Powerdrink Milch – für manche mit Vorsicht zu genießen. Von Regina Eisele.
Zu gesunder und vollwertiger Ernährung gehören frische Milch und Milchprodukte. Sie sind wichtige Calciumlieferanten und wirken vorbeugend gegen Osteoporose, Bluthochdruck und Herzinfarkt. Nach einer Emnid-Umfrage halten rund 88 Prozent der Deutschen Milch für unverzichtbar. Auch bei dem 17jährigen Christoph begann der Tag mit einem Becher Kakao. Milch war eines der Lieblingsgetränke des Teenagers. Aber dann plagten ihn immer häufiger schon am frühen Morgen Übelkeit, Erbrechen, Appetitlosigkeit und ständige Schlappheit. Der Hausarzt war ratlos und schickte ihn zum Spezialisten. Aber auch eine Magenspiegelung brachte kein Ergebnis. Die Beschwerden waren mal weg und dann anfallartig wieder da. Weil er die Symptome, vor allem die bleierne Müdigkeit, nicht richtig erklären konnte, hatte Christoph schnell den Stempel des Drückebergers weg. Bis ein Bluttest endlich Klarheit schaffte. Christoph leidet unter Laktose-Intoleranz.

Nicht krank und nicht gesund
Laktose-Intoleranz oder Milchzucker-Unverträglichkeit ist keine Allergie, sondern eine ‚Mangelerscheinung’. Denn der Milchzucker – die Laktose – kann aufgrund eines Enzymmangels – Laktase – nicht aufgespalten werden und gelangt so direkt in den Dickdarm. Die chemische Reaktion der dort angesiedelten Bakterien zersetzt ihn dann zu Milch- und Essigsäure, Kohlendioxid, Wasserstoff und Methan. Diese verursachen die verschiedenen Beschwerden, über die die Betroffenen häufig klagen: Durchfall, Blähungen, Krämpfe und Völlegefühl, aber auch Kreislaufprobleme oder Migräneattacken. Die Symptome treten in der Regel schon relativ schnell nach dem Verzehr von Milchprodukten auf und werden aber vor einer Diagnose selten damit in Verbindung gebracht. Dabei fehlt rund 75 Prozent der Weltbevölkerung vor allem in Asien und Afrika das Enzym Laktase. In Nordeuropa schätzt man die Zahl der Betroffenen auf etwa 15 Prozent oder mehr als zehn Millionen Menschen. Nicht jeder reagiert gleich, bei manchen liegt die Toleranz höher bei anderen niedriger. In der Regel nimmt ein gesunder Erwachsener bei vollwertiger Ernährung täglich etwa 20 – 30 Gramm Laktose zu sich. Ein Liter Milch enthält zwischen 48 und 50 Gramm Laktose. Inzwischen kann über verschiedene Testverfahren recht eindeutig bestimmt werden, ob eine Laktose-Intoleranz vorliegt. Für die Betroffenen ist es eine große Erleichterung, wenn die Ursache der andauernden Beschwerden bekannt ist. Manchen helfen laktasehaltige Enzympräparate oder Verdauungshilfen, die sie zusammen mit Milchprodukten zu sich nehmen. Und Milch und Milchprodukte müssen nicht mehr ganz vom Speiseplan gestrichen werden, denn inzwischen gibt es in Supermärkten und im Biohandel laktosefrei Milchprodukte. Dennoch bedeutet es für die meisten Menschen eine große Umstellung der Ernährung und der bisherigen Essgewohnheiten.

Der Blick aufs Etikett
Wie so oft steckt die Tücke im Detail. Denn Laktose oder Milchzucker findet sich nicht nur in der Milch, sondern auch in zahlreichen anderen Lebensmitteln, in denen sie der Laie nicht vermutet. Vor allem Instanterzeugnisse wie Kartoffelpulver, Suppen oder Fertigsaucen, nahezu alle Fertiggerichte, aber auch zahlreiche Wurstwaren, selbst manche Gewürz- oder Müslimischungen enthalten Milchzucker. Manche Betroffene reagieren auch bei kleinen Mengen bereits sofort mit den entsprechenden Symptomen. Rolf Meyer-Wehmann, der jahrelang unter unerklärlichen Migräneattacken litt, macht seit der eindeutigen Diagnose Laktose-Intoleranz einen großen Bogen um Fertiggerichte. In der Kantine beschränkt er sich vorwiegend auf Salat, aber auch hier grüßt die Laktose allzu oft in der fertigen Salatsauce. Soweit es geht, beschränkt er sich auf Essig und Öl. Und Schokolade, Pralinen oder der schnelle Pausensnack sind gestrichen. Nicht unbedingt schlecht für die Linie, findet er. Die Deklarationsvorschrift macht es Betroffenen inzwischen leichter. Es lohnt sich, genau hinzuschauen, was man einkauft. Wer sicher gehen will, sollte Produkte mit dem Hinweis ‚kann Spuren von Milchbestandteilen enthalten’ besser meiden. Beim Kauf von Frischwaren– Fleisch- oder Fischprodukten, Feinkostsalaten und Backwaren, lieber einmal mehr nach den Zusatzstoffen fragen und im Zweifelsfall verzichten. Schwieriger wird es bei Medikamenten und homöopathischen Mitteln. Dort wird Milchzucker oft als Füllmittel zugesetzt. Wer unter Milchzucker-Unverträglichkeit leidet, sollte seinen Heilpraktiker und Arzt darauf ansprechen und den Apotheker immer nach den Inhaltsstoffen fragen. Christoph und seine Mutter haben inzwischen den Speiseplan der Familie umgestellt. Es geht auch ohne Sahnesauce und Joghurtdressing. Und Salami-Pizza, Christophs Lieblingsessen, gibt es jetzt nicht mehr aus der Kühltruhe, sondern frisch aus dem Ofen – selbst gebacken, schmeckt gut und bekommt gut.

Test Laktose-Intoleranz

Foto: Monika Frei-Herrmann

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