Seit sechs Jahren macht sich Johanna Schäfer einen Sport daraus, Müll konsequent zu vermeiden. Auf ihrem Weg zu „Zero Waste“, also zum abfallfreien Leben, ist sie schon weit gekommen. Für Quell hat sie ihre Tipps aufgeschrieben.

Wir haben ein Müll-Problem. Jeder Bürger in Deutschland produziert laut den Grünen 212 kg Plastikmüll pro Jahr – und dabei sind Plastikverpackungen ja ziemlich leicht. Recycelt wird davon nur etwa die Hälfte. Der nicht sortenreine Anteil wird verbrannt und es verbleibt giftige Schlacke. Oder schlimmer noch und leider Realität: Der Müll wird nicht ordnungsgemäß entsorgt und landet in Flüssen und Meeren, wo sogenannte Müllstrudel entstehen. Der Größte davon ist mehr als viermal so groß wie Deutschland. Die Natur kann Plastik nicht abbauen, es zerfällt lediglich zu Mikroplastik, eine PET-Flasche braucht dafür 400 Jahre. Das landet auch in den Mägen von Fischen und somit auf unserem Teller. Die sogenannte Zero Waste Bewegung stellt sich diesem Problem. Doch deren Ziel scheint den Meisten schier unmöglich, obwohl Viele gerne bereit wären, etwas zu ändern. Ihnen sei gesagt: Es ist gar nicht so schwierig! Aber auch: Veränderung braucht Zeit! Lassen Sie sich nicht stressen und integrieren Sie eine Kleinigkeit nach der anderen in Ihren Alltag. Wenn sich erst einmal Routine eingestellt hat, ist ein nachhaltiges Leben auch für Berufstätige und Familien machbar. Unsere Tipps machen Spaß und sparen zum Teil sogar Geld – Achtung, Suchtgefahr!

Shoppen mit Köpfchen

Ihr neuer bester Freund, der Jutebeutel, sollte Sie von heute an immer und überall begleiten und rettet Sie bei spontanen Einkäufen vor der Plastiktüte. Unverpacktes Obst und Gemüse gibt es im Bioladen, auf dem Wochenmarkt und im eigenen Garten. Alternativ zu den Plastiktütchen kann man inzwischen wiederverwendbare Baumwollnetze in vielen Supermärkten bekommen.
Was kommt aus meiner Region und hat gerade Saison? Superfood lässt sich oft durch Heimisches ersetzen – Leinsamen liefern zum Beispiel genauso Omega-3-Fettsäuren und Ballaststoffe wie Chiasamen aus Südamerika. Und frische Erdbeeren schmecken umso besser, wenn man im Winter auf sie verzichtet hat. Bio-Produkte sind weniger mit Pestiziden belastet und schützen die Umwelt. Wer dafür weniger Fertigprodukte kauft und mehr selber macht, wird den Preisunterschied nicht spüren. Coffee-to-go Becher haben ein sehr kurzes Leben, doch verbraucht werden in Deutschland stündlich um die 320.000 Stück! In der Beschichtung und im Deckel steckt Plastik. Erstehen Sie doch lieber einen Mehrwegbecher oder nehmen Sie einfach ein Schraubglas von zu Hause mit. In vielen Städten entstehen zudem gerade Pfand-Systeme. Wenn beides nicht zur Hand ist, dann können Sie sich vielleicht ja die Zeit gönnen, Ihren Kaffee ganz in Ruhe aus einer schönen Porzellantasse zu genießen. Vergessen Sie bei der Getränkebestellung das „bitte ohne Strohhalm“ nicht. Für Zuhause gibt es Alternativen aus Glas, Edelstahl und sogar Stroh. Wie viele Putzmittel stehen in Ihrem Schrank? Und welche Inhaltsstoffe auf den Etiketten können Sie entziffern? Für einen sauberen Haushalt reichen fünf natürliche Hausmittel: Essig, Zitronensäure, Waschsoda, Natron und Kernseife. Verdünnter Essig entkalkt, reinigt als Allzweckspray und dient als Weichspüler und Klarspüler. Natron neutralisiert Gerüche und dient mit Wasser zur Paste angerührt als Scheuermittel und Fleckenmittel. Sogar Ihr eigenes Spülmaschinen- oder Waschmittel-Pulver können Sie aus den fünf Basics selber mixen. Sie können auch einen Spaziergang machen – und im Anschluss Ihre Wäsche mit Efeublättern oder gemahlenen Kastanien waschen.

