Wasser ist das Lebensmittel Nummer eins, aber viele Menschen schenken seiner Qualität nur wenig Beachtung. Dabei lassen sich große Geschmacksunterschiede feststellen, wenn man sich die Zeit nimmt, bewusst hinzuschmecken.
Wann haben Sie das letzte Mal mit all Ihren Sinnen gespürt, ob Ihnen etwas schmeckt oder Ihnen etwas gut tut? Können Sie sich nicht so genau daran erinnern? Dann geht es Ihnen wahrscheinlich so wie der Mehrheit der Menschen hierzulande. Essen und Trinken wird immer öfter en passant konsumiert: Ein Muffin auf dem Weg zur U-Bahn, die Fertigpizza vor dem Fernseher oder der Kaffee bei der Arbeit am Computer. Die Qualität der aufgenommenen Nahrungsmittel tritt dabei mehr und mehr in den Hintergrund. Das Geschmacksempfinden degeneriert oder wird bei Kindern erst gar nicht ausgebildet.
Viele der heute angebotenen Lebensmittel sind so stark verarbeitet und enthalten so viele Zusatzstoffe, dass sie für den Körper mehr Last als Energiegewinn bedeuten. Das gilt auch für Wasser. So manches Mineralwasser ist mittlerweile ein industriell hergestelltes Produkt, dem zunächst alle Stoffe entzogen werden, um ihm dann nach einer standardisierten Formel wieder Mineralstoffe zuzuführen. Doch auch das in Deutschland so hochgelobte Leitungswasser ist keineswegs so unproblematisch, wie es die Verlautbarungen in den Medien erwarten lassen. Beispiel Arzneimittel: Vom Antibiotikum bis zum Röntgenkontrastmittel, vom Empfängnisverhütungsmittel bis zum Antiepileptikum wurde mittlerweile eine ganze Reihe pharmazeutischer Wirkstoffe im Leitungswasser gefunden.
Die Sinnesorgane schützen vor schlechter Qualität
Ein Test von Leitungswasser der Zeitschrift Feinschmecker hatte bereits im September 2006 ergeben: „Die Qualität zeigt enorme Schwankungen.“ In elf deutschen Städten hatte die Redaktion Wasser aus öffentlichen und privaten Gebäuden abzapfen lassen – vom Berliner Reichstag bis zum
Kölner Hauptbahnhof – und die Stichproben in eines der modernsten chemischen Labore Deutschlands geschickt, dem Institut von Professor Dr. Walter Jäger in Tübingen. Untersucht wurde auf Pestizide, Schwermetalle und Medizinrückstände. Die Ergebnisse waren erschreckend: Im Trinkwasser aus Berlin und Dortmund fand Professor Jäger Entzündungshemmer, Mittel gegen Epilepsie sowie verschiedene Röntgenkontrastmittel. „Ich bin sprachlos angesichts der Höhe der einzelnen Werte, für die wir keine Vergleichsuntersuchungen haben. Wir konnten die Werte zuerst kaum glauben und haben zweimal nachgemessen“, so zitiert der Feinschmecker den Experten.
Und es ist anzunehmen, dass sich die Qualität des Leitungswassers seither eher verschlechtert als verbessert hat. So ist einer Pressemitteilung des Forums Trinkwasser aus dem Jahr 2015 zu entnehmen, dass so mancher Wasserversorger mittlerweile belastetes Grundwasser mit unbelastetem Wasser stark verdünnt, um die Grenzwerte der Trinkwasserverordnung einhalten zu können.
Doch wie können sich Verbraucher vor minderwertigen Lebensmitteln schützen? „Hätten wir einen gesunden Appetit, bräuchten wir uns um Lebensmittelanalysen nicht zu kümmern“, formuliert der Physik-Professor Fritz-Albert Popp in seinem Buch „Die Botschaft der Nahrung“. Popp begründet seine Aussage folgendermaßen: „Fakt ist, dass Wildtiere mit erstaunlicher Präzision die für sie qualitativ beste Nahrung aus dem reichhaltigen Angebot der Natur auszuwählen verstehen.“ Gesunder Appetit heißt nach Popps Auffassung, diese Fähigkeit zu pflegen und zu bewahren.
Erstaunliche Geschmäcker beim Verkosten von Wasser
Überraschende Erfahrungsberichte beim Verkosten von Wasser hat die Münchner Heilpraktikerin Margret Jamin in einem groß angelegten Schulprojekt gesammelt: In sogenannten „Sensorik-Tests“ probierten und schmeckten Schüler von zehn Grund-, Haupt- und Realschulen ganz bewusst fünf verschiedene stille Wässer von St. Leonhards. Die jungen Verkoster formulierten sehr konkrete Bilder für ihr Geschmacksempfinden: Das Wasser schmeckte „weich wie Watte“ oder „wie eine Eiskugel im Mund“. Vor allem die jüngeren Schüler fanden für die von ihnen empfundenen Geschmacksqualitäten phantasievolle Namen. Das Wasser schmeckte „wie Banane“ oder „wie Vanille“.
Diese geschmacklichen Sensationen können auch erwachsene Feinschmecker zum Anlass nehmen, beim Wasser genauer hinzuschmecken. Während sich passionierte Weintrinker heftig darum bemühen, dem Schluck auf der Zunge das letzte Quäntchen an Geschmacksnuancen abzuringen, wird Wasser allzu oft einfach runtergespült, ohne auch nur einen Gedanken daran zu verschwenden, was man dabei schmecken könnte.
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Die fünf Sinne
Von der Natur wurde der Mensch mit fünf Sensoren ausgestattet: Sehen, Hören, Riechen, Schmecken und Tasten. Die fünf Sinne werden benötigt, um Informationen aus der Umwelt aufzunehmen und um den Zustand des Organismus zu kontrollieren. Die fünf Sinne helfen bei der wichtigen Frage: Was tut mir gut, was bekommt mir nicht?
In der Lebensmitteltechnik und –analytik spielt der Einsatz der fünf Sinnesorgane nach wie vor eine wichtige Rolle: Für die Beurteilung des sensorischen Wertes von Lebensmitteln ist der Mensch mit seinen Sinnesorganen das wichtigste Messinstrument. Das wusste schon Goethe, der große Dichter und Naturwissenschaftler. „Der Mensch selbst, so er sich der gesunden Sinne bedient, ist das größte physikalische Gerät“, so lautet seine Erkenntnis.
Die fünf Sinne – eine Bildkomposition der niederländischen Künstlerin Henriëtte van Egten (weitere „Phantom Portraits“ von van Egten sind in ihrem Buch Elf Portretten abgebildet)
Die gustatorische Wahrnehmung
Die Zunge besitzt etwa 10 000 Geschmacksknospen, mit deren Hilfe sich die Geschmacksrichtungen süß, sauer, salzig und bitter unterscheiden lassen. Die Bereiche für süßes Empfinden sitzen vorne an der Zungenspitze, die für sauer und salzig am Zungenrand und die für bitter in der hinteren Mitte. Der Geschmacksinn, vielmehr die „gustatorische Wahrnehmung“ glänzt durch erstaunliche Komplexität. Denn der Sinneseindruck, der gemeinhin als „Geschmack“ bezeichnet wird, ist ein Zusammenspiel des Geschmacks- und Geruchssinns gemeinsam mit Tast- und Temperaturinformationen aus der Mundhöhle.