Mit seinen 1 231 Kilometern zählt der Rhein zu den mitteleuropäischen Lebensadern. Im Projekt „Rheines Wasser“ durchschwamm der Wissenschaftler Andreas Fath in 28 Tagen den Rhein von der Mündung bis zur Quelle und analysierte zusammen mit seinem Team dessen Wassergüte. Auch wenn die Ergebnisse nicht bedrohlich sind, machen sie dennoch nachdenklich.
Von den Alpen bis zur Nordsee: Der Rhein erfüllt für seine Anrainer eine Reihe von Funktionen. Er gehört zu den weltweit verkehrsreichsten Wasserstraßen, er dient der Erholung und ist für Millionen von Menschen Trinkwasser-Spender, da viele Städte aus dem Rhein Wasser zur Trinkwassergewinnung entnehmen.
Auch wenn nach Angaben des Umweltbundesamtes die Belastung des Rheins mit Schadstoffen wie Blei, Cadmium, Chrom oder Zink seit 1960 kontinuierlich abnimmt, bedeutet dies noch längst nicht Entwarnung. Mit modernsten Analysemethoden, wie sie die Wissenschaftler rund um Professor Andreas Fath von der Hochschule Furtwangen anwandten, wurde das Rhein-Wasser erstmals auf rund 600 unterschiedliche Inhaltsstoffe untersucht. Schon Konzentrationen von einem Milliardstel Gramm (Nanogramm) konnten die hochsensiblen Analysegeräte nachweisen. „In der Zusammenfassung aller Ergebnisse erhalten wir einen umfassenden Einblick in die Wassergüte des Rheins entlang seines kompletten Verlaufs“, so Fath. Dabei tauchten neben zu erwartenden Medikamenten-Rückständen auch ganz überraschende Stoffe auf, die sich aus den modernen Lebensgewohnheiten der Anrainer ergeben.
Arzneimittel-Rückstände: Vom Antibiotikum bis zum Betablocker
So waren beispielsweise blutdrucksenkende Arzneimittel schon ab Ilanz im Schweizer Alpenrhein nachweisbar, die Konzentration erhöhte sich kontinuierlich bis hin zur Mündung des Rheins in die Nordsee. Das Antibiotikum Sulfamethoxazol, das bei der Bekämpfung von Harnwegsinfekten und Lungenentzündungen verwendet wird, ließ sich ab der nächsten Schwimm-Etappe in Chur nachweisen. Der Betablocker Metoprolol, der insbesondere bei der Behandlung von Bluthochdruck zum Einsatz kommt, konnte ab Konstanz im Bodensee aufgespürt werden. Das Schmerzmittel Diclofenac schließlich war ab Laufenburg am Hoch-rhein zu finden.
Die Spur der Softdrinks und Spülmaschinen
Getränke, die mit künstlichen Süßstoffen versetzt sind und als kalorienarme Durstlöscher gelten, sind populär. Und so fanden sich die Süßstoffe Acesulfam und Sucralose (zählt zur Chlorchemie) im Rhein wieder. Diese Süßstoffe sind beliebt, weil sie der menschliche Körper nicht verwerten kann. Aber auch die Kläranlagen tun sich mit dem Abbau dieser Süßstoffe schwer, weswegen deren Konzentration im Rhein mit dem Flusslauf kontinuierlich zunimmt. Auch wenn diese Süßstoffe als ungiftig für Fische gelten, kann man sich vorstellen, dass deren geballte Ladung für Fische nicht gerade förderlich ist.
Auch der intensive Gebrauch von Spülmaschinen findet seinen Niederschlag im Rhein: Benzotriazol ist eine Chemikalie die unter anderem in Spülmaschinen-Tabs Verwendung findet. Dort dient sie als Silberschutz. „Wenn wir jeden Abend die Spülmaschine laufen lassen, kommt damit stetig Benzotriazol ins Abwasser. Da es schwer abbaubar ist, gelangt es in großen Mengen in den Rhein“, stellt Fath fest. Aber auch aus dem Bereich Kosmetik haben die Forscher Substanzen im Rhein gefunden. Climbazol beispielsweise wird in Antischuppen-Shampoos eingesetzt, da es die Vermehrung von Pilzen hemmt. Die Substanz kann – wenn sie in den Körper aufgenommen wird – Chlorphenol abspalten, das im Verdacht steht, Krebs zu erregen.
Perfluorierte Tenside: Verbot zeigt Wirkung
Auch sogenannte perfluorierte Tenside (PFOS) stehen im Verdacht, Krebs zu erregen. Deshalb dürfen diese Substanzen beispielsweise in Feuerlöschern nicht mehr zum Einsatz kommen. Dass das seit Juni 2008 geltende EU-Verbot wirkt, zeigt ein historischer Vergleich der Messwerte: Im Jahr 2006 wurden auf der Höhe von Düsseldorf noch 80 Nanogramm PFOS im Rheinwasser gefunden; im August 2014 waren es noch 6 Nanogramm.
In anderen Bereichen hingegen sind die Ergebnisse nicht so beruhigend. Dies zeigt der Blick auf die Entwicklung des Chemischen Sauerstoffbedarfs (CSB-Wert). „Je weiter sich der Rhein von seiner Quelle entfernt, desto höher wird die Konzentration dieser Substanzen, ausgelöst durch den Anstieg der Zuleitungen aus Industrie, Landwirtschaft, Kranken- und Pflegestationen und privaten Haushalten.“ (Siehe auch Kasten).
Der Rhein-Schwimmer
Prof. Dr. Andreas Fath ist seit seinem achten Lebensjahr Leistungsschwimmer. An der Hochschule Furtwangen (HFU) unterrichtet er seit 2011 Physikalische Chemie und Analytik mit dem Schwerpunkt Umwelttechnik.
Mehr als ein Jahr bereitete sich Andreas Fath auf das RheinSchwimmen vor. Dabei ging es ihm eigentlich gar nicht so sehr um die sportliche Herausforderung, sondern um das Ziel, das Bewusstsein für die Kostbarkeit der Ressource Wasser und für einen effektiven Gewässerschutz zu stärken.
Der Forscher
Bei der Analyse des Rheinwassers kamen zum Teil ganz neuartige Untersuchungsmethoden und Analyseinstrumente zum Einsatz – so etwa ein Chip, mit dem sich bis zu 150 Mikroorganismen (wie Krankheitserreger oder Bioindikatoren) gleichzeitig nachweisen lassen. Neben der punktuellen Beprobung des Rheinwassers nahm Andreas Fath mit Hilfe einer speziellen Kunststoffmembran, die während des Schwimmens an seinen Waden angebracht war, alle organischen Stoffe auf, mit denen er im Rhein in Berührung kam. Langfristiges Ziel von Professor Fath ist es, Systeme zu entwickeln, die in der Lage sind, oxidierbare organische Substanzen nah an ihrem Ursprungsort zu mineralisieren, um die Gewässer damit gar nicht erst zu belasten. Ein von Fath entwickeltes elektrochemisches Verfahren hat bei perfluorierten Tensiden bereits Erfolge gebracht und könnte auch andere toxische Substanzen unschädlich machen. Dies wird der Schwerpunkt der künftigen Forschungen von Professor Fath sein.
Fotos: Hubert Braxmaier
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