Seit Jahrtausenden werden Keimlinge und Sprossen rund um den Globus als Heil- und Lebensmittel verwendet. Nie wieder enthält die Pflanze so viele Nähr- und Vitalstoffe wie als Keimling oder Sprosse. Sie lassen sich zu jeder Jahreszeit überall ziehen und werten jede Mahlzeit auf.

Der pflanzliche Samen trägt alles in sich, was es braucht, um eine Pflanze daraus wachsen zu lassen. Das Faszinierende: Sobald er mit ausreichend Feuchtigkeit in Berührung kommt, wird er aus seinem Schlaf erweckt und der Keimprozess beginnt. Daraus lässt sich ableiten, wieviel Lebensenergie in diesem Moment in dem Pflanzenprozess stecken muss.
Der erste Schritt beim Keimen besteht also darin, das Saatgut zu „aktivieren“: Dafür wird es einige Stunden in Wasser eingeweicht. So wird der Samen sozusagen wieder „zum Leben erweckt“, der Keimprozess wird in Gang gesetzt. In dieser Art „aktiviert“ werden können Nüsse, Kerne und Samen, die man normalerweise auch so essen würde, wie Haselnüsse, Sonnenblumen- oder Kürbiskerne, Leinsamen oder Mandeln. Auch Samen, die man kochen würde – von Getreide über Pseudogetreide. wie Buchweizen oder Quinoa, bis hin zu Hülsenfrüchten – lassen sich aktiveren. Das geht natürlich auch mit Saatgut, aus dem nach dem Aktivieren Mikrogrün, also kleine Pflänzchen erwachsen, wie Radieschen-, Kresse-, Klee- oder Alfalfa-Sprossen.
Allein schon durch das Einweichen nimmt die Fülle an Nährstoffen enorm zu. Gleichzeitig werden unverdauliche Stoffe abgebaut. So schmecken Nüsse und Kerne durch das über Nacht-Einweichen frischer und lebendiger und durch die Aktivierung der Enzyme strotzen beispielsweise nur etwa zwei Stunden eingeweichte Leinsamen nur so vor Energie, die ihre Wirkung potenziert. Für derart schleimbildende Samen und Nüsse endet nach dem Einweichen der Aktivierungsprozess, sie lassen sich nicht weiter keimen. Aber für eingeweichte Hülsenfrüchte wie Adzuki- oder Mungbohnen, Getreide wie Dinkel oder Hirse, Pseudogetreide setzt sich der Energetisierungsprozess beim Keimen zur Sprosse fort. Auf den Punkt gebracht: Keimlinge sind das Ergebnis nach kurzer Ziehdauer; bei Sprossen hatten die Keimlinge Zeit sich zu entfalten, Stiele, Blätter oder Wurzeln zu bilden.

Maximaler Nähr-und Vitalstoffgehalt in der Sprosse

In zwei bis fünf Tagen lassen sich nun in einem einfachen Sprossenglas (siehe Kasten) oder in einem speziellen Küchenutensil Sprossen ziehen, die eine besonders leckere, frische, nährstoffreiche und kalorienarme Ergänzung zu Salaten, Suppen, Sandwiches oder Gemüsepfannen werden. Und das gelingt an jedem Ort der Welt, zu jeder Jahreszeit und ganz ohne grünen Daumen. Im Zuge des Keimprozesses kommt es bei vielen Keimsaaten zur Bildung von sogenannten Faserwurzeln, feinen weißlichen Haarwurzeln, die der Sprosse helfen, mehr Feuchtigkeit aufzunehmen. Diese haben also nichts mit Schimmel zu tun. Schimmel fühlt sich wattig an und riecht modrig. Ihn verhindert man durch die Reinheit der Gerätschaften und zweimal tägliches Spülen der Sprossen. Keimlinge haben unterschiedliche Mindestkeimzeiten, im Winter geht es etwas langsamer als im Sommer. Sie lassen sich schon essen, auch wenn sie noch ganz klein sind, etwa die zwei- bis dreifache Länge des Samens haben. Die ausgewachsenen Keimlinge lassen sich etwa zwei Tage in einem nicht luftdichten Glasbehälter auf Küchenkrepp aufbewahren. Der Vorrat an Lebensmitteln, wie sie nicht frischer sein könnten, geht nie zur Neige, wenn permanent neue Sprossen herankeimen. Geschmacklich ist für jeden etwas dabei: von der zartherben Kresse über die knackige Mungbohnen-Sprosse bis hin zum milden Buchweizenkeimling. Und gesund sind sie alle – als wertvolle Lieferanten von Eiweiß, essentiellen und nicht essentiellen Aminosäuren, gesunden Kohlenhydraten und Ballaststoffen. Speziell die schleimbildenden Basilikumsamen, die nur aktiviert, nicht gekeimt werden, werden schon seit jeher in der ayurvedischen und chinesischen Medizin zur Stärkung des Immunsystems eingesetzt. Den Rotklee-Sprossen werden wegen ihrer Phytoöstrogene hormonregulierende Wirkung nachgesagt. Und als ganz großer Hoffnungsträger in der medizinischen und pharmakologischen Forschung gelten Brokkoli-Sprossen.

Sprossen im Glas keimen

Je nach Sorte dauert es zwei bis sechs Tage bis zum Genuss.

 

 

 

 

 

Grassaft

Grüne Lichtkraft – selbst gepresst. Keimfähige Weizen-
oder Dinkelgrassamen
in einer flachen Schale mit 2-3 cm Anzuchterde bedecken, mit Sprühflasche feuchthalten.
Nach zehn Tagen die Halme ernten, in eine Saftpresse geben oder im Mixer mit Wasser
zu Saft machen.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Buch-Tipp

Sprossen & Keimlinge
Angelika Fürstler

Die Autorin gibt einen guten Einstieg zum Aktivieren von Saaten und beschreibt die verschiedenen Möglichkeiten zum Keimen. Eine Übersicht-stabelle zeigt Einweichzeit und Keimzeit von Saatgut. Kreative leckere Rezepte und interessante Hintergrund-informationen zur Heilkraft verschiedener Sorten runden das Buch ab.

Hans-Nietzsch-Verlag,
64 Seiten Broschur
ISBN 978-3-86264-670-8
Preis: 8,99 Euro

QC58E05

Bildnachweise: Titelbild, depositphotos.com | aetb, Fotos über das Keimen Hans-Nietzsch-Verlag, Foto Grassaft Martina Guthmann