Man kann keinen Abfall vermeiden, sondern nur Konsum – der Abfall ist ja nicht die Ursache des Abfalles – mit dieser These des Abfall-Wissenschaftler Dr. Grooterhorst wird klar: wir brauchen einen grundsätzlichen Bewusstseins-Wandel, der beim richtigen Umgang mit Materie ansetzt. 

Abfall und Bewusstsein

In Anlehnung an den Kulturphilosophen Jean Gebser zieht der Abfall- Wissenschaftler Dr. Alfons Grooterhorst einleuchtende Parallelen zwischen unserem Bewusstsein und unserem Umgang mit Abfall:

Gebser unterscheidet vier aufeinander folgende Bewusstseinsphasen, die bei der Entwicklung vom Kleinkind bis zum Erwachsenen durchlaufen werden genauso wie in der Menschheitsgeschichte.

Im archaischen Stadium, die in der Entwicklung dem Bewusstsein eines Menschen im ersten Entwicklungsstadium, der noch stark auf seine Körperfunktionen geworfen ist,  gleichzusetzen ist, entledigt man sich verbrauchte Materie, die es loszuwerden gilt, durch einfaches „fallen lassen“.

on einem ist.Menschheitsgeschichtlich passierte ähnliches im Mittelalter, wenn verbrauchte Materie wie Fäkalien einfach im Rinnsal oder im Burggraben landeten. Bis heute noch gibt es archaische Vertreter dieser Form des Müll-Ent-Sorgens, die ihre Spuren bis heute noch auf Autobahnrastplätzen hinterlassen.

Im magischen Stadium versuchen wir den Dreck verschwinden zu lassen – nach dem Motto: was ich nicht sehe (oder rieche), ist nicht mehr da. Dieser Umgang mit Unrat war auch in Deutschland bis in die 50 er Jahre in Deutschland noch verbreitet: Mülldeponien vor der Stadt waren möglichst so gelegen, dass der Wind die schlechten Gerüche nicht in die Stadt trägt. Auch das „Vergraben“ von Atommüll hat etwas von einem klein-kindlichen Bewusstsein, genauso wie die Illusion, der wir erliegen, wenn wir von uns ver- und gebrauchtes Verpackungsmaterial an der Supermarktkasse zurücklassen, so dass es physisch nie in unserer Welt auftaucht.

Im mythischen Stadium – in etwas dem Entwicklungsstadium von 7- 14 jährgen zu vergleichen gehen wir auf Konfrontation und starten wir den Kampf gegen die von uns verbrauchte Materie. Bis Ende der 70 er Jahre war dabei noch in Deutschland die Müllverbrennung das Mittel der Wahl. Auch hier gibt man sich der Illusion hin, dass Materie verschwinden könne, obwohl sie nur ihren Aggregatzustand verändert und uns in Form von CO 2 wieder einholt.

Das rationale Bewusstsein lässt uns `fast erwachsen´ in größeren Zusammenhängen denken, mit Abfallgesetzen auf Landesebene, die Lösungen für die Bewirtschaftung von Abfall und dem Umgang mit Wertstoffen suchen. Wir sind zwar auf dem richtigen Weg, aber noch nicht am Ziel.

Abfall ist nicht Ursache des Abfalls

Die Abfallwirtschaft spielt ihre wichtige Rolle in der Kreislaufwirtschaft durch Verwertung und Beseitigung. Doch aus der Abfallwirtschaft als solcher heraus können keine Abfälle vermieden werden. Abfallwirtschaft an sich und für sich kann im strengen Sinne nicht nachhaltig sein.

Erst mit einem integralen Bewusstsein, das den Abfall vom Produkt her denkt – daher auch A – dukt – Wirtschaft, wird die Abfallwirtschaft nicht mehr isoliert betrachtet.

„Starke Nachhaltigkeit“ setzt am Produkt an, nicht erst am Abfall

Fangen wir als ´vorne´ an und betrachten den Durchsatz von Materie für menschliche Aktivitäten: .Die gesamte Materieentnahme durch alle Menschen auf der Erde beträgt zurzeit ca. 113 Milliarden Tonnen pro Jahr und steigt weiter an (Mineralien, organische Materie, Energieträger, Erze; genutzt und ungenutzt; ohne Wasserentnahme).“ (Durchschnittswert Werte von 2010 – bezogen auf ca 7, Milliarden Menschen, wobei das Gros auf Menschen in den Industriestaaten und den Schwellenländern fällt. In Deutschland liegt der durchschnittliche Materiedurchsatz pro Person und Jahr bei ca. 72 Tonnen, ca. 72 Tonnen pro Einwohner und Jahr“. Dieser mittlere Wert variiert sicherlich sehr stark zwischen den Menschen, je nach Lebensstil und Lebensstandard. in Eritrea bei einer Tonne pro Jahr.  Die Variationsbreite für Menschen aus Industrienationen schwankt zwischen 40 und 100 Tonnen pro Einwohner und Jahr. Deutschland liegt also eher im oberen Bereich. Für Entwicklungsländer liegt der Materiedurchsatz zwischen 1 und 5 Tonnen pro Einwohner und Jahr. In Industrienationen wird also das 10 bis 100fache an Materie durchgesetzt. Diese Werte veranschaulichen das Ungleichgewicht deutlich besser als monetäre Größen (wie Bruttosozialprodukt), da der Unterschied in Gewichtseinheiten eine für jeden Menschen unmittelbar, physisch erfahrbare Größe (Einheit) darstellt. 72 Tonnen entspricht etwa dem Gewicht von 72 Kleinwagen! Diese Gewichtseinheit muss die Erde „bringen“. Diese Menge erzeugt die beobachtbaren Schäden an der Erde (nicht Umweltschäden).Dabei wird schnell klar: wenn jeder Mensch den Materiedurchsatz eines durchschnittlichen Industrie-Staatlers hätte, wäre unser Planet schon längst kollabiert.

 

Quintessenz der Nachhaltigkeit – nach Grooterhorst

Diese „starke“ Nachhaltigkeit setzt damit doppelt an: 1. Im Bemühen, unserem Planeten insgesamt nur so viel Materien-Durchsatz zuzumuten, dass er nicht noch weiter geschädigt wird 2. Dabei als einzelnen, als Land, oder als Kontinent nicht mehr für sich beanspruchen, als allen anderen auch zustände. Im Sinne der goldenen Kant´schen Regel bedeutet das: „Handle nur nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, dass sie ein allgemeines Gesetz werde.“ bzw.  „Begehre und verbrauche dauerhaft nur so viel Materie, dass auch andere Menschen und Lebewesen jetzt und in Zukunft ihre materielle Existenz sichern können und die Erde als Ganzes für alle Lebewesen erhalten bleibt.“, so Grooterhorst.

Auf dieser neuen  Bewusstseinsebene tun wir noch viel mehr als rational Abfall zu bewirtschaften. Mit dieser  „doppelten Rückkopplung“ gelingt uns eine Transformation der Gesellschaft zu einem  neuen integralen Bewusstsein, das alleinig unseren Planet auf Dauer erhalten werden kann.