Lola Montez – das verruchteste Weibsbild des 19. Jahrhundert, mit unbeschreiblich blauen Augen, schön, „augenscheinlich“ schön im wahrhaftigsten Sinne des Wortes, männermordend und eine „Stehaufrau“, die mehr Kontinente bereiste und betantzte, als es die vielen Sternchen von heute jemals in ihrer Karriere schaffen werden. Sie hat sich in die Geschichte des 19. Jahrhunderts eingebrannt, eine Spur hinterlassen und für zukünftige Generationen von (Glamour)Frauen einen Weg geebnet. Was wären Cher, Madonna, Lady Gaga, aber auch eine Wallis Simpson oder die neue schwedische Prinzessin Sofia ohne Lola Montez?! Übrigens alle dunkelhaarig wie Lola.

 

Lola – oder wie sie wirklich hieß: Elizabeth Rosanna Gilbert – war ein außergewöhnliches Geschöpf. Schon als Kind „tanzte“ sie förmlich aus der Reihe: als Kind sie lief nackt durch die Straßen Schottlands, sagte was sie dachte und machte damit jede Erziehung, kurz eine Lady zu werden, obsolet. Geboren wurde sie 1821, ein Jahr später zog die junge Familie nach Indien, wo ihr Vater als Leutnant stationiert, jedoch bald an der Cholera verstarb. Ihre Mutter heiratete nach nur einem knappen Jahr erneut, und das Mädchen wurde 1826 zu ihren Stiefgroßeltern nach Schottland zurückgeschickt.

 

„Ich bin die fesche Lola…“, gesungen von der blonden Marlene Dietrich als „Blauer Engel“ im gleichnamigen Film 70 Jahre nach Lola Montez’ Tod entstanden, rekurriert auf den Mythos. Noch im 20. Jahrhundert steht der Name „Lola“ für Frivoles, Schlüpfriges, Verführerisches, doch ebenso haftet die Hochstaplerei ihm an. War Lola Montez am Ende eine ganz besonders raffinierte Schwindlerin, die sich nicht nur den Zugang zu Ludwig I. von Bayern, sondern auch in die Geschichtsbücher erschlichen hat? Wer war diese Frau wirklich? Erheischen wir immer nur eine Facette von ihr?

 

Dass sie Witz und Esprit besessen haben muss, zeigen ihre „eigenhändigen“ Werke. Sie schrieb ein Buch über Schönheit „The Arts of Beauty“ – lange bevor „Beauty“ das beherrschende Thema aller Frauenzeitschriften werden sollte. Nur, dass der Ratgeber gleich ein kleines Sittengemälde ist; mit echtem irischen Spott – darin durchaus einem Oscar Wilde oder George Bernard Shaw ebenbürtig – greift sie zunächst die Männer an bevor Schönheitsratschläge folgen: Männer lieben schöne Frauen, nicht etwa ihren Verstand oder Geist. Männer interessieren sich nur für die Äußerlichkeiten einer Frau, alles andere ist irrelevant. Um sich die Figur zu halten, sollte „frau“ auf ihr Essen achten, keinen Kaffee trinken – Lola rauchte stattdessen, noch dazu in der Münchner Öffentlichkeit, was verboten war und zu Tumulten führte – und auf chemische Kosmetik verzichten, sie lieber selbst herstellen. Die Kleidung – ein wichtiger Faktor – einer Frau soll die Eleganz ihres Wesens unterstreichen, sie jedoch nicht als elegant angezogen erscheinen lassen. Wenn also eine Frau die Aufmerksamkeit auf ihr Kleid lenkt, ist sie „immer schlecht gekleidet“ oder Neudeutsch: Style statt Styling. Frauen dagegen, lassen sich nicht von „Äußerem“ blenden, schätzen den Intellekt eines Mannes. Da sie den „kleinen Unterschied“ sehr früh erkannte, nutzte sie ihr Aussehen um weiterzukommen und empfahl jeder Frau, es genauso zu machen. Denn nur eine schöne, gepflegte, wohlgeformte mit erhobener (Körper)Haltung, liebreizende und bescheidene Frau hat bei Männern Erfolg oder anders formuliert, sie wusste, dass Macht eben darin bestand (für Männer) attraktiv zu sein. Ihre Ratschläge galten aber nur bedingt für ihre Kreation: Maria de los Dolores Porrys y Montez, die „adlige Tänzerin“, war keine bescheidene Frau – definitiv nicht in den Augen ihrer bayerischen Zeitgenossen.

