Ein franziskanischer Beitrag zum Thema Licht. Von Christophorus Goedereis OFMCap

Alles dreht sich um das Licht. Lichtdesigner entwickeln Lichtkonzepte für Banken, Museen und Kirchen. Illuminationskünstler lassen öffentliche Gebäude in einem neuen Licht erscheinen. Selbst der Petersdom in Rom war Projektionsfläche für eine Lichtshow während des Weltklimagipfels. Wer das richtige Licht hat, kann unglaubliche Stimmungen erzeugen.
Was heute die Technik leistet, musste früher das natürliche Licht bewirken. Weil man das Licht aber nicht greifen oder festhalten kann, hatte es immer eine eigene Symbolkraft. Vor allem im religiösen Bereich. Das berühmte „Gott sprach: Es werde Licht!“ ist immerhin einer der ersten Sätze in der Bibel. Im Alten Testament erscheint das Licht als von Gott geschaffenes Lebensprinzip. (1) Es ordnet Tag und Nacht, Sonne, Mond und Sterne. Das Licht ist Symbol des Wissens und der Weisheit. (2) Es ist aber auch die Rede vom Licht des Gesetzes (3) oder vom Licht des Rechts. (4) Die reiche Lichtsymbolik des Alten Testamentes wird im Neuen Testament auf Christus selber angewandt: „Ich bin das Licht der Welt. Wer mir nachfolgt, wird nicht in der Finsternis umhergehen, sondern wird das Licht des Lebens haben.“ (5) Sogar die Ungläubigen sind „in sein wunderbares Licht berufen“. (6)

Lob des Lichts im Sonnengesang
Bis heute beschäftigt das Licht die christliche Theologie und Spiritualität. Nirgendwo aber spielt das Licht eine größere Rolle als in der franziskanischen Tradition. Von Franziskus von Assisi (1182-1226) stammt der berühmte Sonnengesang: „Gelobt seist, du mein Herr durch Schwester Sonne und Bruder Mond.“ Alle Geschöpfe, wie auch die Elemente, werden als Geschwister bezeichnet. Alles ist miteinander verbunden und aufeinander verwiesen. Alles ist aber auch ein Verweis auf den Schöpfer. „Es gibt kein sichtbares und leibhaftes Ding, das nicht etwas Unsichtbares und Geistiges bedeuten würde“, sagt der Franziskaner Johannes Duns Scotus (1266-1308). Das gilt vor allem für das Licht.
Dem großen Franziskaner-Gelehrten Bonaventura von Bagnoregio (1221-1274) verdanken wir eine eigene Theologie des Lichts. Im Gegensatz zu früheren Theologen, die sich ebenfalls mit dem Licht beschäftigten, ist das Licht für Bonaventura nicht eine „Qualität des Körpers“, sondern eine eigene „Substanz“. Bonaventura ist der Auffassung: Gott selber ist in seinem Wesen reines Licht – und alles Licht in dieser Welt ist eine sog. „Lichtemanation“. (7) Mit anderen Worten: Licht ist die einzige Substanz, die aus Gott selber hervorgeht. Licht ist etwas Göttliches. Und damit gilt auch: Ein Mensch, der sich Gott nähert, erlangt Erleuchtung. Bei Bonaventura ist nämlich auch die Idee Licht – und der Erkenntnisvorgang ein Lichtprozess. Als christlicher Theologe ist Bonaventura davon überzeugt: Die Erleuchtung führt den Menschen zu Christus, den der gelehrte Franziskaner als „das Licht der Gnade“ bezeichnet. Und natürlich gilt umgekehrt: Wer nicht im Licht der Gnade lebt, um den wir es finster. Kein Wunder, dass die Finsternis jahrhundertelang als Bild für die Gottesferne verwendet wurde! Dass Bonaventura in seiner Lichtdeutung unter anderem von der arabischen Licht-Idee inspiriert wurde (8), kann hier nicht näher erörtert werden, ist aber im Jahr des 800-jährigen Jubiläums der Begegnung zwischen Franz von Assisi und dem Sultan von Syrien eine schöne Reminiszenz.
Der Franziskaner Bonaventura von Bagnoregio ist der Licht-Theologe schlechthin. Als Kirchenlehrer hat er die christliche Tradition im wahrsten Sinn des Wortes: erleuchtet. Bei aller Lichthaftigkeit bleibt aber für Bonaventura auch klar: alles das ist letztlich ein Geheimnis. Was jene Sonne in die Seelen hineinstrahlt, kann niemand erklären. Und „das Licht der Gnade“ übersteigt alle menschliche Fassungskraft. Enden wir mit einer Kostprobe von Bonaventura, der auch uns erleuchten möge:
„Die Gesamtheit aller Dinge ist eine Leiter, um zu Gott aufzusteigen. Manche Dinge sind Spur, manche Bild, die einen sind körperlich, die anderen geistig, die einen zeitlich, die andern der Zeit überhoben… Die Geschöpfe der sichtbaren Welt bezeichnen das Unsichtbare Gottes. Wenn du aber nun fragst, wie das alles zu verstehen ist, dann frage die Gnade, nicht die Lehre, die Sehnsucht, nicht die Erkenntnis, das Seufzen des Gebetes, nicht das beflissene Lesen. Frage den Bräutigam, nicht den Lehrer, frage Gott, nicht die Menschen.“ (9)

