„Neue Wälder“ – alte Wurzeln

Es sind oft die einfachen Ideen, die großes bewirken. Die Idee verödetes Land wieder zu begrünen, ist ein Gewinn für Mensch und Natur und auch für den Klimaschutz kann sie einiges bewirken.
Von Claudia Schwarzmaier.

Genau an dem Tag, als Tony Rinaudo alles sinnlos vorkam, weil die Baumpflanzaktionen in Niger ein Misserfolg waren, fielen ihm viele kleine Büsche in der Landschaft auf, über die er bisher nie viel nachgedacht hatte. Er sah genauer hin und entdeckte, anhand der charakteristischen Blattform, dass es eigentlich Bäume waren – Bäume, die zurückgeschnitten worden waren. Sie sprossen aus altem Wurzelwerk, das noch im Boden versteckt war und von diesen Büschen gab es Millionen und Abermillionen. In diesem Moment erkannte er, dass es nur eines Bewusstseins- und Einstellungswandels bedurfte, denn wenn diese Büsche ursprünglich ein Wald waren, dann könnten die Menschen ihn auch durch eine Verhaltensänderung wieder erstehen lassen.

DER WALDMACHER

35 Jahre später wird die von ihm entwickelte regenerative Wiederaufforstungsmethode in 27 Ländern angewandt und 20 Millionen Hektar verödetes Land wurden wieder begrünt.

Kein Wunder, dass Tony Rinaudo auch als der „Der Waldmacher“ bekannt ist. Mit seiner Methode konnte er gemeinsam mit der Hilfsorganisation World Vision (siehe Randspalte) Millionen von Kleinbauern in Afrika dazu inspirieren, Bäume nicht mehr als Feinde oder nur als Futter und Feuerholz zu betrachten, sondern als wichtige Hüter fruchtbarer Erde und des Regens. „Farmer Managed Natural Regeneration“ kurz FMNR ist die offizielle Bezeichnung der Methode. Im Kern geht es um eine von Landwirten selbst verwaltete natürliche Regeneration. Die Methode ist im Grunde ganz einfach: Baumstümpfe, Jahrzehnte alte Samen im Erdboden und Wurzelwerk werden regeneriert, indem vorhandene Triebe ausgedünnt und speziell beschnitten werden. Mit dem richtigen Beschnitt werden aus den alten Wurzelgeflechten wieder hohe Bäume – selbst in der dürren Sahel-Zone. Die Landwirte müssen nur zusätzlich darauf achten, dass die entsprechenden Areale vor übermäßiger Nutzung durch Ziegen und Rinder geschützt werden. Die so wiedererstandenen Bäume verbessern nicht nur die Bodenfruchtbarkeit, sondern sie wirken in einer kargen Landschaft wie ein Magnet für anderes Leben. Die Vögel kommen und hinterlassen organisches Material und durch die Verschattung sinkt die Luft- und die Bodentemperatur. Das ist insbesondere für das Wachstum von Feldfrüchten sehr wichtig. Denn genau das ist auch das Besondere beim Ansatz von Tony Rinaudo: die Verbindung von Bäumen und dem Anbau von Feldfrüchten. Es genügen 40 Bäume pro Hektar, um die Feldfrüchte vor Wind und Sonne zu schützen und den Boden fruchtbarer zu machen. Jedes Jahr können beispielsweise allein in Niger durch die FMNR-Methode 500.000 Tonnen Getreide zusätzlich produziert werden, und das ohne Dünger und ohne staatliche Zuschüsse.

