Was bringt Menschen dazu, einen Großteil ihrer Freizeit zu opfern, um Verletzte in den Bergen zu retten? Claudia Bork, eine der ersten weiblichen Bergretterinnen im Chiemgau gibt Auskunft.

Bei der Bergwacht akzeptiert zu werden, war für Claudia Bork eine unerwartet große Herausforderung: Als die Gymnasial-Lehrerin (Sport und Englisch) von Augsburg in den Chiemgau zog, war sie auf der Suche nach einer Freizeit-Beschäftigung, bei der sie ihre sportlichen Ambitionen ähnlich wie vorher in der Volleyball-Bundesliga ausleben konnte.

Kannst Du Skifahren oder Kraxeln?
Eine Kollegin gab ihr den Tipp, sich doch bei der Bergwacht zu engagieren. Die damals 31-Jährige suchte sich aus dem Telefonbuch die Nummer des Bereitschaftsleiters, ging zum wöchentlich stattfindenden Stammtisch – und musste feststellen, dass man dort nicht auf sie gewartet hatte. „Kannst Du Skifahren und Kraxeln?“, war eine der ersten Fragen, die man ihr stellte. Bergretter waren es bislang gewöhnt, ihre teils schwierigen Einsätze unter Männern abzuwickeln: Verletzte Skifahrer mit dem Akia – einer Art Schlittenbahre – den Berg hinunter zu fahren, verirrte oder verletzte Kletterer aus den Felsen zu holen, Gleitschirmflieger nebst Fluggerät aus den Bäumen zu pflücken, verlangt neben körperlicher Fitness auch eine Menge Know-how. Rund 24 Monate intensiver Schulung braucht es im Schnitt, um aus einem „Anwärter“ ein Mitglied der Bergwacht zu machen.

Doch Claudia Bork ließ sich nicht beirren. „Ich habe mich geradezu aufgedrängt“, erinnert sie sich. Jede Woche besuchte sie aufs Neue den Stammtisch, war immer zur Stelle, wenn Helfer gebraucht wurden und überzeugte nach und nach durch Regelmäßigkeit. Und diese Regelmäßigkeit ist in unserer modernen Spaßgesellschaft ein seltenes Gut. Denn immer weniger Freiwillige sind in ihrer Freizeit dazu bereit, Verpflichtungen einzugehen. Eine Tendenz, unter der Vereine schwer zu leiden haben.

Durch Zähigkeit schaffte Claudia Bork es, Ende 2002 ihre Anwärter-Ausbildung abzuschließen und engagierte sich in der Folge beim Kriseninterventionsdienst (KID Berg), der sich um die Betreuung von Angehörigen tödlich Verunglückter oder Bergwachts-Kameraden kümmert. Unter mangelnder Akzeptanz bei der Bergwacht hat die heute 43-Jährige nicht mehr zu leiden. Kürzlich wurde sie in den Vorstand der Traunsteiner Bergwacht gewählt und mit der Kraft ihres Ehrenamts setzt sie sich für die Ausbildung weiblicher und männlicher Bergretter ein. Drei junge Frauen durchlaufen derzeit das anspruchsvolle Ausbildungsprogramm in Traunstein. Sie alle haben im Vorfeld bereits bewiesen, dass sie dazu imstande sind, in anderthalb Stunden 800 Höhenmeter zu bewältigen, schwere Rucksäcke zu schleppen, abseits der Piste Ski zu fahren und Schwierigkeitsgrad 4 alpin zu klettern. „Alles andere bekommt man beigebracht“, so Claudia Bork. In den 12 Jahren, seit sie sich bei der Bergwacht engagiert, hat sich nach ihrer Beobachtung bei den Männern ein Sinneswandel vollzogen. „Sie wissen mittlerweile, dass man Frauen braucht.“ Bei der Betreuung von Verletzten oder bei organisatori-schen Herausforderungen spielt es keine Rolle, dass Frauen kräfte- und konditions-mäßig nicht an die Männer heranreichen. Die Motivation für dieses zeitraubende Ehrenamt, das kaum weitere Hobbys zulässt, ist für alle Bergretter ohnehin ähnlich. „Leidenschaft für den Berg“, bringt Claudia Bork sie auf den Punkt.

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Natur schützen – Menschen retten

Nach ihrer Gründung im Jahr 1920 war die Bergwacht vor allem eine Naturschutzorga-nisation. Das änderte sich mit dem wachsenden Ansturm von Touristen auf die Berge, der immer mehr Unfälle nach sich zog. Heute betätigen sich die freiwilligen Bergretter in einem breiten Spektrum von Einsätzen: Bei der Rettung aus unwegsamem Gelände, der Felsrettung, Pistenrettung, Höhen-, Seilbahn-, Baum- und Luftrettung, der Höhlen- und Grubenrettung sowie bei der Rettung aus Canyons.

Die 24 Bergwacht-Verbände befinden sich nicht nur in den Alpen, sondern auch in Mittelgebirgen wie dem Taunus, dem Hunsrück oder dem Harz. www.bergwacht.de

Möchten auch Sie die Bergwacht unterstützen? Die Sektion Traunstein freut sich über jede Spende: Bergwacht Traunstein| Konto 0108217092 | BLZ 710 90 000 | Volksbank Raiffeisenbank Oberbayern Südost

Fotos: Stephanie Strunz | Iris Reinmiedl

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