Da geht noch was

Verlieren Sie die Scheu vor Second Hand! Ein gebrauchtes Möbelstück spart Geld und Ressourcen. Den Verpackungsmüll spart man gleich mit. Ideal, wenn das Möbel aus Naturmaterialien wie Holz, Stein, Leder oder Glas gemacht ist. Kaputten Geräten kann geholfen werden – sowohl beim Fachmann als auch im Repair Café. Manchmal kostet das mehr, aber oft ist es nur eine Kleinigkeit und man spart sich das Geld für die Neuanschaffung. Braucht überhaupt jeder alles oder kann man bestimmte Dinge mit den Nachbarn teilen? Dann hat auch jeder gleich mehr Platz daheim. Schauen Sie sich lieber in kleinen Manufakturen nach hochwertigen Produkten um anstatt sie beim Versand-Riesen und aus Übersee zu bestellen. Bevor Sie überhaupt etwas ordern, fragen Sie sich: „brauche ich das wirklich?“. Wenn ja, dann doch lieber den treuen Begleiter fürs Leben. Kleidung aus natürlichen Materialien wie Baumwolle, Modal, Wolle und Seide ist angenehmer auf der Haut und mieft nicht so schnell. Das Gütesiegel GOTS verspricht bio-Stoffe ohne schädliche Chemikalien bei fairer und umweltschonender Herstellung. Synthetik-Stoffe aus Polyester oder Acryl dagegen sind eine der größten Quellen von Mikroplastik in unseren Gewässern. Bei jeder Wäsche lösen sich hunderttausende winzige Fasern, die auch von den Kläranlagen kaum gefiltert werden können. Suchen Sie im Netz nach dem Hashtag #Plastikfasten – und nutzen Sie dafür die Suchmaschine www.ecosia.de. Jede Ihrer Suchanfragen generiert Werbeeinnahmen, die Ecosia dazu nutzt, Bäume zu pflanzen. Die wachsende Zahl können Sie im Browser jederzeit verfolgen! QC52L09

Glas – das bessere Plastik
Saft, Milch, Sahne und Joghurt kann man im Mehrwegglas anstatt im Tetrapak oder Kunst­stoff­becher kaufen. Das ist sowieso gesünder, denn aus Kunststoffen können Weichmacher austreten, die in unseren Hormonhaushalt eingreifen und nicht nur dick, sondern sogar unfruchtbar machen können. Die nachhaltige Aufbewahrungsbox aus Glas oder Edelstahl erfüllt viele Zwecke: an der Wurst- und Käsetheke wird die eigene Box inzwischen häufig angenommen – fragen Sie einfach nach! Sie transportiert Ihre Brotzeit sicher zur Arbeit, genauso wie sie die Reste vom Restaurantbesuch ohne weitere Verpackung sicher nach Hause bringt. Die bisherige Kunststoffbox dafür wegzuwerfen ist keine gute Idee – wer sie gar nicht mehr benutzen möchte, spendet oder verkauft sie. Wenn Sie Glück haben, finden Sie einen Unverpackt-Laden bei sich in der Nähe. Dort kann man trockene Lebensmittel, wie Reis oder Nudeln aus Spendern in sein eigenes Gefäß abfüllen. Die Menge bestimmt man selbst. Verpackungsfreie Pflegeprodukte sind häufig auch im Sortiment. Aktuelle Karten mit allen Geschäften gibt es online – es werden ständig mehr. QC52L08

Kreisläufe – Das Prinzip der Nachhaltigkeit
Müll ist eine Erfindung der Menschen. Die Natur verschwendet keine Ressourcen. Alles läuft in einem Kreislauf ab: natürliche Abfälle werden restlos abgebaut und sorgen für neues Leben. Müllkippen dagegen sind eine Endstation. Zero Waste bedeutet nicht nur, sichtbaren Müll zu vermeiden, sondern Achtsamkeit mit sich und der Umwelt zu lernen und so zurück zu einem gesunden, nachhaltigen Kreislauf zu finden.