REDUZIERUNG DER TREIBHAUSGASE BIS ZU 25 PROZENT 

Doch der Klima-und Waldexperte Tony Rinaudo, dem auch der Right Livelihood Award, der alternative Nobelpreis verliehen wurde, denkt in noch größeren Dimensionen. Bei der UN-Klimakonferenz in Sharm el-Sheikh forderte er alle Regierungen auf, in die bewährte und erfolgreiche Wiederaufforstungsmethode FMNR zu investieren. Gemäß Rinaudo könnten durch die Wiederherstellung von Wäldern auf degradierten Flächen in der Größenordnung von einer Milliarde Hektar 16 bis 25 Prozent der bestehenden Treibhausgase bis 2030 gebunden werden. Auch wenn diese Größenordnung gewaltig wirkt, sie erscheint tatsächlich machbar, denn die Methode ist nicht nur einfach, sondern auch billig. Während das Pflanzen von Bäumen zwischen 400 und 8.000 USD pro Hektar kostet, sind es bei der natürlichen Regeneration zwischen 14 USD und 50 USD. Gerade mit dem Voranschreiten des Klimawandels wird sich nach Ansicht von Rinaudo zeigen, dass gerade in den Entwicklungsländern nur diejenigen Farmer, die eine bestimmte Anzahl von Bäumen auf ihrem Land haben, dazu in der Lage sein werden, etwas anzubauen.

BÄUME SIND LEBEN 

Es ist kein Zufall, dass gerade der Australier Tony Rinaudo mit seiner Methode die ehemaligen Wälder wiederherstellen will. Rinaudo liebt Bäume und bereits als 12jähriger bittet er Gott darum, dass er irgendwo etwas verändern kann (siehe Buch-Tipp). Rinaudo ist überzeugt Bäume sind Leben, weiter führt er aus „ihr größter Wert ist wahrscheinlich ihre wohltuende Wirkung auf die Gesundheit, das Klima, den Boden, den Niederschlag und die Gewässer. Bäume verschönern das Land, spenden Schatten für Mensch und Vieh, schützen die Feldfrüchte vor Wind und Sturm und halten das Wasser im Boden auf einem Niveau, auf dem es vom Menschen genutzt werden kann. Die Vernachlässigung der Forstwirtschaft in der Vergangenheit hat zu den Wüsten geführt, die es heute gibt, denn wenn die Baumbedeckung von der Erde verschwindet, sinkt der Wasserspiegel. Bäume sind eine Grundlage der Zivilisation.“ Dem ist nichts hinzuzufügen.

Tony Rinaudo, working as Principal Advisor Natural Resources, Food Security and Climate Change for World Vision Australia, often travels to African Countries to discuss best practicies and learnings in natural regenreation of degraded areas.

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DAS KINDER-HILFSWERK WORLD VISION

World Vision ist eine unabhängige christliche Hilfsorganisation mit 70 Jahren Erfahrung in der Entwicklungszusammenarbeit und humanitären
Nothilfe. Durch gezielte Hilfe zur Selbsthilfe unterstützt die Organisation Kinder, Familien und ihr Umfeld im Kampf gegen Armut und Ungerechtigkeit.

Die Organisation ist in rund 100 Ländern aktiv. Durch 1.250 regionale Entwicklungsprojekte versucht die Organisation dort zu arbeiten, wo die Not der Kinder und ihrer Familien am größten ist.

Tony Rinaudo arbeitet seit 1990 für World Vision. Die Wiederaufforstung kann man direkt mit einer Waldspende fördern. Familien können dank der Spende die Methode lernen und weitergeben. Von der Organisation erhalten sie das nötige Werkzeug. Auf lange Sicht bringt das einen Hektar neuen Wald – mehr als die Fläche von einem
Fußballfeld.

www.worldvision.de

BUCH-TIPP: UNSERE BÄUME DER HOFFNUNG von Tony Rinaudo

Wie ein Mann die Wunder der Schöpfung nutzbar macht, um den Hunger zu besiegen. Die Autobiografie von Tony Rinaudo ist ein Mutmachbuch. Spannend und inspirierend erzählt er aus seinem Leben. Von seiner Kindheit und Jugend in Australien, seinem Studium der Agrarwissenschaften und wie er als Missionar in Afrika an Aufforstungsprojekten beteiligt war und wie er zu seiner Methode kam. Das Buch zeigt auf, dass die Lebensbedingungen der Menschen durch den Schutz der Umwelt nachhaltig zum Positiven verändert werden können.

SCM Hänssler,ISBN-13 978-3775161626,288 Seiten, 20 Euro