Zarte Blüten über kräftig-grünem Kraut: Der Borretsch ist ein faszinierendes Gewächs. Im Wala Heilpflanzengarten durften wir erleben, wie er kultiviert und geerntet wird, welche Heilkräfte er in sich trägt und auf welch besondere Weise die Wala Gärtner mit ihm umgehen.

Die Nacht vor der Ernte ist kurz. Ungewohnt früh, um 4.30 Uhr, klingelt der Wecker. Um 5.30 Uhr stehen wir bereits im Wala Heilpflanzengarten vor dem Borretsch-Feld. In den zarten blauen Blüten hängt Tau; es duftet nach feuchtem Gras und Kräutern. Die Vögel geben ein vielstimmiges Konzert und die Sonne steigt gerade rotglühend über die Gartenhecke. Keine Frage – die Stimmung in diesen frühen Morgenstunden ist eine ganz besondere. Friedlich, ruhig, meditativ. Und trotzdem. „Warum muss die Ernte so früh beginnen?“, fragen wir Bernhard Ehrmann, Leiter des Wala Heilpflanzengartens. Er schmunzelt, als er in unsere verschlafenen Gesichter blickt. „Zum einen werden die Pflanzen sofort nach der Ernte verarbeitet. Noch vor 11 Uhr müssen sie zerkleinert und in Tontöpfen angesetzt worden sein. Dafür brauchen die Kollegen vom Elixierbetrieb ausreichend Zeit. Zum anderen kommen die Pflanzen gestärkt aus der Nacht hervor, sind ausgeruht und geordnet. Genau in diesem Zustand wollen wir sie nutzen.“ Für die Wala Gärtner ist ein früher Arbeitsstart also Alltag. Meist beginnen sie zwischen 5 und 6 Uhr morgens. Ins Bett geht Bernhard Ehrmann deshalb oft schon gegen 21 Uhr. „Zeitgleich mit meinen Kindern“, bekennt er lachend. Die Pflanzen bestimmen seinen Terminplan und auch die Arbeitseinsätze der Gärtner übers ganze Jahr. „Bisher ist 2014 sehr lichtreich“, erklärt der Gartenleiter, „aber wir hatten auch früh mit großer Hitze und Trockenheit zu kämpfen.“ Die Ernte mancher Heilpflanzen, etwa die der Arnika (Arnica montana), welche die Wala aus zertifizierter Wildsammlung bezieht, wird dieses Jahr deshalb nicht sehr üppig ausfallen.

