Bei der Strom- und Wärmeerzeugung aus regenerativen Energien mit Solaranlagen, Windkraftanlagen oder Heizkraftwerken beteiligen sich in allen deutschen Regionen immer mehr Bürger lokal an der Energie-wende. Dr. Jürgen Kern berichtet aus eigener Erfahrung.

Die Energiegewinnung ist eine zu wichtige Angelegenheit, um sie nur den überregionalen Großkonzernen zu überlassen. Nach Schätzungen sind diese in Deutschland auch nur mit etwa sieben Prozent an der Nutzung der erneuerbaren Energien beteiligt. Der mit Abstand größte Teil verteilt sich heute schon auf Stadtwerke, Kommunen und Bürger.
Als Bürger-Energieanlagen werden dabei Anlagen zur Nutzung regenerativer
Energien bezeichnet, die Bürger gemeinschaftlich planen, betreiben und/oder finanzieren. Die Bürger können so zum Beispiel von der gesetzlich gesicherten Einspeisevergütung für Anlagen zur Nutzung erneuerbarer Energien profitieren oder preiswert und umweltgerecht heizen.
Bürger-Energieanlagen sind in dreifacher Hinsicht regional verwurzelt:
• Die Bürger, die sich beteiligen stammen aus der Region.
• Die Betreibergesellschaft hat ihren Sitz in der Region.
• Die Bürger-Energieanlage wird in der Region errichtet.
Als Rechtsform für die Bürger-Energieanlagen sind besonders drei Möglichkeiten geeignet: die Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR), die Mischform aus der Gesellschaft mit beschränkter Haftung und der Kommanditgesellschaft (GmbH & Co. KG) sowie die eingetragene Genossenschaft (eG).

Gründung einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts
Am schnellsten, einfachsten und kostengünstigsten ist die Gründung einer GbR. Diese besonders bei Solar-Gemeinschaftsanlagen beliebte Urform einer Gesellschaft kann prinzipiell von zwei Personen am Küchentisch geschaffen werden. Durch einen schriftlichen Gesellschaftervertrag wird der Gesellschaft aber eine solide Basis gegeben und die Handhabung schwieriger Situationen geregelt. Der größte Nachteil einer GbR besteht darin, dass die Gesellschafter in vollem Umfang mit ihrem Privatvermögen haften. Aus diesem Grund sollte bei der Erstellung der Energieanlage auf die Risikobegrenzung, etwa durch geeignete Versicherungen und die Auswahl eines erfahrenen Installateurs, geachtet werden.
Um die Haftungsrisiken weiter zu minimieren, sind einige Solar-Gemeinschaftsanlagen dazu übergegangen, eine GbR mit der Gründung eines eingetragenen Vereins zu kombinieren. Der Verein wird von der GbR mit der Betriebsführung der Anlage betraut und haftet lediglich mit dem Vereinsvermögen.
Ein Beispiel dazu: In der baden-württembergischen Gemeinde Mauer (4.000 Einwohner), dem Heimatort des Autors, wurden 2003 und 2005 nach einer Initiative der lokalen Agenda-Gruppe zwei GbRs gegründet und zwei Photovoltaik-Gemeinschaftsanlagen errichtet. An der 30-kW-Anlage auf dem Dach der Grundschule konnten 150 Anteile für je 466 Euro an 45 Gesellschafter verkauft werden, bei der 14-kW-Anlage auf dem Dach der Sport- und Kulturhalle 120 Anteile für je 410 Euro an 36 Gesellschafter. Die Gesellschafter leisten damit einen persönlichen Beitrag zum Klimaschutz und nach einer Laufzeit von 20 Jahren hat sich ihr finanzieller Beitrag mehr als verdoppelt.