Für Lola gehörte wie selbstverständlich die Erfindung der eigenen Biografie, die sie je nach Bedarf erweiterte oder ausschmückte, dazu, nicht aus purem Selbstzweck, sollte sie doch ihr Handeln legitimieren und ihr Respekt verschaffen – oftmals stand sie sich mit ihrem ungezügelten Temperament und Eigensinn selbst im Weg. Die „ausländische Theater-Prinzeß“ war noch die harmlosere Beschimpfung der Bayern, als Hure sahen sie die meisten. Und auch die vielen Karikaturen von ihr (und Ludwig) zeugen von der Verachtung ihr gegenüber.

 

Lola war mit sechzehn in eine Ehe geflüchtet, als ihre Mutter sie mit einem älteren Mann verheiraten wollte. Die Ehe hielt nicht lang, die einvernehmliche Scheidung hatte allerdings einen Haken: Wiederverheiratung zu Lebzeiten des geschiedenen Partners war nicht gestattet bzw. strafbar. Dieser Passus sollte Lola später bei der zweiten Eheschließung zum Verhängnis werden, so dass sie Europa verließ. Zuvor bereiste sie als spanische Tänzerin auf dem europäischen Kontinent alle wichtigen Städte und trat in den Theatern mit (relativ bescheidenem Erfolg) auf. Doch wohin es sie auch verschlug, der Skandal war nicht weit. Ob sie vor dem Zaren tanzte oder bei den Fürsten Reuss zu Gast war – immer wieder füllte sie die Gazetten mit Artikeln über ihr unkonventionelles Auftreten. „Die Montez“ konnte tatkräftig austeilen, ob mit der bloßen Hand oder der Peitsche, Studenten in München 1848 zum Aufstand „ermuntern“ und damit Ludwig I. an den Rand der Regierungsfähigkeit bringen – was letztlich doch in seiner Abdankung endete. Lola Montez mischte mit und verursachte immer „trouble“.

 

Lola hat sich selbst (etwas unfreiwillig) ein unberechenbares „Image“ aufgebaut. Auf diese „Erfindung“ ist Ludwig I. reingefallen, zumindest sahen es die Bayern so, denn ihm, dem mehrsprachigen und sehr gebildeten Mann fiel nicht auf, dass sie überhaupt kein richtiges Spanisch konnte. Sie hat zeitlebens nie schlecht über ihn gesprochen – im Gegenteil, war er doch vielleicht die Vaterfigur, die sie vermisste und sein Wissen und immense Bildung schätzte. Beide haben irgendwie von dieser Verbindung profitiert: Er fühlte sich (auch erotisch) von seiner „Lolitta“ verjüngt, sie hatte endlich Wohlstand und echten Adelstitel und eine gewisse Vertrautheit und Innigkeit haben sie gepflegt, wie ihr Briefwechsel belegt. Wohl nicht nur dafür ernannte sie der Bayernkönig am 25. August 1847, sein 61. Geburtstag, zur Gräfin von Landsfeld. Allein die erste Begegnung der beiden ist eine Filmszene wert: Da ihr der Münchner Theaterdirektor kein Engagement erteilen wollte, verlangte sie kurzerhand eine Audienz beim König, Auf Ludwigs Frage, ob es sich bei ihrem Busen um echt oder falsch handelte, schnürte sie umgehend ihr Mieder auf und zeigte ihm die entblößte Brust.

