Igel gefunden – was nun ?

Seit Oktober 2024 ist es offiziell: Die Weltnaturschutzunion (IUCN) stufte den bei uns heimischen Braunbrustigel (Erinaceus europaeus) als „potenziell gefährdet“ ein. Sein Platz auf der Roten Liste bedeutet, dass die Igelpopulationen in Europa stark zurückgehen. Was wir gemeinsam tun können, um die Stachler zu unterstützen – und wann die Tiere sofortige Nothilfe brauchen.

QC75E04

Hungersnot und Gefahren im Garten

Die Saison 2024/2025 verlief so dramatisch, wie keine zuvor. Das berichteten einstimmig die Igel-hilfen in Deutschland. Gab es in früheren Jahren für die Stationen in der Regel eine kleine Verschnaufpause, riss diesmal der Strom an halb verhungerten, kranken und verletzten Igeln einfach nicht ab. Die Gründe dafür sind vielfältig: Es fehlt an Insekten – der natürlichen Nahrung des Igels –und an Lebensräumen. Gleichzeitig nehmen tödliche Gefahren zu: Gift in den Gärten, Stabmattenzäune als unüberwindliche Barrieren, Mähroboter und motorisierte Freischneider. Wer einmal durch Gartengeräte verstümmelte Tiere gesehen hat,wird diesen Anblick sein Lebtag nicht vergessen.

Igelhilfe gehört in Profihand

Doch wo die Not groß ist, wächst zum Glück auch Hilfsbereitschaft: So rückt die Bedürftigkeit von Igeln immer mehr ins öffentliche Interesse. Zudem ist ein deutschlandweites Netzwerk an qualifizierten Igelhilfestationen entstanden, in denen sich Menschen – meist ehrenamtlich und aufopfernd – um leidende Tiere kümmern.Wer einen Igel in Not findet, tut ihm den größten Gefallen, wenn er sich sofort an erfahrene Fachleute wendet. Diese besitzen in der Regel einen „Sachkundenachweis“, also eine Bescheinigung der entsprechenden Igel-Fachkunde nach Paragraf 11 des deutschen Tierschutzgesetzes (TierSchG).

Igel richtig sichern:

Haben Sie einen Igel gefunden, den Sie für hilfsbedürftig halten, gehen Sie bitte wie folgt vor: Notieren Sie Ort und Fundumstände. Machen Sie Fotos für die Experten. Wiegen Sie den Igel per Küchenwaage (vorsichtig mit Handschuhen in eine Schüssel setzen). Notieren Sie das Gewicht. Suchen Sie den Igel nach Fliegeneiern ab und entfernen Sie diese vorsichtig, aber vollständig mitein er sauberen Mascara-Bürste, einem Flohkamm oder einer Pinzette (Maden fressen den Igel innerhalb von kurzer Zeit bei lebendigem Leib auf). Setzen Sie den Igel in einen hohen Karton oder in eine Box (Seitenhöhe circa 50 cm). Legen Sie den Boden mit alten Zeitungen aus. Geben Sie ihm ein Handtuch (ohne Schlaufe) zum Verstecken. Ein Schuhkarton, in den Sie eine „Tür“ schneiden,geht auch. Sollte sich der Igel kalt anfühlen, legen Sie ihn auf eine handwarme Wärmflasche. Nun bitte unverzüglich die örtliche Igelhilfe kontaktieren. Von Juni bis August ziehen Igel ihren Nachwuchs auf. In dieser Zeit ist es besonders wichtig, trächtige oder säugende Igelinnen zu erkennen, bevor man sie ihrem Revier entnimmt – sonst bleibt ihr Wurf gegebenenfalls unversorgt zurück.Im Spätherbst bereiten sich Igel auf den Winterschlaf vor. Tiere, die tagsüber gestresst herumwandern, haben oft Untergewicht und müssen gepäppelt werden. Hilfe, Infos und Adressen von Stationen gibt es bei Pro Igel und bei Facebook in diversen Igel-Notfallgruppen.

Diese Fehler bitte vermeiden

Geben Sie dem Stachler bitte zunächst kein Futter und kein Wasser. Bringen Sie ihn auch keinesfallszu einem beliebigen Tierarzt. Dieser muss zwingend wildtier- und igelkundig sein. Viele tiermedizinischen Präparate (etwa gegen Flohbefall) sind leider tödlich für Igel. Auch schläfern Veterinäre,die sich nicht auskennen, kranke und verletzte Tiere oft verfrüht ein. Versorgen Sie den Igel bitte nicht auf eigene Faust, es sei denn, Sie werden dabei von Profis angeleitet.

Eine bessere Zukunft für Igel

Wer dem Braunbrustigel in Europa eine Zukunft bieten möchte, kann viel zu seinem Wohlergehen beitragen. Naturnahe Gärten mit insektenfreundlichen, heimischen Pflanzen und Gehölzen, mit reichlich Laub und Reisighaufen sind ideal zum Schlafen, Nisten und Überwintern. Dichte Sträucher und Wildhecken bieten Schutz und Nahrung.Ein Komposthaufen zieht nützliche (und für den Igel wichtige) Insekten an. Mehrere Igelpforten im Zaun schaffen den nötigen Durchgang. Verzicht auf Gift und Schneckenkorn sollte selbstverständlich sein. Steile Treppen und Kellerschächte lassen sich abdecken, Teiche und Pools mit Ausstiegshilfen sichern. Wer mit der Hand arbeitet und auf motorisierte Geräte wann immer möglich verzichtet, schont die Stachelritter. Zu guter Letzt: Fragen Sie doch mal Ihre örtliche Igelhilfe, ob sie helfende Hände brauchen kann!

 

Merkmale hilfsbedürftiger Igel

Ein Igel befindet sich in schlechtem Allgemeinzustand, wenn er eines oder mehrere der folgenden Merkmale zeigt:

  • ist tagsaktiv (ggf. aber nur aufgestört)
  • wirkt eingefallen (Hungerknick)
  • rollt sich nicht ein
  •  ist verletzt (hinkt oder blutet)
  • hat kahle Stellen oder ausgefranste Ohren
  • atmet geräuschvoll, hustet oder röchelt
  • Augen fehlen, sind eitrig oder eingesunken
  • riecht unangenehm (z. B. nach Eiter oder Kot)
  • wirkt apathisch, müde oder bewegungslos
  •  geht wackelig oder hochbeinig

Infos und Hilfe: www.pro-igel.de

DIE AUTORIN Elisabeth Menzel studierte Medien- und Kommunikationswirtschaft in Ravensburg. Ihr Volontariat und erste Jahre als Redakteurin verbrachte sie beim Südwestrundfunk (SWR). Es folgten Stationen als Print-Redakteurin und Pressesprecherin.Inzwischen arbeitet sie als freie Journalistin und schreibt am liebsten über gesunde Ernährung,Umweltschutz, Nachhaltigkeit und  biologische Landwirtschaft.