Die Autorin
Johanna Schäfer nähert sich seit sechs Jahren Schritt für Schritt einem nachhaltigen Leben. Die 34-jährige ist im Landkreis Rosenheim im schönen Oberbayern aufgewachsen und kommt aus einer „grün“ denkenden, naturverbundenen Familie. Nach einem mehrjährigen Aufenthalt in einem Land, wo Umweltschutz und Nachhaltigkeit noch Fremdwörter sind, folgte ihr Schritt zu Zero Waste. Johanna Schäfer arbeitet als Mediengestalterin, ist zugleich DIY-Profi, Hobbygärtnerin und rührt Naturkosmetik.  QC52L10

Bildnachweis: Titelbild Fotalia | anaumenko; Foto Autorin Julia Schäfer

 

Zusatzinformationen:

Zero Waste in Bad und Küche

Im Bad und in der Küche liegt ein enormes Einsparungspotential an Verbrauchsprodukten, die man laufend nachkaufen muss. Stellen Sie sich nur den riesigen Müllberg vor, den man vermeiden könnte, wären die Produkte im Supermarkt oder Drogeriemarkt nachhaltiger und sparsamer verpackt.

Tipps fürs Bad:

  • Bambuszahnbürsten sind biologisch abbaubar, sehen schick aus und liegen angenehm in der Hand.Anstatt sie am Ende auf den Kompost zu werfen, kann man sie auch „upcyceln“: einfach dieBorsten rausziehen und als Pflanzschildchen für die Küchenkräuter verwenden.
  • Milde Seifenstücke funktionieren nicht nur zum Händewaschen, sondern auch zum Duschen und Abschminken. Am besten sind Bio Seifen ohne Zusatzstoffe und frei von Palmöl.
  • Abschmink-Pads kann man waschbar kaufen oder sogar selbst nähen!
  • Festes Shampoo kommt in einer Papierverpackung anstatt in einer Plastikflasche.
  • Viele Pflegeprodukte lassen sich ganz einfach selber mischen! Von der Deocreme über den Lipbalm bis zur Zahnpasta gibt es tolle Rezepte im Netz, zum Beispiel auf www.smarticular.net. Vielleicht wird es ja Ihr neues Hobby?
  • Eine Menstruationstasse aus medizinischem Silikon oder Kautschuk ersetzt unzählige Tampons.
  • Naturkosmetik kommt ohne Mikroplastik und bedenkliche Inhaltsstoffe aus. Mit der App „CodeCheck“ können Sie ihre Kosmetik-Artikel auf den Prüfstand stellen.

Tipps für die Küche:

Weiter geht es in die Küche: Lebensmittel – auch Flüssigkeiten – lassen sich im Glas einfrieren. Dabei einfach 2-3cm Luft lassen. Wiederverwendbare Bienenwachstücher können fast alles, was eine Frischhaltefolie leistet, sehen aber hübscher aus. Man kann sie sogar selber machen. Luffa ist eine Gurke und eignet sich hervorragend als Putz- und Spülschwamm, als Seifenablage und als Peelingschwamm! Der Luffaschwamm kann in der Waschmaschine gereinigt werden und darf am Ende einfach in die Biotonne oder auf den Kompost. Sie finden Luffa-Schwämme zum Beispiel in türkischen Supermärkten.

Weitere Tipps:

Laufen – Fahrrad – Reisebus – Bahn – Auto – Flugzeug. Nutzen Sie in dieser Reihenfolge Ihre Verkehrsmittel und sparen damit klimaschädlichen CO2 Ausstoß und bares Geld. Ist ihr Weg zur Arbeit, zum Kindergarten oder zum Bioladen in Radel-Reichweite? Oder planen Sie für Ihre nächste Reise eine Fahrrad-Tour mit Übernachtung im Bio-Hotel anstatt einer Kreuzfahrt oder Weltreise! Das spart auch noch das Geld fürs Fitness-Studio. Apropos – beim Joggen durch den Park ist der  neueste Trend nun „plogging“ – nämlich gemeinsam joggen und dabei Müllsammeln.

Informieren Sie sich über den Wechsel zu einer Ökobank, die Ihr Geld in nachhaltige Projekte investiert und wechseln Sie zu Ökostrom aus erneuerbaren Energiequellen. Schreiben Sie „Keine Werbung“ auf Ihren Briefkasten, bestellen Sie Kataloge und Werbepost ab und lehnen sie kostenlose Probe-Packungen und Give-Aways freundlich ab.