In der menschlichen Gesellschaft, aber auch in der Natur, ist sie ein uraltes Prinzip: die Kooperation. In schwierigen Zeiten mit globalen Anforderungen ist sie wichtiger denn je. Von Claudia Schwarzmaier.

Man mag es kaum glauben, doch schon der Beginn von allem tierischen und pflanzlichen Leben war ein Akt der Kooperation zwischen verschiedenen Einzellern. Anstatt sich zu attackieren und aufzufressen, schlossen sie sich zusammen. Sie vereinigten ihre Fähigkeiten, bis daraus eine größere und vielseitigere Zelle entstand. Volker Arzt, erfolgreicher Wissenschaftsjournalist und Autor, bringt es in seinem Buch „Kumpel & Komplizen – Warum die Natur auf Partnerschaft setzt“ (siehe Randspalte) wie folgt auf den Punkt: „Am Anfang aller Tiere und Pflanzen stand der Übergang von Todfeindschaft zu gegenseitiger Duldung, zu Toleranz und schließlich engster Partnerschaft.“ Anhand vieler Fallbeispiele zeigt er auf, dass die Natur eine Überfülle an fairer Zusammenarbeit und gegenseitiger Unterstützung kennt. Und das nicht nur, wenn es um die eigenen Nachkommen oder Nahverwandte geht. Es geht eben nicht nur um den Kampf um den eigenen Vorteil, sondern auch um das partnerschaftliche Miteinander.

Der soziale Sprung

Bewusste Kooperation setzt soziale und technische Intelligenz voraus und gerade der Mensch ist wohl zur Zusammenarbeit fähig wie keine andere Spezies. Der Psychologe William von Hippel deckt in seinem Buch „Die Evolution des Miteinander“ auf, wie allein durch die Verlagerung des Lebensraums unserer Vorfahren vom sicheren Regenwald in die Savanne dieser einzigartige Prozess ausgelöst wurde. Kooperation war der wesentliche Schlüssel zum Erfolg. In einer nur von Konkurrenz geprägten Lebensweise ist Wissen Macht – das ist es natürlich bis heute – doch durch den Austausch von Informationen, durch das zusammen Arbeiten und sich gegenseitig auf den gleichen Stand bringen, wurden unsere Vorfahren umso erfolgreicher. Nach Ansicht des Psychologen war dieser Vorgang ein „sozialer Sprung“, der den Weg der Menschheit zu komplexeren sozialen Strategien bereitete.

Kooperation ist überall

Und wie ist es heute? Meist ist uns gar nicht bewusst, dass wir bei fast allem, was wir tun, auf ein riesiges Netzwerk aus Kooperationen bauen. Von der Tasse Kaffee bis zu dieser Zeitung, die Sie gerade lesen. Und Kooperationen werden immer mehr. In einer Studie der Unternehmensberatung Deloitte gaben rund 70 Prozent der befragten Mittelständler und Start-ups an, dass Kooperationen relevant oder sogar sehr relevant für ihr eigenes Kerngeschäft sind. Allein in den letzten Jahren ist die Anzahl der Kooperationen in Deutschland um mehr als 50 Prozent gestiegen. Besonders positiv, wenn dadurch die Nachhaltigkeit gestärkt wird. Bei einer Umfrage unter 200 Führungskräften aus dem Bereich Nachhaltigkeit von Unternehmen aus Deutschland, Frankreich, Großbritannien, den Niederlanden und den USA gab eine Mehrheit an, dass Kooperationen in der Industrie ein hohes Potential für die Reduzierung von CO2-Emissionen und Schadstoffbelastungen bieten. Mehr als 60 Prozent der Befragten waren auch der Meinung: Konkurrenten müssen sich zusammenschließen, um Branchen tiefgreifend verändern zu können. Auch Innovationen können beschleunigt werden. Ein praktisches Beispiel unter vielen ist die Kooperation von Neste mit der Jokey Group. Durch die Zusammenarbeit soll der Einsatz von nachhaltigen Kunststoffverpackungen gefördert werden. Darüber hinaus will man eine auf zirkuläre Wertschöpfung basierende Kunststoffwirtschaft vorantreiben.

