Junge Flüchtlinge sehnen sich danach, mit gleichaltrigen Einheimischen in Kontakt zu kommen und sich körperlich zu beweisen. Die Aktion „Fremdsprache Fußball – Spieler coachen Spieler“ zeigt die integrative Kraft, die dem gemeinsamen Fußballspiel innewohnt. Von Andrea Tichy
„Es war das schönste Wochenende, das die jungen Flüchtlinge bislang in Deutschland erlebt haben“, wertet Karl Ott rückblickend die Aktion „Fremdsprache Fußball – Spieler coachen Spieler“, die fremdenfreundliche Fußball-Begeisterte in Südost-Bayern Anfang Juli organisierten. Karl Ott ist Lehrer an der Berufsschule Berchtesgadener Land und mit der Situation junger Immigranten bestens vertraut. Als Fachbetreuer im Berufsintegrationsjahr (BIJ) unterrichtet er Jugendliche aus Ländern wie Afghanistan, Syrien, Mali, Eritrea oder Äthiopien und beobachtet, dass die jungen Flüchtlinge normalerweise vor allem Kontakt zu professionellen, meist älteren Helfern haben, „sich aber immer wünschen, mit gleichaltrigen Einheimischen zusammen zu sein.“ Um das möglich zu machen, nutzten Karl Ott und sein Lehrer-Kollege Thomas Mooser Fußball als Vehikel.
„Flüchtlinge sind fußballbegeistert“, weiß Thomas Mooser durch seine Sportstunden mit Immigranten aus Erfahrung. Als diplomierter Sportwissenschaftler und Fußballtrainer mit DFB-A-Lizenz kümmert er sich als Jugendkoordinator der JFG Salzachtal um die Nachwuchsmannschaften des SV Kirchanschöring, des TSV Fridolfing und des TSV Tittmoning und die dort gemachten Erfahrungen brachten ihn auf die Idee, ein Fußball-Turnier für Einheimische und Flüchtlinge zu organisieren.
Spieler coachen Spieler
Was im ersten Moment so einfach klingt, erforderte kenntnisreiche Vorbereitung. Weil junge Flüchtlinge so gut wie keine Vereins-Erfahrung haben und es gewohnt sind, mit einem Ball einfach drauflos zu spielen, fand vor dem eigentlichen Turnier ein Vorbereitungstraining auf dem Sportplatz der Berufsschule in Freilassing statt.
Zusammen mit erfahrenen Spielern der A-Jugend entwickelte Thomas Mooser sechs Stationen, bei denen die jungen Spieler Grund-Techniken des Vereins-Spiels üben konnten. Jeweils zehn Minuten verbrachten sie in der „Ball-Schule“, machten Torschuss- und Passübungen, übten Kopfball, das 1:1-Spiel und Dribbeln. Zu Beginn waren sie mit Trikots und Fußball-Schuhen ausgerüstet worden (an denen sie sich zwecks Wertschätzung mit jeweils 10 Euro beteiligten.)
Damit sich die Spieler per Namen anreden konnten, hatten sie im Vorfeld „Spielerprofile“ ausgefüllt mit einem Foto und Angaben zu Herkunft, Muttersprache, Berufsziel, was ihnen an Deutschland besonders gefällt und missfällt. Zusätzlich hatten die jungen Flüchtlinge in der Berufsschule Informationen zu dem ihnen fremden Austragungsort Tittmoning erhalten.
Der große Tag: fünf Mannschaften und 20 Spiele
Am Tag des Turniers machten sich 65 junge Asylbewerber mit Bus und Bahn auf den Weg zum Sportgelände in Tittmoning, das von der JFG Salzachtal zuvor sorgfältig präpariert worden war. Darunter auch eine Gruppe von minderjährigen Flüchtlingen zwischen 12 und 17 Jahren, die ohne Begleitung nach Deutschland gekommen waren und nun im Caritaszentrum in Bischofswiesen leben. Insgesamt 20 Spiele à 20 Minuten standen für die fünf gemischten Mannschaften auf dem Programm.
Die Spiele hatten für alle Beteiligten Überraschendes zu bieten. So zeigten sich die jungen Flüchtlinge in ihrem Spiel spontan und kreativ. „Es war interessant zuzuschauen“, freut sich der fußballerfahrene Thomas Mooser. Der unterschiedliche Stil, Fußball zu spielen, fühlte sich für einheimische sowie ausländische Spieler „wie eine Fremdsprache“ an. Doch auf Basis der allen bekannten Fußballregeln konnten die Beteiligten „dem Unbekannten mehr Vertrauen entgegenbringen“, so Mooser. Insgesamt lernte Thomas Mooser die mitspielenden Asylbewerber als „aufmerksam und zuvorkommend“ kennen.
Groß war der Jubel, als die Mannschaft der Klasse BIJ-A (gecoacht von Berufsschullehrer Thomas Linke und dem Senegalesen Pape Fall) ihren Siegerpokal entgegennahm.
Die Freude am Helfen
Die sich dem Turnier anschließende Feier bot allen Beteiligten die Gelegenheit, die durch den Fußball angestoßenen Kontakte zu vertiefen. Auf dem Grill brutzelte interkulturell akzeptiertes Fleisch wie Pute oder Kalbs-Würste, auf das in Bayern beliebte Schweinefleisch wurde in Rücksichtnahme auf die ausländischen Gäste verzichtet. Salate – von den Eltern der B-Jugendspieler zubereitet – bereicherten das Buffet. Obwohl der Zeitpunkt des Spiels in den Ramadan fiel, pausierten die meisten Spieler muslimischen Glaubens an diesem Tag mit dem Fasten.
Auf seine Motivation angesprochen, derart Herausforderndes auf die Beine zu stellen, antwortet Thomas Mooser schlicht: „Es macht mir Freude“. Der 33-jährige Oberbayer möchte vorleben, Verantwortung zu übernehmen. Bleibt seiner Initiative zu wünschen, dass sich auch andere Fußball-Vereine von seinem Enthusiasmus für Integration anstecken lassen.
Anstoß zum Aufgreifen
Fußballvereine, die sich für die Integration junger Flüchtlinge engagieren möchten, können sich vom Fußball-Experten Thomas Mooser coachen lassen. Der studierte Fußball-Experte ist gerne bereit, sein organisatorisches Know-How mit anderen zu teilen.
Kontakt: Tom.Mooser@googlemail.com
Fotos: Thomas Mooser
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