Wie die Körperhaltung das Denken beeinflusst. Von Thomas Frankenbach

Wie gut ist es um Ihre Konzentrationsfähigkeit bestellt? Wie reagieren Sie, wenn Stress und Belastung zunehmen? Lassen Sie sich leicht entmutigen? Oder gehören Sie zu jenen Menschen, die bei Herausforderungen besonnen und zuversichtlich reagieren?
Unsere innere Haltung, unsere Stimmung und unser geistiges Leistungsvermögen werden zu einem großen Teil dadurch beeinflusst, wie wir uns bewegen und welche Körperhaltung wir einnehmen. Doch wie ist das zu erklären? Und worauf können wir achten, damit wir den Alltag leichter meistern und konstruktiver, souveräner und kraftvoller handeln können?
Oft beschäftigen wir uns damit, wie wir durch unser Denken unsere Stimmung und unser Leistungsvermögen beeinflussen können. Doch es geht auch anders herum: Denn durch die Körperhaltung, die wir einnehmen, können wir auch unsere Psyche beeinflussen. Die Verbindung zwischen unseren Gedanken, unseren Gefühlen und der Art, wie wir uns bewegen, ist so eng, dass wir allein schon durch eine einzige Körperhaltung oder einen einzigen Gesichtsausdruck ganz gezielt bestimmte Empfindungen und Qualitäten in uns hervorrufen können.

Schwermut, Zuversicht und Körperhaltung

Menschen, die an einer Depression leiden, neigen oftmals dazu, sich zusammengesunkener und langsamer zu bewegen, als psychisch Gesunde. Die beim Gehen typischen Auf- und Ab- Bewegungen sind bei ihnen geringer, sie zeigen weniger Schwungbewegungen mit den Armen, und sie neigen öfter dazu, mit dem Körper nach rechts und links zu schwanken.
Bereits in den 1920er Jahren hatten Forscher erkannt, dass auch die Psyche durch bestimmte Körperbewegungen beeinflussbar ist. Wie stark unser Bewegungsverhalten sogar unsere Wahrnehmungsfähigkeit beeinflusst, belegten Wissenschaftler schließlich in den 2.000er Jahren: Sie baten Testpersonen, entweder auf fröhlich-bewegte Weise oder depressiv, mit herabhängenden Schultern, zu gehen. Dann zeigten sie ihnen 20 positive und 20 negative Eigenschaftswörter. Eine Viertelstunde später machten sie mit ihren Probanden einen Gedächtnistest. Das Ergebnis war deutlich: Die, die fröhlich umhergegangen waren, erinnerten sich an weit mehr positive Wörter als die, die sich eher depressiv bewegt hatten.

Depression durch entsprechende Körperhaltung

Die Körperhaltung, die wir einnehmen, kann aufgrund des wechselseitigen Einflusses von Körper und Psyche eine massive Wirkung entfalten. Lange nahm man an, dass depressive Menschen ihre oftmals charakteristische, niedergedrückte Körperhaltung aufgrund ihrer niedergedrückten Stimmung haben. Nun wissen wir jedoch, dass es auch die niedergedrückte Körperhaltung von Menschen ist, die der Schwermut Vorschub leistet: Forscher der Universität Witten-Herdecke konnten nachweisen, dass aufrechtes Sitzen depressive Probleme lindert und zudem unsere Gedächtnisleistung fördert.

Mimik macht Stimmung

Andere Forscher gingen der Frage nach, inwieweit unterschiedliche Arten der Anspannung der Gesichtsmuskeln das Empfinden beeinflussen. Dazu wurden drei Versuchsgruppen gebildet: Gruppe eins hatte die Aufgabe, einen Stift mit der Hand zu halten. Gruppe zwei sollte den Stift mit den Lippen halten, was einen Schmollmund hervorruft, und die dritte Gruppe sollte den Stift zwischen die Zähne klemmen, was muskulär zu einem Lach-Gesicht führte. Die Gruppen sollten sich nun Cartoons anschauen und in einer Skala angeben, wie lustig sie die Cartoons fanden. Das Ergebnis war beachtlich: Diejenigen, die beim Test ein Lachgesicht machten, fanden die Cartoons wesentlich lustiger als die, die ihre Aufgabe mit Schmollmund machten. Dieser Versuch hat den Begriff des Facial Feedback, des Gesichts-Feedbacks geprägt.