Wichtig für Umwelt- und Klimaschutz

Neben den Kooperationen zwischen Unternehmen, ist für den Umwelt- und Klimaschutz die fast unübersehbare Vielzahl von kooperativer Zusammenarbeit auf internationaler, nationaler und regionaler Ebene wichtig. Beispielweise Partnerschaften und Kooperationen zwischen Kommunen. Denn Kommunen sind weltweit die Orte, an denen sich Klimawandel und alle anderen ökologischen und sozialen Herausforderungen wie unter einem Brennglas konzentrieren. Gleichzeitig werden auf kommunaler Ebene aber auch Lösungen gefunden. Das größte europäische Städtenetzwerk ist das Klima-Bündnis. Über 1.800 Mitgliedskommunen suchen in Partnerschaft mit indigenen Völkern nach lokalen Antworten auf den globalen Klimawandel. Interessant ist auch die zunehmende Zahl der Kooperationen von Umweltorganisationen und Unternehmen. Das Spektrum reicht von weltweit agierenden Organisationen wie dem WWF bis hin zum NABU (Naturschutzbund Deutschland). Grundsätzliches Ziel ist neben konkreten Projekten auch das gegenseitige Verständnis für die jeweiligen Motive und Handlungszwänge des anderen zu fördern. Genau das ist spannend. In Kooperationen können die Partner nicht nur ihre jeweiligen Stärken einbringen, sondern sie bieten auch die Gelegenheit, sich in die Rolle des jeweilig anderen hineinzuversetzen. Dieser Per­spektivwechsel kann neue Denkansätze fördern. Natürlich könnte man diesen positiven Ansätzen sehr viele Gegenbeispiele gegenüberstellen, denn neben den kooperativen Ansätzen wird es immer auch Konkurrenzkampf geben. Beides gehört einfach zusammen.

Erfolgsfaktoren – Auf was man achten sollte

Im Rahmen einer Studie hat die Kooperationsmarketing-Agentur connecting brands sechs Erfolgsfaktoren für eine Markenkooperation ermittelt. Diese Faktoren dürften auch bei anderen Formen der Kooperation ausschlaggebend sein. Der wichtigste Faktor ist die Gewinnung eines geeigneten Partners. Deshalb sollte die Suche und Auswahl des Partners besonders sorgfältig und systematisch erfolgen. Neben einem kreativen Kooperationskonzept mit klaren Zielen und einer Vermarktung der Kooperation, ist eine ausgewogene Win-Win-Situation besonders wichtig: Denn eine Kooperation ist nur dann erfolgreich, wenn sie für beide Partner ein Erfolg ist! Schließlich sollte man das Management des Kooperations-Prozesses nicht unterschätzen und rechtzeitig den Erfolg messen.

Buch-Tipp

Kumpel & Komplizen
Warum die Natur auf Partnerschaft setzt

Volker Arzt

Spannend und leicht verständlich versteht es Volker Arzt, den Lesern Wissenschaft näher zu bringen. Die Fülle seiner Fallbeispiele reicht vom Pflanzenreich – Bäume und Blumen sind wahre Meister der Kooperation – bis zu vielen erstaunlichen Beispielen aus der Tierwelt. Von Schimpansen, die fremde Artgenossen retten, über Elefanten, die am gleichen Strang ziehen, bis hin zu Buckelwalen, die Robben in Not helfen. Das Erfolgsgeheimnis für dieses Miteinander liegt in der stabilen Balance von Geben und Nehmen. Das Prinzip der Gegenseitigkeit – wie du mir, so ich dir – ist der einfache, aber effiziente Schlüssel.

C. Bertelsmann Verlag
ISBN-13: 978-3570103388
Preis: 25 Euro, 368 Seiten

QC58L02

Das Titelbild zeigt eine Flechte und Flechten sind eine einzigartige Kooperation von Pilzen und Algen.

Bildnachweis: Titelbild depositphotos.com | gelmold