Warum in Sachen Heilung in die Ferne schweifen? Auch die heimische Medizin hat eine Menge Wirkungsvolles zu bieten – ob wir es nun Kloster-Medizin, Homöopathie oder Natur-Medizin nennen. Von Andrea Tichy.

„Macht und Magie heimischer Heilpflanzen“ lautet der Titel eines medizinischen Kompendiums, das mir just in dem Moment in die Redaktion geschickt wurde, als mein elfjähriger Sohn unter argen Halsschmerzen litt. Die üblichen Lutschtabletten aus der Apotheke hatten kaum Linderung gebracht und so probierte ich einen Tipp aus, den der Autor Hans Lauber darin beschreibt: Ich erntete ein Büschel Salbei auf dem Balkon und übergoss ihn mit kochendem Wasser. Den so entstandenen Tee süßte ich mit Honig und gab ihn meinem kleinen Patienten zu trinken. Kaum zu glauben: die hartnäckigen Halsschmerzen verschwanden nach nur einer Tasse Tee.
„Die Wurzeln unserer Heilkunst sind heilende Pflanzen“, erklärt Hans Lauber wenig später diesen frappierenden Erfolg. Die 30 wichtigsten heimischen Heilpflanzen beschreibt der Medizin- und Ernährungsautor ausführlich in seinem neuen Buch. Bei seinen langjährigen Recherchen ist er auf einen Erfahrungsschatz gestoßen, der sich in seiner Fülle durchaus mit der hierzulande so geschätzten „Traditionellen Chinesischen Medizin“ vergleichen lässt. Das brachte ihn auf die Idee, die verschiedenen Strömungen der heimischen Pflanzenheilkunde unter dem Namen „TDM Traditionelle Deutsche Medizin“ zu bündeln. Ihn hatte gewundert, dass er bei seinen Vorträgen in Apotheken, Krankenhäusern oder auf medizinischen Tagungen häufig nach seiner Meinung bezüglich der Traditionellen Chinesischen Medizin, nie aber nach „unserem ungeheuren Fundus an traditionellen Heilverfahren, nach unseren wunderbaren pflanzlichen Heilmitteln“ gefragt wurde.
Die „Traditionelle Deutsche Medizin“ basiert auf fünf Elementen: Auf der mittelalterlichen Kloster-Medizin der Hildegard von Bingen. Auf der ursprünglichen Natur-Medizin des großen Arztes Paracelsus. Auf der sanften Homöopathie von Samuel Hahnemann. Auf den Beobachtungen lebenskluger Pflanzen-Pfarrer wie Sebastian Kneipp sowie auf individueller Apotheken-Medizin. Ein großer Teil des Erfahrungsschatzes der heimischen Natur-Medizin wird jedoch von der Schulmedizin ignoriert oder ist in Vergessenheit geraten. So hat das gewaltige Heilwissen der Klöster vieles zu bieten, was zu einer deutlichen Senkung der Gesundheitskosten beitragen könnte. Denn die meisten dieser Heilverfahren kosten kaum etwas oder gar nichts, weil deren Zutaten in der freien Natur zu finden sind. „Viele Experten wissen gar nicht, welche Gesundheitskraft in den ur-vitalen Wildpflanzen steckt, dass unsere jahrhundertealten Streuobst-Kulturen wahre ‚Volksapotheken‘ sind – und völlig vergessen ist, dass auch wir heimische Heilpilze haben“, so Hans Lauber.

Wildpflanzen: Die Kraft des Vitalen
Mehr Eiweiß, mehr Mineralien, mehr Vitamine, mehr Antioxidantien als Gezüchtetes haben Wildpflanzen. Sie sind eine traditionelle Vitalquelle, die derzeit wieder entdeckt wird. Wildpflanzen glänzen durch drei wichtige Vorteile: Sie sind widerstandsfähig, da sie ohne die schützende Hand eines Gärtners auskommen müssen. Sie sind Omega-3-stark, denn sie haben einen besonders hohen Anteil an der für das Gehirn und die Blutgerinnung wichtigen Omega-3-Fettsäure. Darüber hinaus sind Wildkräuter durch einen besonders hohen Gerbstoffgehalt bitterer, was die Verdauung ankurbelt, überschüssige Säure abpuffert und den Blutzuckerspiegel normalisiert. Aus der verschwenderischen Fülle der essbaren Wildpflanzen – es soll davon hierzulande mehr als 1.000 geben – stellt Hans Lauber vier Sorten vor. Das Buchweizenkraut wirkt gegen Krampfadern, das Gänseblümchen kurbelt den Stoffwechsel an, das Hirtentäschel wird in der Volksmedizin zum Blutstillen von oberflächlichen Wunden verwendet und das Mädesüß hilft bei Rheumatismus sowie bei Gicht.