 

Nur eine Krawallschachtel und Luder war diese Frau mitnichten. Dass sie mehr wollte vom Leben, mag ein Antrieb gewesen sein, sah sie sich eher in der Nachfolge  berühmter Mätressen, die politisches Gewicht besaßen. Insbesondere Françoise d’Aubigné, Marquise de Maintenon, die letzte Geliebte und zweite Frau des Sonnenkönigs Louis XIV., scheint ein Vorbild für sie gewesen zu sein. In schwarz gekleidet wie„die“ Maintenon ließ sich Lola für die Schönheitengalerie von Ludwig I. malen, in ihren Beauty-Tipps verweist sie auf die berühmte Marquise nicht nur als Schönheitsinstanz. In Australien und den USA versucht sie sich als Unternehmerin (mit einer Goldmine in Kalifornien), Tänzerin (Gräfin aus „Bavaria“ mit ihrem berühmten Spinnentanz), als Gastrednerin (über Unterschiede zwischen der alten und neuen Welt noch vor Oscar Wilde) und natürlich über Frauen – „gefallene Mädchen“ unterstützte sie auch finanziell.

 

Nach jeder Niederlage erfand sie sich neu. Sie hat sich alleine als Frau „durchgeboxt“, noch bevor es die berühmt-berüchtigten Suffragetten gab. War sie eine emanzipierte Frau, die für Frauenrechte kämpfte? Brauchte sie dieses Etikett überhaupt? Nein, Aufkleber jedweder Art taugen für Lola Montez nicht. Sie war intelligent, witzig, selbstsicher und handelte nicht (nur) aus berechnendem Kalkül, sondern wollte selbstbestimmt – wie es Männer eben konnten – über ihr Leben verfügen. Das Freiheit und Unabhängigkeit auch ihren Preis fordern, war ihr bewusst: Sie hatte immer wieder finanzielle und gesundheitliche Sorgen, starb einsam und religiös geläutert einen Monat vor ihrem vierzigsten Geburtstag in New York. Ihren Weg ist sie konsequent gegangen und hat sich zu Recht in die Geschichtsbücher eingeschrieben. Sie war schön und begehrenswert, wusste, dass es das war, was Männer anzog. Sie war klug genug, für diese Schwäche der Männer Verständnis aufzubringen, ohne je ihre Geliebten zu denunzieren, Wer pikante erotische Details in ihrer Autobiografie erwartet, wird enttäuscht werden. Begehrenswert zu sein, heißt nie eindeutig zu sein, sich immer etwas Geheimnisvolles zu bewahren und undurchschaubar zu bleiben, wie eine Scharade, nicht zu fassen und dabei immer authentisch. Lola Montez bleibt ein Mythos. Von Ljerka Oreskovic Herrmann

Schönheitstipps von Lola Montez

„Jede Person, die etwas darauf hält, gutaussehende Haare zu haben, sollte nicht vergessen, oft und sorgfältig die Haare zu bürsten – denn das ist mehr wert als alle jemals erfundenen Öle und Pomaden zusammen“, schrieb Lola Montez in ihrem 1858 erschienenen Buch „The Arts of Beauty or Secrets of a Lady’s Toilet“.

In diesem Buch sind aber auch weitaus aufwändigere Rezepte als das Haarebürsten zu finden. So berichtete Lola Montez auch von einer berühmten Schönheit in München, „welche die bestaussehende Haarpracht besaß, die ich jemals gesehen habe und sie war es gewohnt, ihre Haare jeden Morgen mit folgendem zu waschen: Das Eiweiß von vier Eiern zu einem Schaum schlagen und gründlich bis dicht zur Haarwurzel einreiben. Trocknen lassen. Anschließend den Kopf waschen und das Haar mit einer Mixtur aus gleichen Anteilen an Rum und Rosenwasser reinigen.“

Ob sich diese Mixtur zur Nachahmung eignet, sei dahingestellt. Aber vielleicht wäre es spannend, folgende Mixtur einmal auszuprobieren:

Honey Water
„Es gibt eine berühmte Waschsubstanz, als ‚Honey Water‘ allen modischen Damen in ganz Europa bekannt, die wie folgt hergestellt wird:
1 Tropfen Amberessenz
1 Tropfen Moschus
2 Tropfen Bergamotte
15 Tropfen Nelkenöl
ca. 120 ml Orangenblütenwaser
ca. 150 ml Alkohol
ca. 120 ml destilliertes Wasser
Alle Zutaten werden zusammen gemischt und etwa vierzehn Tage ruhen gelassen, dann das Ganze durch ein Filterpapier gießen und für den Gebrauch abfüllen. Diese Flüssigkeit ist ein gutes Haarwaschmittel und exzellentes Parfüm.“

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