Der Kampf um unseren Planeten wird in Städten gewonnen oder verloren werden. Städte sind für drei Viertel des weltweiten CO2-Ausstoßes verantwortlich. Nur wenn es die Städte schaffen, die Treibhausgase zu vermindern, wird das Erreichen der Klimaziele wahrscheinlicher. Von Claudia Schwarzmaier

Derzeit leben 4,2 Milliarden Menschen in Städten, in 30 Jahren werden es 6,7 Milliarden sein. Wenn die Städte lebenswert bleiben wollen, müssen sie sich neu erfinden. Es muss den Städten gelingen, an vielen „Stellschrauben“ zu drehen, um sich einerseits den nicht mehr abwendbaren Folgen des Klimawandels anzupassen und andererseits massiv etwas gegen diesen Klimawandel zu tun. Hoffnungsvoll stimmt das Ergebnis einer neuen Studie der Koalition für Urbanen Wandel (CUT). An der Studie haben mehr als 50 Organisationen, darunter das Weltressourceninstitut (WIR) und das C40 Städtenetzwerk, mitgearbeitet.
Nach Ansicht von Sarah Colenbrander, Hauptautorin der CUT-Studie „…ist es durchaus möglich, mit bewährten Technologien und Praktiken die Emissionen aus städtischen Gebieten bis 2050 um 90 Prozent zu senken, allein mit den Technologien und Praktiken, die wir bereits haben.“

Positive Beispiele

Und es gibt sie, die positiven Beispiele von Städten, die nicht nur den Klimanotstand ausrufen, sondern schon konkrete Maßnahmen planen beziehungsweise umsetzen. Auch aus ganz pragmatischen Gründen, denn es geht um mehr saubere Luft, weniger Verkehr, gesündere Bewohner, aber auch um mehr Unabhängigkeit in der Energieversorgung und mehr Gestaltungsfreiheit. Ganz vorne mit dabei ist Kopenhagen. Die Stadt will die erste klimaneutrale Hauptstadt der Welt werden und das bereits im Jahr 2025. Seit mehr als zehn Jahren arbeitet man nun schon daran, die Stadt grüner und CO2-neutral zu machen. Ein Großteil der Energie für die Stadt kommt jetzt schon von Windkraftanlagen. Das Ziel ist aber, noch mehr Energie zu sparen. So sollen alle Häuser 20 Prozent weniger Energie verbrauchen oder noch besser, mit intelligenten Fassaden, die aus Solarpaneelen bestehen, ihren eigenen Strom erzeugen. Der öffentliche Nahverkehr ist bereits vorbildlich und für den Radverkehr werden weitere Brücken und Schnellwege gebaut, während die Autos aus der Innenstadt verbannt werden sollen. Helsinki will dieses Ziel zwar erst im Jahr 2035 erreichen, aber auch hier hat man schon konkrete Vorstellungen. Da mehr als 50 Prozent der Emissionen durch das Heizen entstehen, setzt man auf den intensiven Einsatz von Wärmepumpen. Ein wichtiger Faktor ist dabei das Meerwasser aus dem Hafen, denn aus der geringen Temperatur des Wassers macht die Wärmepumpe mit einem Teil Strom etwa vier Teile Wärme. Paris wiederum hat nicht nur den Autos den Kampf angesagt, sondern setzt auch auf eine „grüne Welle“ mit begrünten Dächern und Fassaden. Wien setzt auf „kluge Häuser“: Im neuen Stadtteil Seestadt Aspergen will man erproben, wie man Gebäude nicht nur energiearm baut und betreibt, sondern auch, wie die Gebäude selbst Energie erzeugen und diese effizient verwalten können. Aber auch viele deutsche Städte schnüren ihre Klimapakete. Als erste deutsche Großstadt hat Heidelberg bereits 1992 ein kommunales Klimaschutzkonzept verabschiedet und trotz Wachstum sinken die CO2-Emissionen kontinuierlich. Der aktuelle Klimaschutz-Aktionsplan betrifft alle Lebensbereiche, von Bauen und Wohnen, Ernährung und Konsum über die naturnahe Stadtgestaltung bis hin zur Mobilität. Hamburg will mit mehr als 400 Maßnahmen den CO2-Ausstoß drastisch senken, unter anderem durch die massive Förderung des öffentlichen Nahverkehrs und von kohlefreier Fernwärme. Die Liste ließe sich beliebig verlängern, denn rund 400 Städte weltweit wollen bis spätestens 2050 klimaneutral sein.

Vernetzen und Verbinden

Weltweit vernetzt sind jetzt schon mehr als 9.000 Städte und Gemeinden, die insgesamt 800 Millionen Menschen repräsentieren. Der „Globale Konvent der Bürgermeister für Klima und Energie“ („Global Covenant of Mayors for Climate & Energy“ – GCOM) ist die größte „Selbstverpflichtung zum Klimaschutz“ von Städten. Die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister verpflichten sich freiwillig dazu, die Klima- und Energieziele ihres eigenen Staates zu übertreffen. Die nachhaltige Zukunft der deutschen Städte fördert das Bundesministerium für Bildung und Forschung mit dem Wettbewerb „Zukunftsstadt“ und ausgewählten Städten als Reallaboren.  Interessant ist auch ein Ergebnis des Projekts „Urbane Energiewende“ der Deutschen Energie Agentur. Danach werden die Städte dann erfolgreich sein, wenn es ihnen gelingt, die Sektoren Strom, Wärme und Verkehr zu verbinden. Allerdings können es sich die Städte nicht leisten, Zeit zu verlieren. Denn Stadtentwicklungspläne für Transport, Infrastruktur, Energieversorgung und Gebäudeverwaltung, die heute angegangen werden, wirken noch Jahrzehnte nach.

Machbar -Urbane Energiewende
Gemeinsam mit vielen Partnern wie Stadtwerken, Energieversorgern, Technologieanbietern und Wohnungsbaugesellschaften hat die Deutsche Energie Agentur (dena) im Projekt Urbane Energiewende einen strategischen und politischen Orientierungsrahmen für die urbane Energiewende in Deutschland entwickelt. Wichtig: Man muss die Stadt als Ganzes betrachten. Der städtische Raum ist ein komplexer Organismus, viele Faktoren wie Energiesysteme, Gebäude, Verkehr und Emissionen spielen zusammen. Ein Ergebnis des Projektes: Die Stadt der Zukunft ist eine vernetzte Stadt, damit ist sowohl die Vernetzung der Akteure als auch die technologische Vernetzung durch Digitalisierung gemeint. Der Abschlussbericht findet sich hier: www.dena.de/UrbWEW_Abschlussbericht_Gesamtversion.pdf

Innovativ: Zukunftsstadt
Wie lässt sich nachhaltige Stadtentwicklung mit Ideen und Lösungen von Bürgerinnen und Bürgern praktisch gestalten? Darum geht es bei den Reallaboren der acht Gewinnerstädte des Wettbewerbs Zukunftsstadt des Bundesministeriums für Bildung und Forschung. Die Gewinnerstädte sind Bocholt, Dresden, Friedrichsstadt, Gelsenkirchen, Loitz, Lüneburg und Ulm. Sie alle punkten mit guten Ideen. Ein wichtiges Ziel des Ministeriums: Wissenschaft, Verwaltung und Bevölkerung zusammen zu bringen. Mehr Infos unter:

www.innovationsplattform-zukunftsstadt.de

www.nachhaltige-zukunftsstadt.de/

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