Portrait-Elsemarie Maletzke

 

 

 

 

Garten-Kolumne von Elsemarie Maletzke

Unterwegs zum Bahnhof bleibe ich oft an einem exzentrischen Vorgarten stehen; ein Steingarten im wahrsten Sinne des Wortes, vollkommen unabhängig von der Jahreszeit und ohne ein einziges Blatt oder Hälmchen: Betonplatten auf grauem Kies, dazwischen ein Fischreiher aus schwarzem Stahl; ein Buddha aus rotem Granit, ein nackter Knabe mit Fruchtkorb aus weißem Kalk, ein Mops aus ich weiß nicht was – um nur die einprägsamsten Objekte zu nennen. Von der Straße ist das Grundstück durch Steinpfosten getrennt, die mit schwingenden Ketten verbunden sind. Neulich sprach ich mit dem Besitzer, als ich mein Rad an einer dieser Ketten anschließen wollte. Er war dagegen, ohne speziellen Grund. Ich schob also weiter, aber ich hätte ihm gern meine Meinung zu seinem Garten gesagt und welche Rückschlüsse ich daraus auf seinen Charakter zog.
Vorgärten sind eine soziale Tat. Der Vorgärtner bedeutet dem Vorübergehenden: Ich bin ein fühlender Mensch. Ich denke nicht nur an mein Wohlgefallen, sondern auch an das Deine. Und ich zeige mein Gesicht, indem ich weder mannshoch Liguster noch Leyland Zypressen pflanze. Oder alles mit grauem Kies zuschütte. Erfreue Dich meiner Rabatte, gehe gestärkt von hinnen und wenn Du mich hinterm Zaun antriffst, grüß’ mich und lobe meine Scholle.
Darf man Gärtnern sagen, was man von ihrem Garten hält? Manche halten dafür; schließlich seien wir alle erwachsene Menschen und ein offenes Wort erfreue das Herz und kläre die Verhältnisse. Das glaube ich nicht. Ich bin gegen offene Worte, besonders von anderen Gärtnern. Ihre Blicke reichen mir schon. Und ich bin mir selbst gram, wenn ich schon am Tor anfange, mich zu entschuldigen: Ach, wenn Sie letzte Woche gekommen wären, da hat die Iris noch geblüht. Aber jetzt durch den vielen Regen/wahlweise die Dürre sieht alles so traurig aus. Das da? Das sollten eigentlich meine Lobelien sein, aber die Schnecken … Doch, ich mag Akelei, ich weiß, dass sie sich überall aussät … Nein, ich steche die Rasenkanten nicht ab. Gewiss sieht das gepflegter aus …
Mein Garten ist nicht immer in Topform und weit davon entfernt, sich zu jeder Jahreszeit in einem anderen schicken Flor zu zeigen. Aber würden Sie Ihren Gastgeber fragen, warum er so eine komische Frisur trägt? Oder so blöde Bilder aufhängt? „Tritt sachte auf, du trittst auf meinen Traum“, schrieb der Dichter William Butler Yeats. Das gilt für perfekte Gartensymphonien, zerrupfte Beete und meinetwegen auch für Möpse auf grauem Kies.

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Fotos: Birgit Bielefeld | Monika Frei-Herrmann

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