QC13F09_Wendelsteinhaus

 

Als vor rund hundert Jahren die Wendelstein-Bahn gebaut wurde, erstaunte sie durch eine Vision, die heute aktueller denn je ist: Die Bremskraft des Fahrzeugs in Strom umzuwandeln. Die älteste Bergbahn Deutschlands lässt die Herzen von Energiesparern höher schlagen und glänzt durch ein Bilderbuch-Panorama. 

Zerklüftete Schluchten, steile Felswände und atemberaubende Ausblicke: Wer mit der rund Jahre alten Zahnradbahn auf den oberbayerischen Wendelstein fährt, der fühlt sich in eine wahre Zauberwelt versetzt, die auf der Bergstation zudem mit einer Reihe von Attraktionen aufwartet: der 300 Meter langen, unheimlichen Wendelstein-Höhle. Oder dem Panorama-Rundweg durch die Ablagerungsschichten des Urmeeres „Thethys“, das vor 230 Millionen Jahren hier in der Gegend schwappte und Korallenriffe hinterließ, die heutzutage den 1838 Meter hohen Wendelstein bilden. Die technische Geschichte der Zahnradbahn gerät dabei völlig in den Hintergrund, obwohl es darüber Erstaunliches zu berichten gibt. Denn die vermeintlich altmodische Zahnradbahn ist technisch gesehen alles andere als rückständig. Sie nutzt ein Prinzip, das in modernen Hybrid-Autos zum Einsatz kommt – nämlich Bremsenergie nicht verpuffen zu lassen, sondern konsequent weiter zu nutzen. Der Unterschied zu Hybrid-Autos besteht darin, dass die Zahnradbahn die Bremsenergie nicht in Batterien einspeist, sondern direkt in die Stromleitung. Darüber versorgt der Betreiber der Bergbahn – die Lechwerke AG – die Gemeinden Brannenburg und Flintsbach mit elektrischer Energie. Ihr Erbauer Otto von Steinbeis dachte höchst visionär für einen Menschen, der sich noch in der Ära der Dampflokomotiven bewegte. Doch erzählen wir von Anfang an:

Wendelstein_Nostalgiebahn abends, Brbg, Rochow.jpgDer Weitblick eines Pioniers
Otto von Steinbeis war bereits ein erfolgreicher Unternehmer (Papier, Cellulose, Baugewerbe), als er mit der Wendelsteinbahn den Bau der ersten Bergbahn in Deutschland in Angriff nahm. Damit wollte er sich einen persönlichen Traum erfüllen, für den er allerdings großes Durchhaltevermögen brauchte. Denn sein revolutionärer Plan vom Bau einer elektrischen Wendelstein-Zahnradbahn war sehr umstritten. Otto von Steinbeis musste scharfe Kritik von Grundstückseigentümern und Naturschützern einstecken, zudem stieß seine Idee, die Zahnradbahn statt mit Dampf mit elektrischer Energie zu betreiben, auf Unverständnis.
Doch ein in der damaligen Zeit üblicher Dampfzug kam für Otto von Steinbeis nicht in Frage. „Seine“ Zahnradbahn sollte mit elektrischer Energie fahren. Um diesen Plan umzusetzen wurde in Hinterkronberg eigens ein Wasserkraftwerk mit zwei Turbinen gebaut. Schon dabei zeigte sich der Weitblick des Pioniers: Bereits in den Anfängen der Stromerzeugung ließ er das Kraftwerk so bauen, dass die Bremsenergie des Zuges bei der Talfahrt für die gleichzeitige Bergfahrt des zweiten Zuges ausgenützt werden kann.

Hybrid auf dem Vormarsch
So ändern sich die Zeiten: In der Zwischenzeit ist die Nutzung von Bremsenergie  nichts Besonderes mehr. Viele Schienenfahrzeuge – von der Straßenbahn bis zur Metro, von der Zahnradbahn bis zum ICE – sind mit elektrodynamischen Bremsen für die Energierückspeisung ausgerüstet. Und auch bei den Automobilen setzt sich die Nutzung der Bremskraft immer mehr durch. Keines dieser Fahrzeuge bietet beim Stromerzeugen allerdings so viele Attraktionen wie die Zahnradbahn auf den Wendelstein.
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Wendelstein-Bahn: Ausgangspunkt