verbessern und dabei auch noch Kosten zu sparen. So kostete der im Jahr 2007 begonnene und im Jahr 2008 abgeschlossene Rückbau von 0,5 Flusskilometern 230.000 Euro – weniger als herkömmliche Hochwasserschutzmaßnahmen. Wissenschaftlich begleitet wurde der Gewässer-umbau vom Leichtweiß Institut der Universität Braunschweig. Erste Kontrolluntersuchungen zeigten, dass die Fische von den verbesserten Lebensbedingungen profitieren. Inzwischen haben die optisch eher unscheinbaren Steinsetzungen auch bei Hochwasser die ersten Bewährungsproben bestanden.

Praxisbeispiele: Pendelrampe – Schnecke – Trichter
Um größere Gefälle zu überbrücken, wurden früher meist Wehre eingesetzt, die Fische nicht überwinden können. Hier kann eine Pendelrampe sowohl die Durchgängigkeit für Fische als auch eine Verlängerung der Fließstrecke ermöglichen. Bei Hochwasser zeigt sich ein nach innen aufgewölbtes Fließprofil und die Uferränder werden nicht angegriffen. Noch beeindruckender ist die Schneckenbuhne. Bei Hochwässern zeigt diese IRT-Maßnahme entgegen jeder Erwartung keine Ablagerungen von Geröll. Die Schneckenbuhne bleibt frei, sie führt zu einer Zentralisierung der Fließgeschwindigkeit und damit zu reduziertem Uferangriff. In den Schneckenbuhnen wurde zudem eine Veränderung des pH-Wertes des Wassers in Richtung Normalwert gemessen! Mit der Trichterbuhne kann ebenso eine Normalisierung des Fließprofils und ein Uferschutz bei Hochwasser erreicht werden. Außerdem zeigten sich Zunahmen der Fischpopulation bis zu 500 Prozent und Steigerung der Artenvielfalt, vor allem der seltenen Arten wie Bachneunauge. Auch war der Zuwachs der Uferbewaldung im Verhältnis zum Bereich oberhalb des Trichters mit Steigerungen um mehrere 100 Prozent deutlich. Dies ist keine Zauberei, sondern Ausdruck der Verbesserung der biologischen Wasserqualität durch die Maßnahmen des Instream River Training.
Die Weiterverbreitung der mittlerweile in Österreich, Deutschland und in der Schweiz erprobten Methode hat sich der Verein für Implosionsforschung auf die Fahnen geschrieben. Interessierte können dort Muster-Planungsunterlagen wie Anschauungsmaterial zu Lenkbuhnen und Pendelrampen anfordern.QC 29W03

Beitrag Verein für Implosiunsforschung