Es gibt Themen, die gehen im Trubel der aktuellen Ereignisse leicht unter. Sie sind aber durchaus brisant. Eines dieser Themen ist Nitrat im Grundwasser. Eigentlich könnte man annehmen, dass Deutschland nicht gleich eine Klage beim EU-Gerichtshof braucht, um bei diesem Thema die notwendigen und entschiedenen Maßnahmen zu ergreifen. Doch das Vertragsverletzungsverfahren, das bereits 2013 von der EU-Kommission eingeleitet wurde, hat wohl noch nicht den notwendigen Druck ausgelöst. Denn nach Ansicht der Kommission hat Deutschland trotz der hohen Belastung von Gewässern mit Nitrat keine ausreichenden Maßnahmen ergriffen, um das Problem anzugehen. Die Klage ist nicht unberechtigt, denn in Europa hat Deutschland die zweithöchste Wasserbelastung durch Nitrat. So kann beispielsweise in Nordrhein-Westfalen aus rund 40 Prozent der Grundwasservorkommen kein Trinkwasser mehr ohne entsprechende Aufbereitung gewonnen werden.  Der Wasserwirtschaftsverband nannte die Klage deshalb auch eine „Ohrfeige für die deutsche Landwirtschaftspolitik“. Viele Wasserwerke müssen Millionen investieren, um mit Nitrat belastetes Grundwasser zu reinigen.

Die Notwendigkeit für Änderungen wird einem bewusst, wenn man sich vor Augen führt, welche Auswirkungen eine zu hohe Nitratbelastung hat.

  • Nitrat im Trinkwasser und in Nahrungsmitteln belastet die menschliche Gesundheit. Nitrat kann sich im Körper zu Nitrosaminen umbilden, diese stehen im Verdacht eine krebserregende Wirkung zu haben
  • Zu hohe Einträge führen zu einer Eutrophierung von Gewässern
  • Durch „Veralgen“ kommt es zu einem Absterben der Gewässerlebewesen
  • Auch bei geringen Belastungen kommt es schon zu Verlusten von Biodiversität

Diese Fakten sind in der Antwort der Bundesregierung auf eine kleine Anfrage der Fraktion BÜNDNIS90/DIE GRÜNEN zum Thema „Gewässer in Deutschland-Minderungsbedarf Stickstoff“ vom 02.Juni 2016 nachzulesen.

Bei der Düngeverordnung tickt die Uhr

Im Zentrum der Nitratdiskussion steht die Düngeverordnung. Umwelt- und Naturschutzverbände fordern seit langem schärfere Düngevorschriften und transparente Nährstoffströme („Hoftorbilanz“). Doch der Entwurf der neuen Düngeverordnung, den die Bundesregierung vorgelegt hatte, fand in Brüssel keine Gnade und muss nachgebessert werden. Nun wird es kritisch, denn für die Nachbesserung läuft die Frist der EU-Kommission jetzt Ende Juni ab. Die Umweltminister der Bundesländer rufen die Bundesregierung deshalb auch zur Eile auf. Damit die seit langem geplanten Neuregelungen zumindest noch am 1. Januar 2017 in Kraft treten könnten, müsste noch vor der Sommerpause ein weiterer Entwurf der Düngeverordnung vorliegen. Dann könnte im Herbst der Bundesrat über die Vorlage beraten.

Passiert nichts wird es teuer. Trödelt ein Staat auch nach dem Urteil mit der Umsetzung, kann das Gericht eine Pauschalstrafe oder ein Zwangsgeld für jeden weiteren Tag verhängen. Frankreich z.B. wurde 2005 für einen Vertragsbruch im Fischereisektor zu 20 Millionen Euro Strafe und zu einem Zwangsgeld mit einem Tagessatz von 316.500 Euro verdonnert.

Übergreifende Strategie notwendig

Vor diesem Hintergrund hat das Bundesumweltministerium am 24. Juni eine Pressemitteilung herausgegeben. („Hendricks: Wir brauchen für die Minderung der Stickstoffemissionen eine übergreifende Strategie“). Da aus Sicht der Bundesumweltministerin die bestehenden Minderungsmaßnahmen nicht zu einer ausreichenden Reduzierung der Emissionen geführt haben, ist nun eine sektorenübergreifende integrierte Strategie notwendig. Interessant die aufgeführten Zahlen: „So stehen EU-weit dem Nutzen mineralischer Dünger durch zusätzliche Ernteerträge, die schätzungsweise zwischen 20 und 80 Milliarden Euro pro Jahr liegen, Schäden in Form gesellschaftlicher Kosten gegenüber, die schätzungsweise zwischen 70 und 320 Milliarden Euro liegen. 60 Prozent davon beziehen sich auf gesundheitliche Schäden, 35 Prozent auf Schäden an Ökosystemen und 5 Prozent auf Auswirkungen auf das Klima.“

Das sind Zahlen, die einem schon sehr zu denken geben. Um eine breite Diskussion anzustoßen, hat das Bundesumweltministerium Vertreter aus den Bereichen Verkehr, Energiewirtschaft, Gesundheitswesen sowie von verschiedenen Natur- und Umweltschutzorganisationen zu zwei Dialogforen eingeladen. Die Ergebnisse aus den beiden Foren sollen in die Stickstoffminderungsstrategie mit einfließen. Im Hinblick auf unsere Gesundheit und die Umwelt kann man nur hoffen, dass diese Strategie dann schnell umgesetzt wird.

Von Claudia Schwarzmaier

Mehr zum Thema „Nitrat – Gefahr für das Trinkwasser“ finden Sie auch in der Buch-Neuerscheinung „Lebendiges Wasser Energiequell des Körpers“