Gründung einer GmbH & Co. KG
Auch größere Anlagen für Photovoltaik, Windkraft oder Biomasse werden als Bürger-Energieanlagen realisiert. Mit zunehmender Investitionssumme werden die Projekte aber komplexer und eine hauptamtliche Geschäftsführung wird erforderlich. Dies erfordert eine Rechtsform, die zum einen die Haftung der Beteiligten beschränkt und zum anderen die Einbindung vieler Kapitalgeber erleichtert. Diese Anforderung erfüllt im Gegensatz zur GbR die GmbH & Co. KG. Die Haftung der GmbH-Gesellschafter ist bei dieser Gesellschaftsform auf ihre Kapitaleinlage beschränkt. Dem großen Vorteil der beschränkten Haftung steht ein deutlich höherer Gründungs- und Verwaltungsaufwand entgegen.
Ein Beispiel dazu: Die Bioenergie Steinfurt GmbH & Co. KG betreibt in Steinfurt-Hollich im Münsterland seit Ende 2005 eine Gemeinschaftsbiogasanlage. 46 Landwirte und 23 nur mit Kapital beteiligte weitere Bürger haben in ein Anlagenkonzept investiert, das von und mit den Landwirten und der örtlichen Raiffeisen-Genossenschaft sowie dem Landwirtschaftlichen Ortsverein organisiert und entwickelt wurde. Mit der erzeugten thermischen Energie werden Schulen, zwei Altenwohnheime, das Freibad und Verwaltungsgebäude beheizt. Unter optimalen Bedingungen können so jährlich bis zu 400.000 Liter Heizöl ersetzt werden. Der erzeugte Strom wird in das Stromnetz eingespeist und entsprechend vergütet. Die beteiligten Bürger profitieren an ihren Kommanditanteilen und die beteiligten Landwirte durch langfristige Biomasse-Lieferverträge. Technisch innovativ war die deutschlandweit erste Biogas-Pipeline, in der das Gas zu den vier Kilometer entfernten Blockheizkraftwerken transportiert wird.

Gründung einer Genossenschaft
Neben der GmbH & Co. KG hat sich die eingetragene Genossenschaft (eG) als Rechtsform für größere Bürger-Energieanlagen durchgesetzt. Im Jahr 2010 gab es in Deutschland bereits etwa 330 Energiegenossenschaften. Eine eG unterliegt dem Genossenschaftsgesetz. Jedes Mitglied hat eine Stimme, unabhängig von der Höhe der Kapitaleinlage. Die Haftung der Mitglieder kann wie bei der GmbH & Co. KG auf ihre Kapitaleinlage beschränkt werden. Den Vorteilen einer eG steht ein hoher Gründungsaufwand gegenüber. Bevor die Eintragung in das Genossenschaftsregister erfolgen kann, wird sie von dem zuständigen Genossenschaftsverband geprüft (Businessplan, Satzung etc). Dieser intensiven Prüfung ist es aber auch zu verdanken, dass die eG die insolvenzsicherste Rechtsform ist.
Ein Beispiel dazu: Ziel der Energiegenossenschaft Lieberhausen eG in einem Ortsteil von Gummersbach war es, die Bürger langfristig zu einem stabilen Preis mit Heizwärme und Warmwasser zu versorgen. Dazu wurden ein Holzhackschnitzel-Heizwerk und ein Nahwärmenetz errichtet. Hauseigentümer von 85 Gebäuden erwarben einen Genossenschaftsanteil für 1.050 Euro und das Land Nordrhein-Westfalen gab einen Zuschuss von 40 Prozent.

Während man auf der politischen Bühne über die Energiewende, das Abschalten von Atomkraftwerken und Endlagerstätten diskutiert, wird in vielen Kommunen die Realisierung einer nachhaltigen Energieversorgung mithilfe von Bürger-Energieanlagen bereits selbst in die Hand genommen und tatkräftig umgesetzt. Bürger-Energieanlagen als Form der Bürgerbeteiligung verteilen nicht nur die Kosten, sie sorgen auch für Teilhabe am finanziellen Gewinn und bieten vor allem die Möglichkeit, die Zukunft der Region mitzugestalten. QC26F07