Streuobst: Heilende Kraft des Ursprünglichen
Ein völlig unterschätztes preiswertes Heilmittel der Volksmedizin sind alte Apfelsorten, die jedoch hierzulande an Streuobstbäumen meist ungepflückt hängenbleiben oder unbeachtet am Boden verfaulen. Dabei sprechen viele Gründe für diese unbeachteten Schätze der Natur: Streuobstbäume sind von Natur aus robust und widerstandsfähig und brauchen kaum die chemische Keule. Weil sie ohne „chemische Hängematte“ auskommen müssen, sorgen die alten Bäume selbst für ihren Schutz – und bilden deshalb sehr viele Vital- und Sekundäre Pflanzenstoffe. Damit wehren sich die Bäume gegen Schädlinge – und wir können uns mit diesem natürlichen Pflanzenschutz gegen die Arteriosklerose schützen. Einige alte Apfelsorten enthalten im Vergleich zu Supermarktware ein Vielfaches an Vitamin C – und sie strotzen vor Geschmack, da sie langsamer wachsen und dabei mehr Aroma bilden.

Pilze: Heilende Kraft des Archaischen
Das Wissen über die heilende Kraft der heimischen Pilze ist bei uns weitgehend vergessen. Dabei können sie gerade bei teuren Volkskrankheiten wie Bluthochdruck  und Diabetes preiswerte Alternativen zu herkömmlichen Therapien bieten. Das  Buch stellt vier heimische Heilpilze vor, die erstaunliche Heilwirkungen zeigen können. Der Austernpilz etwa wirkt immunstärkend und hilft, das schlechte LDL-Cholesterin zu zähmen. Der Birkenporling zeigt entzündungshemmende Wirkungen und wird vor allem wegen seiner positiven Eigenschaften bei Magenbeschwerden geschätzt. Das Judasohr, auch „chinesische Morchel“ genannt, wirkt blutverdünnend, durchblutungsfördernd, blutzuckersenkend und immunstärkend. Auch der Schopftintling soll den Blutzucker deutlich senken können.
Sein Ziel, erstmals zu zeigen, welche Fülle an traditionellen Heilmethoden, Heilpflanzengärten und Pflanzen es bei uns gibt, hat der Autor Hans Lauber erreicht. Er stellt Pflanzen vor, die in unserem Klima besonders gut wachsen – und die zu unseren Krankheiten passen. Nun liegt es an uns, diesen Fundus an Erfahrungswissen gesundheitsfördernd zu nutzen.

Foto: Hans Lauber
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Buch-Tipp

Hans Lauber
Macht und Magie heimischer Heilpflanzen
TDM Traditionelle Deutsche Medizin, Kirchheim-Verlag,
160 Seiten, 2 Ausklappseiten mit TDM-Heilkundeatlas und Hausapotheke.
ISBN: 978-3-87409-495-5
Preis: 19,90 Euro

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Der Autor

Hans Lauber war leitender Manager in der Fernsehindustrie. Durch seinen ungesunden Lebenswandel brach bei ihm ein manifester Typ-2-Diabetes aus, den er Lifestyle-Diabetes nennt. Er stand vor dem Spritzen von Insulin. Mit der von ihm entwickelten Methode aus „Messen, Essen, Laufen“ besiegte er die Stoffwechselstörung. Darüber schrieb das Beiratsmitglied der Deutschen Diabetes-Stiftung die Bestseller „Fit wie ein Diabetiker“ und „Schlemmen wie ein Diabetiker“ sowie das Ernährungsbuch „Schönkost“. Das Buch „Macht und Magie heimischer Heilpflanzen“ ist sein jüng-stes Werk. Auf seiner zweijährigen Erkundungsreise zu den Wurzeln der Heilkunde hat der Autor auch 20 Heilpflanzengärten besucht, die ausführlich vorgestellt werden.