Bonaventura
Der große Licht-Theologe
Dem Licht und der Erleuchtung in der christlichen Theologie hat sich besonders der Franziskaner Bonaventura von Bagnoregio gewidmet, etwa in seinem Werk: Itinerarium mentis in Deum – Der Weg des Menschen zu Gott.

Der Sultan mit Franziskus
Franz von Assisi reiste vor 800 Jahren nach Syrien, um dem Sultan zu begegnen. Die Theologie des Lichts ist auch von der arabischen Vorstellung der Emanation beeinflusst. Diese bezeichnet in metaphysischen und kosmologischen Modellen das „Hervorgehen“ von etwas aus seinem Ursprung, der es aus sich selbst hervorbringt.

Literaturhinweise und Quellenangaben:

(1) Erstes Buch Mose 1,3 f. u. 14-18
(2) Buch Weisheit 7,10
(3) Prophetenbuch Jesaja 51, 4
(4) Buch der Psalmen 37,6
(5) Johannesevangelium 8,12
(6) Erster Petrusbrief 2,9
(7) Emanation (von lateinisch emanatio „Ausfließen“, „Ausfluss“) bezeichnet in metaphysischen und kosmologischen Modellen das „Hervorgehen“ von etwas aus seinem Ursprung, der es aus sich selbst hervorbringt.
(8) Auf die arabische Lichtspekulation gehen vor allem die Vorstellungen von der Emanation zurück. Eine wichtige Rolle spielt in dem Zusammenhang auch das um die Mitte des 12. Jahrhunderts übersetzte
„Liber de causis“, das Bonaventura, wie alle Theologen seiner Zeit, kennt und schätzt. Auch der ungefähr zur gleichen Zeit übersetzte „Fons vitae“ des Avencebrol (jüdischer Philosoph im muslimischen
Spanien, 1021-1070) ist hier bedeutsam. Auch bei dem Franziskaner-Gelehrten Alexander von Hales (1185-1245) ist ein solcher Einfluss unverkennbar. Auch dessen Schriften wird der deutlich später geborene Bonaventura bestens gekannt haben.
(9) Bonaventura: Itinerarium mentis in Deum – Der Weg des Menschen zu Gott, hrsg. Von Dieter Hattrup, CreateSpace Independent Publishing Platform 2016. Darüber hinaus verweise ich auf den Artikel:
Werner Dettloff, Licht und Erleuchtung in der christlichen Theologie, besonders bei Bonaventura, in: Wissenschaft und Weisheit. Zeitschrift für augustinisch-franziskanische Theologie und Philosophie
in der Gegenwart, 49. Band (1986).

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