Durch das Aktivieren des vorderen Vagus-Nervs lassen sich Blockaden lösen, so dass Psyche und Körper wieder zum Gleichgewicht finden können.

Der Vagus ist der größte und wichtigste Nerv in unserem Körper. Er transportiert Informationen vom und zum Gehirn, Darm, Herzen und stellt die Verbindung zu anderen wichtigen Organen und Muskeln dar. Dementsprechend kann der Vagus-Nerv viele Körperfunktionen beeinflussen, von der Herzfrequenz über das Sättigungsgefühl bis hin zur Blasenfunktion. In seiner mehr als 30jährigen Erfahrung als Körpertherapeut hat der Autor Stanley Rosenberg erkannt, dass der Vagus-Nerv die Hauptrolle für unsere körperliche und seelische Gesundheit spielt.

Die Zwei Äste des Vagus-Nervs

Lange Zeit ging man davon aus, dass Anspannung und Entspannung von Teilen des vegetativen Nervensystems gesteuert werden, die man Sympathikus und Parasympathikus nennt. In seinem Buch „Der Selbstheilungsnerv“ beschreibt Rosenberg ein radikal anderes Modell des autonomen Nervensystems. Sein Stress-Konzept ist dem älteren Modell zwar ähnlich, doch formuliert es drei Bereiche des autonomen Nervensystems: den vorderen Vagus-Ast, das sympathische Nervensystem (den Sympathikus) und den hinteren Vagus-Ast. Der hintere und der vordere Ast des Vagus entspringen jeweils an unterschiedlichen Orten im Gehirn und im Hirnstamm. Sie ziehen auf ungleichen Bahnen durch den Körper und haben auch sehr verschiedene Aufgaben. Die beiden Äste sind für unterschiedliche physiologische Zustände verantwortlich, beeinflussen die einzelnen inneren Organe auf unterschiedliche Weise, fördern unterschiedliche emotionale Reaktionen und begünstigen unterschiedliche Verhaltensweisen. Im Gegensatz zum sympathischen Nervensystem, das zu extremer körperlicher Leistung befähigt, um ein Kampf- oder Fluchtverhalten zu erleichtern, können die beiden Vagus-Äste eine Immobilisierung, eine Ruhestellung bewirken. Doch diese ist bei den zwei Ästen sehr unterschiedlich: Der hintere Vagus-Ast löst eine Verteidigungs-Strategie aus, die neben Kampf oder Flucht für Säugetiere eine dritte Option fürs Überleben darstellt: das Tot-Stellen. Es ist eine Verteidigungs-Strategie, die zu einem physiologischen Schockzustand oder Abschalten führt und uns helfen soll, traumatische Ereignisse, eine extreme Gefahr oder eine drohende Vernichtung durch plötzliches Kollabieren und Abschalten abzuwenden. Aufzugeben und sich totzustellen kann lebensrettend sein. Wenn wir uns nicht bewegen, können wir es vermeiden, die Aufmerksamkeit eines Angreifers auf uns zu ziehen.

Den vorderen Vagus-Nerv aktivieren

Ein dauerhaftes Verharren in einem Zustand, in dem der hintere Vagus-Ast aktiviert ist, geht jedoch auf Kosten von Klarheit, Produktivität und Lebensfreude. Depressionen zum Beispiel können durch die Aktivierung des hinteren Vagus ausgelöst sein. Menschen mit Depressionen haben einen niedrigen Energiepegel und sie werden inaktiv, introvertiert, apathisch und ungesellig. Von der chronischen Aktivierung des hinteren Vagus –Schaltkreises geht eine Gefahr für unsere Gesundheit aus. Eine wirkungsvolle Methode gegen die chronische Aktivierung des hinteren Vagus-Nervs ist die Stimulierung des vorderen Vagus-Nervs. Dieser lässt sich durch unterschiedliche Maßnahmen aktivieren, beispielsweise durch körperliche Übungen, wie sie Stanley Rosenberg in seinem Buch beschreibt oder durch einfache Aktionen, wie sie Navaz Habib beschreibt und die sich im Alltag einfach einbauen lassen (siehe auch Kasten). Ein aktivierter Vagus-Nerv sorgt für Entspannung, Regeneration und Auftanken. Er stärkt unser soziales Kommunikationssystem, die Zugewandtheit zu anderen Menschen und das Gefühl von Sicherheit und Geborgenheit. Ist die Funktion des vorderen Vagus-Astes jedoch gestört, kann sich der Körper nicht mehr erholen, er bleibt gefangen in der Überreizung und zahlreiche Krankheiten sind die Folge. Von der Verspannung bis zur Migräne, von Reizbarkeit bis hin zu Stress in zwischenmenschlichen Beziehungen. „In der Ruhe liegt die Kraft“ – diese scheinbar banale Redensart bestätigt sich durch das Konzept des Selbstheilungsnervs. Den eigenen Körper zu spüren und geerdet zu bleiben, hilft uns, einen Zustand beizubehalten, in dem der vordere Vagus-Ast aktiviert ist.

Aktivierungs-Übungen für den Alltag

Der Selbstheilungsnerv lässt sich durch diese Aktionen wirkungsvoll aktivieren.

Tiefes atmen (3 x täglich):
Die erste und wirksamste Möglichkeit, den Vagusnerv positiv zu beeinflussen, besteht darin, richtig atmen zu lernen. Eine langsame, tiefe Bauchatmung aktiviert den vorderen Vagus. Tiefes Atmen hilft, zur Ruhe zu kommen und verbessert zudem – vor jeder Mahlzeit durchgeführt – die Verdauung.

Kalt duschen (1 x täglich):
Stellen Sie am Ende des täglichen Duschens das Wasser so kalt wie möglich ein und lassen Sie das Wasser über den Kopf und Nacken laufen. Bringen Sie dabei die Atmung unter Kontrolle und atmen Sie tief über den Bauch eine Minute lang, mit der Zeit länger.

Gurgeln (2 x täglich):
Gurgeln heißt, einen Schluck Wasser im Rachen kräftig hin- und herzubewegen. Dafür müssen die drei Rachenmuskeln hinten im Rachen aktiviert werden. Fügt man dem Gurgel-Wasser gutes Salz hinzu, kann man auch eine antibakterielle Wirkung erzielen.

Summen (2x täglich):
Durch Summen oder Chanten (Singen von Mantras) lassen sich die Kehlkopfmuskeln aktivieren. Wenn wir tief aus der Kehle heraus summen, aktivieren wir diese Muskeln, bringen sie zum Schwingen und stimulieren den Vagus.

Würgreflex aktivieren (2 x täglich): Stimulieren Sie beim Zähneputzen morgens und abends den Würgereflex auf der linken und rechten Seite des weichen Gaumens mit Ihrer Zahnbürste. Dies stimuliert die Muskeln, die vom Vagusnerv innerviert werden.

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Buch-Tipps

Der Selbst­heilungsnerv
Stanley Rosenberg

So bringt der Vagus-Nerv Psyche und Körper ins Gleichgewicht

Verlag: VAK
ISBN 978-3867312110
328 Seiten, 22 Euro

Aktivieren Sie Ihren Vagusnerv
Navaz Habib

So stärken Sie Ihren Selbstheilungsnerv bei Darmproblemen, Entzündungen, Autoimmunerkrankungen, Ängsten, Depression und innerer Unruhe

Verlag: VAK
ISBN 978-3867312264
224 Seiten, 16,80 Euro

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