Wie Sehtraining die Augen und auch unsere persönliche Sicht auf die Dinge verbessern kann. Von Martina Guthmann.

Vom Aufwachen bis zum Schlafengehen nehmen wir unsere Sehkraft mit Selbstverständlichkeit in Anspruch. Erst, wenn unsere Augen streiken, wenn wir trotz stärkerer Gläser nicht mehr scharf und klar durchblicken, oder wenn andere Augenbeschwerden auftauchen, dann kümmern wir uns um unsere Augen. Mit einfachen Trainings- und Entspannungsübungen lässt sich unsere optische Wahrnehmung steigern und dabei viel Gutes nicht nur für die Augen erreichen.

Das Auge als Teil des Körpers verstehen
Unser Auge selbst ist nur zu zehn Prozent am Sehprozess beteiligt, Gehirn, Körperfunktionen und Seele mischen maßgeblich mit. „Deshalb ist es so wichtig, Augenprobleme nicht isoliert zu diagnostizieren und zu therapieren“, erklärt  die Augentherapeutin Marianne Wiendl am Beispiel des trockenen Auges: „Natürlich lässt sich ein office eye – so wird das trockene Auge bei Bildschirm-Arbeit bezeichnet – mit Augentropfen befeuchten. Sinnvoller ist es aber, auf Ursachenforschung zu gehen und nicht nur das Symptom zu behandeln. Vielleicht trinkt der Patient zu wenig, verschafft sich zu wenig Pausen an der frischen Luft oder benötigt eine Darmsanierung, nach der sich die Augen oft wieder von selbst befeuchten können.”

Augen brauchen Abwechslung
Evolutionär gesehen sind unsere Augen auf konzentrierte Weitsicht ausgelegt. Für den Jäger bedeutete die Nähe Schutz, während er angespannt und konzentriert in die Ferne spähen musste. Mit der Wirklichkeit vieler moderner Berufe hat das nicht mehr viel zu tun: So wird bei stundenlanger Bildschirmarbeit angestrengt ein zweidimensionales Bild in nächster Nähe fokussiert, was die Augen einseitig belastet. So bekommen die Augen zunehmend ein Problem damit, im Wechsel von Nähe auf Ferne scharf zu stellen. Wiendl: „Nach einem langen Arbeitstag am PC sollte man den Augen den entspannten Blick in die Weite  gönnen – etwa bei Bewegung in der Natur.” Dass man durch bewusstes Training der Augenmuskulatur und der optischen Wahrnehmung dem Verfall der Sehkraft entgegenwirken kann, beweist eindrucksvoll der Augentherapeut Meir Schneider, der sich selbst vor der Blindheit rettete. Augenmuskeln brauchen genau wie jeder andere Muskel unseres Körpers Spannung und Entspannung, gezieltes und abwechslungsreiches Training.

Licht- und Sonnen-Baden der Augen
Meir Schneider empfiehlt: „Seien Sie skeptisch gegenüber allzu viel Angst vor der Sonne … Tragen Sie selten eine Sonnenbrille, weil sie die Pupillen schwächt.“ Der Grund: Eine der 10 Schichten der Netzhaut besteht aus melaninhaltigen Pigmentkörperchen, die das Licht abdunkeln – also eine Art natürliche Sonnenbrille. Sonnengläser nehmen dieser Schicht ihre Nützlichkeit, die Pigmente verziehen sich in den hinteren Teil der Netzhaut und sind dort nicht mehr so wirksam.
Folgende Übung hilft den Augen gut mit Sonnenlicht umzugehen und sie verbessert obendrein das Sehvermögen: Der Sonne zugewandt bewegt man mit sanft geschlossenen Augen den Kopf langsam um 180 Grad von einer Schulter zur anderen („Nein“-Bewegung) oder kippt ihn vom Kinn bis in den Nacken („Ja“-Bewegung). Diese Übung stärkt die Irismuskulatur, verbessert die Durchblutung des Auges, versorgt die Netzhaut mit konzentriertem Licht und aktiviert den gesamten Organismus. Badet man die geschlossenen Augen täglich 20 Minuten in Sonne, werden sie zunehmend besser mit der Sonne und auch mit Dunkelheit umgehen können.

Schwarz sehen – entspannende Dunkelheit für die Augen  
Das Auge braucht zur Regeneration auch entspannende kleine und große Dunkelpausen. „Beim Starren auf den Bildschirm vergessen wir sogar oft zu blinzeln“, stellt  Marianne Wiendl bei ihren Patienten fest und empfiehlt, ein Post-it mit einem Blinzel-Smiley an den PC zu heften. Ebenfalls empfehlenswert zwei Nachtspaziergänge im Monat, optimal wäre es außerhalb des Stadtzentrums nur bei Mond-und Sternenlicht und auch ohne Taschenlampe. Nach einer guten halben Stunde ist die Netzhaut so aktiviert, dass die Augen wieder ihr volles Potential erreichen.

Eine Liste von Sehtrainern und Therapeuten gibt es beim Verein für gesundes Sehen:
www.verein-gesundes-sehen.de