Lange Zeit wurden Naturfasern von synthetischen Textilien zurückgedrängt. Nun erhalten sie wieder mehr Aufmerksamkeit – zu Recht. Von Andrea Tichy.

Funktionskleidung ade?
Während in den vergangenen Jahren sogenannte Funktionskleidung aus synthetischen Kunststoffen der große Renner war, scheint man sich wieder mehr und mehr den Vorzügen natürlicher Materialien und bewährter Techniken zuzuwenden: Wollsocken mit gewalkter Sohle zum Beispiel vermeiden Blasen und Fußgeruch gleichermaßen, lange Skiunterwäsche aus Angorawolle bekommt den perfekten Temperaturausgleich hin und fühlt sich zudem angenehm auf der Haut an. Natürliche Materialien aus ökologischer Herstellung haben in Bezug auf Tragekomfort und Nachhaltigkeit überzeugende Vorteile zu bieten und sie werden deshalb wieder verstärkt von engagierten Verkäufern empfohlen.
Doch noch immer dominiert die chemische Konkurrenz die Ladenregale. „Gut die Hälfte aller Fasern für Kleidung stammt gegenwärtig aus der Chemiefabrik“, schreibt Kirsten Brodde in ihrem Buch „Saubere Sachen“. In den siebziger und achtziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts begannen Kunstfasern wie Lycra, Polyester oder Viskose den Markt zu überschwemmen. Mittlerweile können synthetisch hergestellte Stoffe wie Fleece genauso wärmen wie Wolle, sie sind leicht, kratzen nicht, können in der Waschmaschine gewaschen werden, ohne zu verfilzen. Und: sie sind billig. Schließlich werden sie zum Teil aus Erdöl gefertigt. Ausgediente Plastikflaschen werden heutzutage nach China transportiert, um daraus Textilprodukte zu produzieren. „Ich war eine Plastikflasche“ ist auf manchem T-Shirt zu lesen. Als Folge des dadurch entstehenden Preisdrucks waren „immer weniger Farmer bereit, auch in Zukunft Wolle zu erzeugen“, so klagt die internationale Woll-Organisation I.W.T.O. in ihrer Image-Broschüre.
Die Klagen der Schafzüchter haben mittlerweile prominente Mitstreiter wie etwa Prinz Charles mobilisiert. Der britische Thronfolger kümmert sich seit drei Jahren höchstpersönlich darum, dass die Schafzucht nicht ausstirbt. Weltweit ging die Population an Schafen in den letzten zehn Jahren von 20 auf 14,5 Millionen Tieren zurück. Aber: „Seit knapp zwei Jahren ist ein Aufwärtstrend zu beobachten – in etwa seit sich auch Seine Königliche Hoheit engagiert“, schreibt Anke Schipp in der FAZ am Sonntag. Damals lud Prinz Charles Interessenvertreter von Wolle zu einem Dinner ein und es entstand die Idee der „Campaign for Wool“, einer groß angelegten Kampagne, die das Interesse an dem Naturstoff wieder aufleben lassen soll. Die Kampagne zeigte Erfolg: „Wolle ist zurück in der Mode“, freut sich der australische Schaffarmer Stuart McCullough. „Wenn Seide die Königin, Baumwolle die Tante und Leinen der Onkel ist, dann ist Wolle der König“, so begründet die englische Designerin Vivienne Westwood ihr Engagement für die Ausstellung „Wool Modern“, die auch in Berlin zu sehen war.

Rückbesinnung der Designer
Die Rückbesinnung auf Wolle lässt sich auch bei deutschen Designern feststellen: Die Düsseldorfer Designerin Katrin Wieschenkämper etwa fertigt ihre „Georgina Hose“ aus reiner Schurwolle. Für viele Oberteile verwendet sie ein Gemisch aus Schurwolle und anderen Naturfasern wie Mohair oder Kaschmir. „Alles ist Eins“ lautet das Motto der Herbst/Winter-Kollektion ihres Green Fashion Labels „Kaethe Maerz“, das den aktuellen Zeitgeist mit dem Ursprung des Lebens verbinden soll. Und dazu gehört nun mal die Naturfaser, die schon vor 10 000 Jahren geschätzt wurde.
Der Versandhändler von Natur-Textilien hessnatur lässt schon seit mehr als sechs Jahren seine Jacken und Mäntel aus der Wolle von Rhönschafen fertigen. Das Besondere: Der Schäfer Hans-Joachim Weih aus Dermbach in Thüringen hält eine reinrassige Herde von Rhönschafen, deren Wolle durch besondere Eigenschaften glänzt: Die sehr krause Faser ist die ideale Naturfaser für winterwarmes und wetterfestes Outdoor-Gewebe. Sein hoher Lanolingehalt lässt bei gewalkten Geweben den Regen geradezu abperlen.

Touristenattraktion Schafe
Als Landschaftspfleger haben die Rhönschafe die Gestalt dieser Region wesentlich mitgeprägt. Im 19. Jahrhundert noch weit verbreitet, war die uralte Haustierrasse seit den 1970ern vom Aussterben bedroht. Um das Verschwinden der Art zu verhindern, schaffte Hans-Joachim Weih damals die ersten zwanzig Tiere an und baut seitdem seine Herde auf. Die Rhönschafe stehen das ganze Jahr über bei jedem Wetter auf den kargen Wiesen. In den letzten Jahren zieht das Biosphärenreservat Rhön immer mehr Touristen an, die sich von der Schönheit der Landschaft begeisten lassen. Ohne Schafe würde was fehlen.

Foto: Sebastian Bruell für Kaethe Maerz

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