Ein perfekter Tag könnte folgendermaßen aussehen: Früh morgens lasse ich mich von der Sonne wecken, trinke ein Glas „Lebendiges Wasser“ (gerne mit Zimmertemperatur) und begebe mich dann nach draußen, um eine ausgedehnte Wanderung zu machen. Am schönsten wäre das für mich in den Bergen. Ich treffe mich mit mindestens einer Person zum gemeinsamen Wandern, denn in Gesellschaft macht das gleich noch mehr Spaß, immerhin kann man dann plaudern und die Brotzeit, die ich in meinen Rucksack gepackt habe, gemeinsam genießen.
Mittags nach dem Essen mache ich eine Siesta. Auf einer Wiese, mit bloßen Füßen. Es tut gut, sich die Sonne auf Arme und Körper scheinen zu lassen, in den Himmel zu schauen und dabei tief durchzuatmen. Auf dem Rückweg halte ich nach Wildpflanzen Ausschau, mit denen ich morgen Mittag meinen Salat bereichern kann. Wenn ich wieder nach Hause komme, verstaue ich meinen Rucksack, putze meine Wanderschuhe und lasse dabei den Tag Revue passieren. Erfüllt durch die Gespräche und die Beobachtungen in der Natur beschließe ich, das Abendessen ausfallen zu lassen. Ins Bett gehe ich noch weit vor Mitternacht.
Gäbe es eine wissenschaftliche Methode, um die physiologischen und psychologischen Werte dieses Tages zu messen – die erzielten Messergebnisse würden vermutlich die Skala des Messgeräts sprengen. Denn all die Tätigkeiten, die ich in der Beschreibung des perfekten Tags aufgezählt habe, bringen einen von Wissenschaftlern ermittelten Nutzen fürs Wohlbefinden. Unzählige Beobachtungen, Studien und Untersuchungen belegen dies eindrucksvoll. Und das Beste daran: All diese Tätigkeiten dieses perfekten Tages kosten nichts oder nur wenig (wenn man von den Ausrüstungsgegenständen absieht, die man dabei benutzt und wenn man davon ausgeht, dass man keine weiten Wege zurückgelegt hat, um zum Ausgangspunkt der Wanderung zu gelangen). Doch selbst wenn man in der Großstadt, weitab von den Bergen wohnt, wäre es möglich, einen derart perfekten Tag zu verbringen: Auch wenn man vor seiner Haustüre startet, kann man Wege in der Umgebung finden, die man noch nicht kennt und die durch erstaunliche Naturerlebnisse überraschen. Frankfurt etwa, der Ort, wo ich lebe, ist voll davon. Das Ufer des Mains ist mittlerweile ein hochattraktives Naherholungsgebiet geworden, in dem es zu jeder Jahreszeit viel Natur zu beobachten und sogar Wildpflanzen zu sammeln gibt.
Es lassen sich also nur schwer Gründe finden, keinen solchen perfekten Tag verbringen zu können. Und wenn wir es nur selten oder gar nicht tun, dann liegt es vermutlich daran, dass dafür in Hochglanzanzeigen kaum Werbung gemacht wird. Dinge, die nichts kosten, haben keine Lobby. Es gibt dafür kein Werbebudget und in unserer auf Wachstum ausgerichteten Welt gibt es nur wenige Menschen, die davon leben können, diese schlichen Wahrheiten auszusprechen.
Die Freiheit, authentisch leben zu können
Dennoch eröffnen uns gerade die Dinge und Verhaltensweisen, die nichts kosten, ungeahnte Freiheiten – die Freiheit, einen ungeliebten Geld-Job zu quittieren. Die Freiheit, authentisch leben zu können, ohne auf die Konventionen der Konsumwelt allzuviel Rücksicht nehmen zu müssen. Schon seit Jahrzehnten faszinieren mich die Erkenntnisse, die mit den Dingen, die nichts kosten, aber so unendlich wirkungsvoll sind, zusammenhängen. Jetzt aber ist die Zeit reif, diese Erkenntnisse wieder ins Bewusstsein zu rufen. Denn das „Immer Mehr, Immer Schneller, Immer Weiter“ unseres Lebensstils bereitet immer mehr Menschen Probleme. In einer Zeit, in der es manche Handy-Nutzer auf Tausende von Twitter-Freunden bringen, bleibt Zwischenmenschliches zunehmend auf der Strecke. „Verloren unter 100 Freunden – Wie wir in der digitalen Welt seelisch verkümmern“ lautete ein Buchtitel, der mich wie so vieles dazu bewog, endlich das Gegenmanifest zum überbordenden Konsum von Waren und Kommunikation zu schreiben.
Die Welt zu einem besseren Ort machen
Neu ist das alles natürlich nicht. Schon in der Antike setzten sich die Philosophen mit dem richtigen Lebensstil auseinander. In seiner „Philosophie der Freude“ fasst Epikur eine seiner Erkenntnisse folgendermaßen zusammen: „Dank sei der gepriesenen Walterin Natur, dass sie das Notwendige leicht erreichbar schuf, das Schwererreichbare aber als nicht notwendig!“ Eine Einsicht, die auch in der heutigen Zeit immer noch Gültigkeit hat. Aber jede Generation muss ihre eigenen Erfahrungen machen. In unserer wissenschaftsgläubigen Welt haben Dinge, die man nicht beweisen kann, wenig Wert. Nun aber ist die Zeit da, wo wir nachweislich belegen können: Die besten Dinge kosten nichts. Man muss sie nur nutzen. Und vielleicht lässt sich dadurch die Welt auch insgesamt zu einem besseren Ort machen. Wer weiß?
Andrea Tichy
QC32L02Buch-Tipp: Andrea Tichy: Die besten Dinge kosten nichts