Die Wiederentdeckung des Gartens ist die Lösung für viele weltweite Probleme.
Seit der Vertreibung aus dem Garten Eden haben die Menschen mit vielen Problemen zu kämpfen: mit Hunger, Umweltzerstörung oder Vereinzelung. Dagegen gibt es nach Ansicht des Landschaftsökologen Dr. Josef Heringer ein Patentrezept: „Die ökosoziale Wiederentdeckung des Gartens.“ Hier können die Menschen damit beginnen, eine bessere Welt zu bauen. Denn bei einer ständig wachsenden Weltbevölkerung und einem permanenten Rückgang der fruchtbaren Ackerflächen zeichnen sich Herausforderungen ab, die jetzt auch für die Menschen hierzulande spürbar werden. Stichwort Nahrungsmittelverknappung: Der „Wettbewerb zwischen Teller, Trog und Tank nimmt zu“, analysiert Germanwatch. Dabei ist es keine Lösung, auf technologische Erzeugungsmethoden für Pflanzen zu setzen, die ohne Boden auskommen. Denn diese Technologien benötigen Phosphor zur Düngung und der ist knapp und begrenzt. „Das Zeitalter der Raupe Nimmersatt geht zu Ende“, so Heringer.
Und so wird das Selber-Gärtnern für immer mehr Menschen wieder attraktiv. Sei es auf dem Balkon, im eigenen Garten oder auch in Gemeinschaftsgärten. Schon in den 1970er Jahren entstanden in Amerika die ersten „Community Gardens“. In Städten wie New York oder Detroit besetzten die Anwohner schlechter Wohngegenden Brachen und wandelten diese in Gärten um. So wurde die meist triste Umgebung aufgewertet, den Kindern ein Ort zum Spielen geboten und die Haushaltskasse durch den Anbau von Pflanzen entlastet. Gleichzeitig entstanden Orte, an denen man sich traf und gemeinsam feierte. In der Regierungszeit des amerikanischen Präsidenten Obama war Gedanke von der „Welt als Garten“ sogar im Weißen Haus angekommen. Im Jahr 2009 ließ Präsidenten-Gattin Michelle Obama den Gemüsegarten wiederaufleben. Auf mehr als 170 Quadratmetern wuchsen Kräuter, Tomaten und Kohl für Staatsempfänge und die Mahlzeiten der Präsidentenfamilie. Diese Vorbilder zeigten Wirkung: Mittlerweile unterhält einer von drei US-Haushalten der Fast-Food-Nation einen Gemüsegarten.
Gemeinschaftsgärten in Oberbayern
Gemeinschaftsgärten sind auch hierzulande im Kommen. Wertvolles Wissen zur Selbstversorgung bietet beispielsweise das „Lebensfeld Jaksch“ im oberbayerischen Wurmsdorf bei Riedering, das der Landwirt und Bioladen-Betreiber Hubert Jaksch ins Leben gerufen hat. Das Lebensfeld bietet „Lebensraum für Pflanzen, Tiere und Menschen, bei dem sich alle Pflanzen nach dem natürlichen Bauplan entfalten dürfen.“ Alle gemeinsam erzeugten Lebensmittel werden unter den Teilnehmern aufgeteilt. Inzwischen haben sich dort auch eine Kochschule und ein Restaurant etabliert, die sich zum Ziel gesetzt haben, die hochwertige Ernte schonend weiterzuverarbeiten.
Ein anderes Beispiel ist der Dorfgarten in Piesenhausen, der unter der Leitung der Permakulturdesignerin Karin Frank entstand. In kurzer Zeit erschufen dort Laien einen 4500 m2 großen Garten mit Hügelbeeten. Die Hügelbeete bestehen aus Holzästchen, Laub, Grasnaben, Pferdemist, Aushuberde und Humus und darauf wuchsen im vergangenen Sommer vielerlei Salat und Gemüse: Weißkraut, Wirsing, Zucchini, Kartoffeln, Rüben oder Gurken. Auf Wunsch der Teilnehmer wurden die Beete rund angelegt, mit großzügigen Grasstreifen dazwischen, deren Grasschnitt wieder zum Mulchen eingesetzt wird. Der große Vorteil derartiger Hügelbeete: Man braucht keine landwirtschaftlichen Maschinen und auch nur wenige Geräte. Aufgrund ihrer Selbstregulation müssen die Beete nicht gegossen werden und liefern reichlich saisonales Gemüse. „Mit dem Garten holen wir uns den Himmel auf Erden“, schwärmt Karin Frank und sie hofft, dass der Impulsgarten neugierig und Lust zum Nachmachen macht.
Die Essbare Stadt in Andernach, München oder Kempten
Andere Konzepte, wie die „Essbare Stadt“ haben indes bereits viele Nachahmer gefunden. Seit 2010 pflanzt die Stadtverwaltung in der rheinischen Stadt Andernach Obst und Gemüse auf öffentlichen Grünflächen und jeder darf sie pflücken. Aufgrund der sehr positiven Resonanzen heißt es nun „Pflücken erlaubt“ auch in anderen Städten, wie in München oder Kempten. Das verantwortliche Gemeinschaftsgärtnern im öffentlichen Raum soll nach den Leitlinien der Interessengemeinschaft Essbare Stadt Kempten „Verständnis, Wertschätzung und Verantwortung für Natur und Umwelt“ möglich machen. Die Idee der Welt als Garten scheint eine große Triebkraft in sich zu bergen.
Praktische Tipps, damit die Anzucht gelingt finden sich in diesem Beitrag.
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Fotos: Hubert Jaksch | K arin Frank
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