Durch die Rückbesinnung auf die ganzheitliche Heilkunde der Alpenmedizin lässt sich so manches Zipperlein selber kurieren.

„Einem jeglichen Lande wächst seine Krankheit selbst, seine Arznei selbst, sein Arzt selbst. Sie wollen Arzneien aus überseeischen Ländern, und im Garten vor ihrem Haus wächst Besseres“, so formulierte schon Paracelsus im 16. Jahrhundert. Der Heilkundige aus dem Alpenraum, der nicht nur die Volks- sondern auch die Schulmedizin maßgeblich prägte, ging in seinen Schriften auf zahlreiche Heilmittel ein und sah den Menschen und seine Gesundheit eingebettet in die Natur und einer Vielzahl von Einflüssen ausgesetzt. Der Apotheker und Buchautor Arnold Achmüller bestätigt: „Die europäische und im speziellen die alpine Heilkunde bietet ausreichend viele Möglichkeiten, um leichte bis mittelschwere Beschwerden pflanzlich zu kurieren. Für botanisch erfahrene Kräuterkundige bietet sie zudem die Möglichkeit, die Heilmittel selbst in der Natur zu sammeln.“Bei den Recherchen für sein Buch Alpenmedizin hat Achmüller festgestellt: „Volksmedizinische Sammlungen wirken auf den ersten Blick oft chaotisch und die Ratschläge willkürlich zusammengewürfelt.“ Betrachtet man aber dieses Wissen in der Gesamtheit, dann sieht man, dass bei den einzelnen Krankheits- und Beschwerdebildern immer wieder dieselben Heilmittel genannt werden. Drei Pflanzen seien an dieser Stelle stellvertretend herausgegriffen für mehr als 150 Heilmittel, die Achmüller in seinem Buch beschreibt.

Lavendel bei innerer Unruhe

Bei Unruhezuständen und Einschlafstörungen sind Lavendelblüten und Lavendelöl hilfreich. Verantwortlich für die Wirkung ist das in den Blüten enthaltene ätherische Öl mit den Leitsubstanzen Linalylacetat und Linalool. Das reine ätherische Lavendelöl ist ein Highlight der Aromatherapie und steht im Fokus mehrerer Forschungsgruppen. So entstanden in den letzten Jahren zahlreiche Studien, die sich mit den positiven Eigenschaften des ätherischen Öls bei Stress und Angsterkrankungen beschäftigten. Dabei zeigte sich, dass Lavendel, sowohl innerlich als auch auf der Haut einmassiert oder als Inhalation, Angst und Stress bei „hervorragender Verträglichkeit signifikant reduziert“. Lavendel lässt sich als Öl beispielsweise auf einem Zuckerstück einnehmen (ein bis vier Tropfen). Mit den Blüten lässt sich Tee kochen (je zwei Teelöffel pro Tasse). Badewasser anreichern (100 g Lavendelblüten in zwei Liter Wasser als Abkochung zubereiten und anschließend ins Badewasser geben). Neben- und Wechselwirkungen sind im Rahmen der empfohlenen Tagesdosierung nicht bekannt.

Salbei bei Halsschmerzen und Nachtschweiß

Die alpine Heilkunde kennt eine Vielzahl an Heilpflanzen gegen Halsschmerzen und Heiserkeit. Salbei spielt darunter eine herausragende Rolle. Tee aus Salbeiblättern wird dabei mehrmals täglich getrunken oder zum Gurgeln verwendet. Salbeiblätter können auch gekaut oder als Tinktur oder Weinauszug gegurgelt werden. Beliebt sind bei Halsschmerzen und Heiserkeit auch Salbei-Wickel. Erkrankungen des Mund- und Rachenraumes resultieren häufig aus Infektionen durch Bakterien, Viren oder Pilzen. Dementsprechend verwundert es nicht, dass in der Volksmedizin vor allem Pflanzen mit antimikrobiellem und/oder entzündungshemmendem Potenzial zum Einsatz kommen. Allen voran ist es der Salbei, der durch das enthaltene ätherische Öl und seine Gerbstoffe Entzündungen mindert und die Abheilung von kleinen Wunden und irritierten Schleimhäuten fördert. Besonders seine Schleimstoffe führen zu einer Reizlinderung. Durch zusätzlich nachgewiesene antibakterielle und antivirale Wirkungen des Salbeis lassen sich Zahnfleischentzündungen und Aphthen im Mund wirksam bekämpfen. Nachweislich kann Salbei auch bei Schweißausbrüchen und Nachtschweiß wahre Wunder wirken. Nach Aussage der European Medicines Agency konnte mit Salbei die Transpiration sogar um bis zu 50 Prozent gesenkt werden.

Wacholder für eine starke Verdauung

Wacholderschnaps in Form von Gin ist heutzutage sehr populär. Als Grundlage für Cocktails hat Gin wesentlich mehr zu bieten als interessanten Geschmack. Bei Beschwerden wie Völlegefühl oder Blähungen kann Gin hilfreich sein. Grund sind die im Wacholder enthaltenen Bitterstoffe. Diese regen über die Geschmacksknospen im Mund- und Rachenraum die Produktion diverser Verdauungssäfte an. Auf diese Weise verdauen die Menschen besser und Blähungen entstehen erst gar nicht. Aber es muss nicht unbedingt in alkoholischer Form sein: Zur Stärkung der Verdauung empfahl der heilkundige Pfarrer Kneipp eine Kur mit getrockneten Wacholderbeeren. Dabei isst man täglich einige rohe Wacholderbeeren und steigert die Anzahl Tag für Tag. Man kann die Beeren auch unter das Essen mischen. Am 1. Tag beginnt man mit 4 Beeren, am 2. Tag fährt man mit 5 Beeren fort, am 3. Tag erhöht man auf 6, am 4. Tag auf 7 Beeren und so weiter bis zum 12. Tag (15 Beeren). Dann wieder jeden Tag eine Beere weglassen. Bei 5 Beeren pro Tag ist die Kur beendet. Während der Wacholderkur sollte man viel Wasser trinken, um auch den durchspülenden Effekt der Beeren auszunützen.

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Buch-Tipp

Arnold Achmüller
Alpenmedizin
Mit der altbewährten Heilkunst aus den Bergen lässt sich das Wohlbefinden deutlich steigern. Dazu gehören, Kräuter, Wasseranwendungen, aber auch Bewegung und soziale Kontakte. In seinem Buch beschreibt der Apotheker, welche alpinen Hausmittel wirklich heilen und warum Höhenluft so gut tut. Außerdem finden die Leser 60 Rezepte für Salben, Badezusätze, Wickel und mehr.

Edition Raetia,
ISBN 978-8872836545
272 Seiten,
Preis: 24,90 Euro QC52S05

Der Autor 

Arnold Achmüller

Arnold Achmüller ist Apotheker und Buchautor. Geboren wurde er in Südtirol. Seit Jahren beschäftigt er sich mit Heilkräutern und alten medizinischen Anwendungen im Kontext der wissenschaftlichen Forschung. Der traditionellen europäischen Medizin, insbesondere jener des Alpenraums, gilt sein besonderes Interesse. Zu diesem Thema hält er Vorträge, organisiert Workshops und Kräuterwanderungen. Zusammen mit der Geographin und Umwelt-Expertin Astrid Felderer betreibt er den Blog „Kraut und Wurzel“.

www.krautundwurzel.com

Bildnachweis: Titelbild Lavendel: Astrid Felderer, Foto Autor Caroline Renzler-Silbersalz