Kann naturbelassene Schurwoll-Unterwäsche im Praxistest mit den gängigen synthetischen Funktionsfasern mithalten? Auf diesen Prüfstand unter wissenschaftlicher Begleitung stellte Deutschlands größtes Naturmodelabel hessnatur seine Funktionswäsche aus Bio-Merino-Schafwolle bei einer Wandertour. Nadia Abdallah war als Testerin mit dabei.

Es regnet. In Strömen. Und mir ist abwechselnd heiß und kalt. Ich fröstle in der Synthetik-Unterwäsche, die ich heute zum Testen bekommen habe, sobald ich einige Zeit stehen bleibe. „Ich hoffe, dass wir heute an unsere Grenzen kommen“, hatte Wanderexperte Manuel Andrack am Morgen zum Start des „Woll-Experiments“ im Hotel „Schwarzer Bock“ in Wiesbaden verkündet. Bei mir ist die Schwelle zum Unwohlsein auf der 14 Kilometer langen Wanderroute schon nach kurzer Zeit überschritten. Die Aufgabenstellung lautet: Unterschiedliche Funktions-Shirts sollen unter körperlicher Anstrengung dem Härtetest unterzogen werden. Gemeinsam mit 26 ausgewählten Teilnehmern habe ich mich unter der Führung von Manuel Andrack und der Begleitung eines Wissenschaftler-Teams der Medizinischen Universität Graz entlang dem Rheinsteig auf Wanderschaft begeben. Was auf den ersten Blick nach einer vergnügten Wandertour durch den hessischen Rheingau klingt, ist ein streng wissenschaftliches Experiment, basierend auf einem Beanspruchungs- und Leistungskonzept: „Wir wollen rausfinden, ob Wolle bei einer wechselnden Belastung, Auf- und Abstiegen, einen besseren Wärmeabtransport gewährleistet als konventionelle Funktionskleidung aus synthetischen Fasern“, hat uns Professor Pessenhofer von der Medizinischen Universität Graz erklärt.
Um unsere Herzfrequenz und Hauttemperatur während der zwei Test-Tage messen zu können, tragen wir einen Temperatursensor, den sogenannten „iButton“. Diesen kleben wir auf unser Brustbein. Der iButton muss im Feldversuch heute zum ersten Mal seine Funktion unter Beweis stellen: Bisher wurde er nur unter konstanten Laborbedingungen zur Temperaturmessung eingesetzt, beispielsweise um die Kühlkette bei Lebensmitteln oder Medikamenten zu kontrollieren. Im Rahmen des Woll-Experimentes wird er erstmalig zur Messung unter realistischen und unregelmäßigen Bedingungen verwendet.

Pulsmessen nach jeder größeren Steigung
Nach der ersten Steigung fordert uns Manuel Holzer, Mitarbeiter der Medizinischen Universität Graz, dazu auf, unseren Puls zu messen. Für 15 Sekunden herrscht komplette Stille. Nach Pausen und nach jeder Steigung, insgesamt viermal werden wir heute im Laufe unserer Wanderung den Aufruf von Manuel Holzer erhalten, unseren Puls zu messen. Alle Probanden haben einen Zettel bekommen, auf dem sie Uhrzeit der Messung und Herzschlag pro Sekunde eintragen. Nach knapp zwei Kilometern erreichen wir unser erstes Highlight: Schloss Vollrads, eines der ältesten Weingüter der Welt. Eine klare Sicht auf die von Weinbergen geschmückte Landschaft bleibt uns auf Grund des starken Regens verwehrt. Der ausgesprochen ausgelassenen Stimmung tut das feuchte Wetter keinen Abbruch. „Das ist absolut fantastisch. Ich habe selten eine Wandertruppe erlebt, die trotz dieses wirklich miserablen Wetters so fröhlich und homogen wandert. Es ist toll“, schwärmt Manuel Andrack. Die verbleibenden Kilometer führen uns zu unserem Ziel und Wander-Highlight: Kloster Eberbach. Durchnässt erreichen wir die urgemütliche Klosterschänke. Das vom Regen durchnässte Synthetik-Shirt liegt wie eine kalte, nasse Folie auf meinem Oberkörper. „Die Funktionswäsche besteht aus Polyester, die Faser kann keine Feuchtigkeit aufsaugen,“ erklärt Manuel Holzer von der Uni Graz.
Corina Seuwen, meine Tischnachbarin, fühlt  sich deutlich besser. Sie trägt heute das hessnatur Woll-Shirt. Sie spürt weder Nässe, noch Kälte: „Das Woll-Shirt ist zwar von außen feucht, meine Haut fühlt sich aber trocken an, die Feuchtigkeit spüre ich überhaupt nicht. Ganz warm ist mir jetzt,“ so beschreibt sie den Tragekomfort der Unterwäsche, um die ich sie momentan heftig beneide.

QC30E07_BioSchurwolle-BlauWolle speichert Wärme wesentlich länger
Tag zwei: Auch heute beginnen wir unsere Wanderroute von Johannisberg aus. Ich bin gespannt. Heute teste ich das hessnatur Woll-Shirt. Wie fühlt es sich im Vergleich zum konventionellen Shirt an? Wird es die Wärme besser regulieren können als das konventionelle Funktions-Shirt gestern?
Die heutige Etappe zwischen Johannisberg und Sankt Hildegard verläuft überwiegend auf Wald- und Weinbergwegen. Der Weg steigt durch den Wald  zunächst an, um anschließend wieder steil ins Elsterbachtal hinab zu führen. Das Woll-Shirt fühlt sich trotz der teilweise starken körperlichen Belastung angenehm an. So geht es auch meiner Mitprobandin Marion Stein. Auch sie trägt heute das hessnatur Woll-Shirt: „Ich fühle mich mit Wolle deutlich woh-ler als mit dem Funktions-Shirt gestern. Die Wolle speichert die Wärme mehr, habe ich den Eindruck. Das Funktions-Shirt gestern hat die Wärme zu schnell abgegeben, so dass ich während der Pausen richtig ausgekühlt bin“, so beschreibt sie ihre Erfahrung. Betrachtet man die Eigenschaften von Schurwolle näher, verwundert der hohe Wohlfühlfaktor nicht: Der Aufbau tierischer Wollfasern ähnelt in seiner Eiweißstruktur stark der menschlichen Haut. Wollfasern können bis zu einem Drittel ihres Eigengewichts an Feuchtigkeit aufnehmen. Positiv überrascht ist auch Roger Schneider: „Ich bin absolut begeistert. Ich war einer der größten Kritiker von Wolle. Ich liebe Funktions-Shirts zum Sport. Ich trage zwar viel Bio-Kleidung, aber gerade beim Sport dachte ich immer: Funktionswäsche muss sein und jetzt mit der Wolle fühle ich mich viel besser. Das hätte ich nicht gedacht.“ Kurz bevor wir unser Ziel, die Benedikti-nerinnenabtei Sankt Hildegard in Rüdesheim, erreichen, werden wir mit einem atemberaubenden Blick auf Vater Rhein belohnt.
Die Messdaten beider Wandertage werden zur Zeit noch von der Medizinischen Fakultät Graz ausgewertet. Ein subjektives Urteil in Sachen Wohlfühlfaktor und Atmungsaktivität habe ich mir schon jetzt gebildet: Es fällt eindeutig pro Wolle aus.

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Foto: hessnatur
Link: hessnatur.com

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