Buch-Tipps: Koch-Geschichten fürs Kopf-Kino

Heutzutage ist man daran gewöhnt, dass Kochbücher opulent sein müssen: mit vielen Fotos, natürlich in Farbe, und so spektakulär, dass sie die bunte und marktschreierische Konkurrenz im Bücherregal auszustechen vermögen.

Ganz anders kommen die Kochbücher von Sybil Gräfin Schönfeld daher: Es sind eher Lesebücher statt herkömmlicher Kochbücher, die Rezepte werden eingewoben in Anekdoten, die aus dem Leben der erfahrenen Gräfin erzählen: Geboren wurde Sybil Gräfin Schönfeld vor 95 Jahren, aufgewachsen ist sie im Netzwerk einer adeligen Familie, in dem sie nicht nur Stil und Etikette, sondern auch das Kochen gelernt hat. Das Thema Essen&Trinken war als Journalistin ihr Lebensthema, etwa bei der Zeit, dem Zeitmagazin oder den Stern. Schon in den 1960er Jahren veröffentlichte sie Kochbücher, die damals so ganz anders als die heutigen Prachtbände waren. Zu diesen Wurzeln kehrt sie in ihrer Trilogie „Kochbuch für die kleine alte Frau“, „Kochbuch für den großen alten Mann“, „Kochbuch für meine liebste Freundin“ wieder zurück.

Eine ihrer treuesten Wegbegleiterinnen bei ihren Koch-Abenteuern ist die Zwiebel. Sie bildet fast immer die Basis ihrer Rezepte und sie gibt scheinbar langweiligen Zutaten wie dem Reis eine pikante Note. Viele ihrer Rezepte sind von eleganter Schlichtheit. Im Vordergrund stehen nicht die Zutaten, sondern das Know-How aus ihnen das beste herauszuholen. Beispiel der „Grießbrei für die Puppe Mita“ (aus dem Kochbuch für meine liebste Freundin):

„Ihn zu kochen ist ein Kinderspiel. Man darf nur nicht den feinen Grieß nehmen, sondern den herzhaften, sogenannten groben. Man erhitzt 1/2 l Milch mit 2 EL Zucker bis kurz vorm Kochen, lässt 5 EL Grieß hineinreißen und rührt auf schwacher Hitze so lange, bis der Grieß gequollen und sämig dick ist. Zu fest geraten? Dann noch einen Schwupp Milch dazu.“

Letztlich weiß Gräfin Sybil Schönfeld, dass Kochen den Gesetzen der Chemie und der Physik gehorcht und damit versucht sie auch Männer zu ködern, die bislang mit Kochen nichts am Hut hatten. Spiegeleier, so erfährt man bei der Lektüre, gerinnen schon bei 50 Grad und mögen es auch nicht heißer, wenn sie nicht anbrennen sollen.

Letztlich sind Rezepte für sie „Geschenke“, die sie erhält und im richtigen Moment weiter gibt. Dass Rezepte Geheimnisse sind, die man für sich hütet und nicht einfach in die Welt hinausposaunt hat sie gelernt, als sie im zweiten Weltkrieg für den Reichsarbeitsdienst in Oberschlesien zwangsverpflichtet wurde. Die gelernte Köchin Antonia aus Tirol reichte ihr eines Nachts auf der Flucht in einem verdreckten Güterzug das Geheimnis des Baisers-Machen weiter: „Bei den Baisers rechnest Du siebzig Gramm Zucker pro Eiweiß. Einfach nur schlagen, bis es so steif ist, dass du es schneiden könntest.“ Eine andere Stimme aus dem Dunkel: „Du hast die Zitrone vergessen!“ „Mariaundjosef! Danke! Also, ein paar Tropfen in den Schnee, das hält ihn schön fest.“ Dann eine dritte Stimme: „Mehr trocknen als backen!“ Gräfin Sybil Schönfeld erinnert sich: „Diese Baiser-Geschichte habe ich in einer dunklen Nacht von den Mädchen geschenkt bekommen, die damals Kameradinnen hießen. Wir wussten alle nicht, dass es Erinnerungen wurden, die uns das ganze Leben begleiten sollten. Die uns wohl zum ersten Mal zeigten, dass Essen mehr ist, als schiere Nahrungsaufnahme. Jedes Mal wenn ich seitdem Baisers mache, hocke ich wieder vor der rauen Holzwand des Viehwaggons, Toni irgendwo in der Nähe, und höre die Stimme aus dem Dunklen.“

Mit ihren Anekdoten und Rezepten lässt Sybil Gräfin Schönfeld eine verlorene Welt wieder auferstehen, in der es selbstverständlich war, mit den Zutaten sorgsam umzugehen und bis zum letzten Körnchen Reis auch wirklich alles zu verbrauchen.

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