Die Macht der Muskeln auf die innere Haltung

Doch woran liegt es, dass die Muskeln so wirkungsvoll unsere innere Haltung beeinflussen? Die Erklärung steckt in der innigen Verbindung der körperlichen und der psychischen Reizverarbeitung. Denn depressives Denken wirkt in verschiedenen Systemen des Gehirns – dem sprachlichen Informationszentrum, dem Speicher für Bildeindrücke und den Verbindungen zwischen Körperzuständen und Emotionen. Selbst wenn wir nur einen Teil dieses Systems aktivieren, werden dadurch auch die anderen zuständigen Bereiche mit aktiviert. Deshalb lässt sich auch das Thema Depression aus unterschiedlichen Richtungen anpacken und verändern. Bringt man also jemanden in eine negative Stimmung, wird er sich dadurch auch anders bewegen. Umgekehrt bewirkt ein geändertes Bewegungsverhalten so auch eine Veränderung der Stimmung.
Selbstvertrauen, innere Stärke, Klarheit, Zuversicht und Lebensfreude sind Gesundheits- und Erfolgsfaktoren, die wir buchstäblich mit dem eigenen Leib bewirken können.
Es ist eine weit verbreitete Überzeugung, dass Selbstvertrauen, innere Stärke und Lebensfreude etwas seien, das man entweder in den Genen hat oder nicht. Einfach nur die Haltung und die Bewegungen zu ändern, meinen manche, sei lediglich der Versuch, etwas vorzutäuschen, was nicht wirklich da ist. Doch das stimmt so nicht. Denn aufgrund der bewiesenen Wechselwirkung von Geist und Körper kann man tatsächlich durch verändertes Auftreten nicht nur selbst augenblicklich echtes Selbstvertrauen empfinden, sondern es auch anderen Menschen vermitteln und es manchmal sogar auf sie übertragen.

Übungen


Innere und äußere Haltung praktisch trainieren
Übung 1:
Hängen lassen
Nehmen Sie die Körperhaltung eines vollkommen niedergedrückten Menschen an: Ziehen Sie die Schultern ein. Lassen Sie Kopf und Gesichtszüge hängen. Probieren Sie, ohne diese Position zu verlassen, sich von ganzem Herzen zu freuen. Nur zu! Strengen Sie sich an. Merken Sie, dass es fast unmöglich ist?

Übung 2:
In die Freude finden
Und nun anders herum: Bringen Sie mit dem ganzen Körper freudige Erregung zum Ausdruck! Jubeln Sie, als wären gerade Ihre größten Wünsche in Erfüllung gegangen. Strahlen Sie über das ganze Gesicht. Triumphieren Sie mit den Armen. Machen Sie genauso weiter und versuchen Sie, gleichzeitig tiefe Traurigkeit zu empfinden. Können Sie merken, dass auch dies unmöglich ist?

Übung 3:
Macht und Stärke
Wenn Sie Selbstsicherheit, Durchsetzungsvermögen und Anspruch auf Respekt verkörpern wollen, stellen Sie sich selbst als einen General vor. Nehmen Sie einen sicheren Stand ein, straffen Sie Brust und Schultern, halten Sie sich kerzengerade und verschränken die Arme siegessicher auf dem Rücken. Bleiben Sie nun in genau dieser Haltung und lassen Sie diesen Körperzustand mental auf sich wirken.

Der Autor
Thomas Frankenbach
(geboren 1973) ist Karatemeister, Experte für Körperwahrnehmung und Körpersprache. Nach der Ausbildung zum staatlich examinierten Krankenpfleger studierte er psychosoziale, komplementäre und integrative Gesundheitswissenschaften sowie Ernährungs­wissenschaft. Anschließend ließ er sich in Psychotherapie, Körper­psychotherapie und Stress-bewältigung ausbilden. Er entwickelte die Somatische Intelligenz (SI)-Methode und das Neurokinetische Kommunikationssystem (NK). Er ist Mitbegründer des Instituts für Embodiment und wissenschaftlicher Beirat der Gesellschaft für Gehirntraining e.V. Erlangen.
„Meine Aufgabe ist es, Menschen zu helfen, ihr Potential zu nutzen“, lautet seine Mission. In zahlreichen Büchern hat Thomas Frankenbach sein Wissen einem breiten Publikum zugänglich gemacht.

kontakt@thomas-­frankenbach.de   

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Bildnachweis: Titelbid, depositphotos.com | mike_kiev; Foto Thomas Frankenbach – Swantje Dankert

Ein Interview mit Thomas Frankenbach finden Sie

hier: Somatische Intelligenz