Jede Pflanze hat ihren eigenen Betreuer, der sie hegt und umsorgt
Auch der Termin für die Borretsch-Ernte wurde einige Male verlegt – schließlich soll die Pflanze für die Ernte in voller Kraft und Blüte stehen. Um den richtigen Zeitpunkt zu bestimmen, braucht es Fingerspitzengefühl, eine genaue Beobachtungsgabe und viel Erfahrung. Doch nun ist es soweit. Die Mitarbeiter machen sich bereit, tragen große, geflochtene Weidenkörbe zum Feld und verteilen an jeden Helfer eine Ernteschere. Insgesamt sechs Gärtner und ein Lehrling arbeiten im Wala Heilpflanzengarten. Diesen Sommer bekommen sie außerdem Unterstützung von drei Aushilfskräften. Heute leitet Bernhard Ehrmann die Ernte. Bei jedem Einsatz gibt es einen Ernteleiter, der meist auch der zuständige Pflanzenbetreuer ist. „Unser Garten ist in Bereiche aufgeteilt“, erklärt Joscha Huter, der seit sechs Jahren als Gärtner bei der Wala arbeitet. „Jede Pflanze hat ihren eigenen Betreuer, der sich intensiv um sie kümmert und vom Pflanzen übers Jäten bis hin zur Ernte eine besondere Beziehung zu ihr aufbaut.“ Der Borretsch (Borago officinalis L.) ist Bernhard Ehrmanns Schutzbefohlener.
„Wir schneiden oberhalb der zweiten Blattachsel“, instruiert Ehrmann seine Mitarbeiter, „damit der Borretsch noch ein zweites Mal austreiben kann.“ Pharmazeutisch wird ein zweiter Austrieb zwar nicht mehr verwertet, kommt aber den Wala eigenen Bienen als Futter zugute. Auf das ökologische Gleichgewicht zwischen Pflanze, Tier und Mensch achten die Gärtner sorgfältig, denn im Wala Garten wird nach den Grundsätzen der biologisch-dynamischen Landwirtschaft gearbeitet.
Konzentriert geht die Truppe ans Werk. Manche tragen Handschuhe – die feinen Härchen des Borretschkrautes können die Haut reizen. Jeder erhält einen Erntekorb und nimmt sich eine Pflanzenreihe vor. Aufmerksam betrachten die Gärtner jedes einzelne Büschel. Verschmutzte oder kranke Blätter entfernen sie gleich an Ort und Stelle. Geerntet wird übrigens das blühende Kraut; „herba“ lautet der pharmazeutische Fachbegriff dafür. Die Erntescheren machen ein sattes Geräusch, wenn sie die saftig-fleischigen Stängel der Pflanzen durchtrennen. „Borretsch ist Wasser pur“, erklärt Bernhard Ehrmann. „Beim Abschneiden sprudelt die Flüssigkeit richtig nach.“ Ein leichter Geruch nach Gurke liegt in der Luft und erinnert an einen weiteren Namen des Borretsch’: „Gurkenkraut“. Binnen kurzer Zeit ist das Feld zu zwei Dritteln leergeräumt. „Das genügt, jetzt gehen wir erstmal wiegen“, beschließt der Gartenleiter. 80 Kilo Pflanzenmasse waren vom Elixierbetrieb bestellt worden. Und tatsächlich befinden sich bereits 103 Kilo Borretsch in den 14 Erntekörben. Das ist mehr als genug. Und so darf das letzte Drittel der Pflanzen auf dem Feld stehenbleiben – zur Freude der Bienen.
Nun füllt Bernhard Ehrmann das sogenannte Ernteprotokoll aus. Pflanzenbezeichnung, Datum, Uhrzeit, geerntete Menge und Chargennummer – schließlich muss alles seine Ordnung haben. Nur wenige Meter vom Wala Heilpflanzengarten entfernt liefern wir unseren Borretsch beim Wareneingang ab, wo die Mitarbeiter des Elixierbetriebes das Erntegut übernehmen und sofort zur Verarbeitung bringen. Wir schauen auf die Uhr – es ist gerade erst sieben. Zeit genug, „die heilende, kosmische Energie der Morgenstunden für die Weiterverarbeitung zu nutzen“, wie Walter Janetschek vom Elixierbetrieb erläutert.

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Borretsch

(Borago officinalis L.)
Die Gewürz- und Heilpflanze Borretsch wird bis zu 70 Zentimeter hoch und ist an Stängeln und Blättern borstig behaart. Die kräftigen, dunkelgrünen Blätter sind lanzett- bis eiförmig. Von Juni bis August trägt die Pflanze leuchtend blaue fünfzählige Blüten. Sie sind anfangs rosa und färben sich erst später durch die Änderung des ph-Wertes blau. Der Borretsch wird auch Gurkenkraut, Augenzier oder – ganz poetisch – Blauhimmelstern genannt. Er enthält Gerbstoffe, Kieselsäure, Schleimstoffe, Flavonoide und wirkt zusammenziehend (adstringierend), entzündungshemmend, wundheilungsfördernd sowie venentonisierend. In Wala Arzneimitteln kommt Borretsch in Präparaten gegen Venenleiden zum Einsatz – zum Beispiel in Borago comp., Globuli velati und Borago-Essenz – und bei Hämorrhoiden – beispielsweise in Quercus Hämorrhoidalzäpfchen und Quercus Salbe.

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Foto: Wala Heilmittel GmbH – Stephanie Schweigert
www.walaarzneimittel.de

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