Das bedächtige Kauen des trockenen Dinkelbrötchens bei seiner F. X. Mayr-Kur erinnert unseren Autor Roland Tichy an die versunken geglaubte Welt von Schwarzweiß-Filmen. Auf Teneriffa hat er sie wieder entdeckt.

Es sind Schwarzweiß-Filme, italienische oder französische Regisseure habe sie gedreht, da sieht man die Fischer auf Stromboli, die Bauern auf Kreta, die Holzfäller in den Alpen: Schmale, kantige, sehnige Männer, wie sie magere Brotzeitbeutel öffnen. Wenige Stücke Käse, Oliven, trockenes Brot in Streifen schneiden. Und langsam essen, sorgfältig, andachtsvoll; es ist der Genuss, der von der Kargheit genährt wird, nicht zu vergleichen mit einem Frühstückstisch heute: Viele Sorten Wurst, Käse, Eier, Salate, Brot und Brötchen, Aufstriche, Fisch in allen Darreichungsformen jenseits des Wassers. Aber der Genuss? Ist er derselbe? Erzeugt noch eine Scheibe feinstgeschnittener Parma jenes Glück, das ein Stück trockener Ziegenkäse erzeugen kann, wenn der Koch des Hauses auf den Namen Hunger hört? Diese Filme spulen sich immer wieder in meinem Kopf ab, wenn ich eine F. X. Mayr-Diät im Hotel Océano auf Teneriffa mache. Es beginnt mit einem trockenen Dinkelbrötchen. Es ist von gestern oder von vorgestern. Knusprig jedenfalls ist es nicht, sondern trocken. Stück für Stück lautet die Vorschrift: 50 mal kauen. Anfangs klingt es wie eine dieser Diätpläne frisch aus der Frauenratgeberzeitschrift. Wenn es nicht so trocken wäre. Mühsam. Kauen. Kein Schluck da, trinken, um es schnell hinunterzuspülen, ist nicht erlaubt. Es wäre ja auch zu einfach, weg damit wie in einen körpereigenen Müllschlucker.

Essen ist Andacht
Aber erstaunlich: Es geht. Entfaltet Aroma. Ein Löffel Ziegenjoghurt dazu. Ein Genuss. Einige karge Tage später: Ziegenkäse, Quark, Putenbrust, Lachs. Filmisch gesehen beginnen jetzt die 1970er Jahre: Good Times Are Rolling. Wenn es nur nicht so wenig wäre. Karg, wie draußen die karge, splitterscharfe Lavalandschaft Teneriffas. Dazu der dauernde frische Wind, die ständig tosenden Wogen mit ihrer Gischt, Salzluft pur, die das Atmen so frei macht, es ist ein Gesundklima wie auf Sylt, nur mit ohne Winter. Und immer dreimal am Tag das Dinkelbrötchen, trocken, auch splittrig beim Abbeißen. Aber es geht nicht um das Brötchen, daran wird weder die Welt noch mein Inneres genesen. Es geht um ein Verhaltenstraining. Essen ist Andacht. Ich bin kein Müllschlucker, sondern lerne genießen.
Karl-Matthias Rolle, der als 50-jähriger so jugendlich wie sein eigenes Reklamebild aussieht und den Familienbetrieb in der dritten Generation leitet, hat dafür seine Karriere als Schulmediziner abgebrochen. Erst neuerdings, sagt er, wendet sich die Schulmedizin dem Darm zu, erkennt seine viefältigen Funktionen wie die Bildung körpereigener Abwehrkräfte. Der Darm ist nicht nur Resteverwerter, sondern ein zentrales Organ. Der Kurerfinder F. X. Mayr hat das schon vor 100 Jahren deutlich drastischer gesagt: »Im Darm wohnt der Tod.« Also sind Ernährung, Massagen und Anwendungen darauf ausgerichtet, den sonst vernachlässigten Gesellen zu schönen, sanieren und zu trainieren. Es heißt besser essen und weniger. Hunger? Gibt es nicht, trotz Pool und Sauna und Massagen, trotz stundenlanger Bergwanderungen, alpiner Höhenunterschiede: Der Weg in die Kargheit des Anagagebirges mit seinen Lorbeerwäldern und phantastischen Felsbrüchen, Märchenhöhlen und 1000 Meter tief abfallenden Klippen oder nebelverhangenen Bergspitzen beginnt hinter dem Hotel.

Es wandert sich leicht mit fünf Kilo weniger
So beschwerlich die Aufstiege vom Hafen ins Gebirge sind – es geht sich leicht, fünf Kilo in fünf Tagen, viel beschwingter, mit einem Dinkelbrötchen zum Frühstück hinter und einem Knäckebrot zum Abendessen vor sich. So wie ich wieder gehen lerne, lerne ich wieder essen und langsam kommt der Genuss zurück, let the good Times roll. Ein Stück Fisch, Geflügel, Gemüse, perfekt und liebevoll zubereitet, aber in der Menge eine Vorspeise. Qualität ist nicht Fett und schon gar nicht Menge. Und es reicht trotz sportlicher Tage im Pool und bei tollkühneren Kraxeleien. Sich auf das Essen konzentrieren, nicht zum Allesfresser werden bedeutet: Die Rückkehr des Schmeckens und dieses hässliche Bierfass vorne schrumpft. Sichtbar. Messbar. Die Kragenweite verliert zwei Nummern, die guten alten Hemden sind wieder erreichbar. Nach zehn Tagen ist der Gürtel auf dem ersten Loch.
Der Darm, das wusste der alte Kurarzt Mayr, ist der Ort, in dem das Leben aber auch die Krankheit wohnt. Wir haben die Wahl. Antibiotika retten Leben, der Darm zahlt den Preis. Er erholt sich. Ohne das Gewicht vorne streckt sich der Körper. Mit Mitte 50 noch um einen halben Zentimeter zu wachsen, das ist nicht viel aber viel mehr als das prophezeite Schrumpfen im Alter erwarten lässt. Und wer die Kur hinter sich bringt, kann sich selbst belohnen, bei den Pescadores. Spät nachts wird noch der frischeste der frischen Fische angelandet. F. X. Mayr erlaubt ihn, zum Ende der Kur. Denn es gibt für den Alltag in der Welt jenseits des Hotels keine Diätvorschriften, die dann doch  scheitern. Es gibt nur eine Vorschrift: kauen, kauen, kauen. So langsam wie die Fischer und Bauern in den Schwarzweiß-Filmen von Rossellini, Visconti und Fellini.

 

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Das Océano auf Teneriffa

Vor fast 50 Jahren entdeckten Karl und Kaethe Rolle „ihren“ Platz auf Teneriffa: einen fast unberührten Strand mit Blick nach Westen und auf den Vulkan Teide. Nach herausfordernden zehn Jahren Bauzeit konnten die Münchner Unternehmer ihr Hotel endlich eröffnen. Heute wird die Gesundheitsabteilung des Océanos in dritter Generation von dem Arzt K. Matthias Rolle geleitet. Die Säulen des Gesundheitsangebotes bilden die Entgiftung in Form von Detox nach F. X. Mayr und die Kraft des Ozeans in Form der Thalassotherapie.

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