Wasserstoff ist der neue Hoffnungsträger, um die Energiewende doch noch zum Erfolg zu bringen. Um eine Wasserstoff-Wirtschaft voran zu treiben, hat die Bundesregierung eine Nationale Wasserstoffstrategie (NWS) formuliert. Sie soll dazu beitragen, Deutschland bei der Nutzung von Wasserstoff als klimafreundlichen Energieträger zum Vorreiter zu machen.

„Wasserstoff ist der fehlende Baustein für den Klimaschutz und die Energiewende“, sagt Jeannette Uhlig von der Deutschen Energie-Agentur (Dena). Die Vision scheint bestechend: Unstetig produzierter Strom aus Windrädern oder Solaranlagen ließe sich in einer Wasserstoff-Wirtschaft so aufbereiten, dass er fernab und unabhängig vom Zeitpunkt der Erzeugung genutzt werden könnte – fürs Autofahren, Fliegen, Heizen, in Agrarbetrieben oder in industriellen Prozessen wie etwa der Stahlerzeugung. Und das, ganz ohne CO2 (Kohlendioxid) frei zu setzen. Die Technologie sei vorhanden, urteilen nicht nur die Fachleute der Deutschen Energie-Agentur. Nun sei es an der Zeit für einen „zügigen Markthochlauf“.

Elektrolyse aus Ökostrom

Viele Länder, vor allem Japan, China und USA, drängen in diesen Zukunftsmarkt. Um sich bei dem Wettrennen um die Wasserstoff-Technologie einen guten Startplatz zu sichern, haben sich hierzulande mittlerweile Projekte und Konsortien formiert. So ist beispielsweise zur Elektrolyse von Wasserstoff aus Ökostrom in Baden-Württemberg ein Projekt an den Start gegangen, das unter Federführung des Zentrums für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung die Potenziale der Wirtschaft im Südwesten Deutschlands nutzbar machen soll. Herzstück des Projekts ist die Entwicklung eines Elektrolyseurs „made in Baden-Württemberg“. Für die Wirtschaftlichkeit von grünem Wasserstoff sind neben günstigem Öko-Strom auch die Investitionskosten des Elektrolyseurs entscheidend. Ein anderes Projekt (CHANNEL), an dem Unternehmen wie Evonik oder Shell beteiligt sind, zielt darauf, die zentrale Komponente des Elektrolyseurs zu optimieren.

Vorreiter Automobilindustrie

Vorreiter der Nutzung von Wasserstoff ist die Automobilindustrie. So will beispielsweise der japanische Hersteller Toyota bis zum Jahr 2050 mit Hilfe von Wasserstoff die Emission seiner Automobile im Vergleich zum Jahr 2010 um 90 Prozent reduzieren. In Sachen Brennstoffzellen, die Strom aus Wasserstoff erzeugen können, arbeitet der bayerische Autobauer BMW eng mit Toyota zusammen. Anfang der 2020er Jahre will BMW eine Kleinserie des mit Wasserstoff betriebenen X5-Modells herausbringen; bis zum Jahr 2025 soll ein massentaugliches Auto mit Brennstoffzelle seine Modell-Palette bereichern.
Doch damit Wasserstoff-Autos überhaupt massentauglich werden können, braucht es eine geeignete Infrastruktur zur Betankung. Bis zum Jahr 2023 will das Netzwerk H2Mobility (H2M) in Deutschland 400 Tankstellen aufgebaut haben. Auch in vielen anderen Ländern ist eine öffentliche H2 Tankstelleninfrastruktur im Entstehen.

Auch in anderen industriellen Bereichen arbeitet man derzeit unter Hochdruck daran, die Produktion mit Hilfe von Wasserstoff umweltfreundlicher zu gestalten. So sollen beispielsweise auf der Grundlage des „Handlungskonzepts Stahl“ künftig Investitionen in treibhausgasarme und sogar -freie Technologien in der Stahlindustrie von Seiten der Bundesregierung unterstützt und die industrielle Nutzung von Wasserstoff vorangebracht werden.

Eine Frage der Effizienz

Die Wasserstoffwirtschaft steht allerdings noch vor einer Reihe von Herausforderungen. Da ist zum einen die Frage der Sicherheit. So muss das explosive Gas mit ganz besonderer Vorsicht behandelt werden. Der erste spektakuläre Unfall mit Wasserstoff war die Explosion des Zeppelins Hindenburg vor mehr als 80 Jahren. Und dann sind da auch noch die Kosten. Wer den Berechnungen von Shell folgt, der ist als Verbraucher zwar erst einmal beruhigt. Denn die Preise sind vergleichbar mit denen für Benzin. Ein Kilogramm Wasserstoff soll an der Tankstelle rund 9,50 Euro kosten. Rund 100 Kilometer kann ein Auto mit einem Kilogramm H2 fahren.
Aber wie sieht es gesamtwirtschaftlich aus? Da stellen sich angesichts der Effizienz bei der Erzeugung und der Verbrennung von Wasserstoff ganz andere Fragen: Bei der Wasserstoffherstellung mittels Elektrolyse gingen bislang gemäß einer Studie des Öko-Instituts mehr als 30 Prozent der eingesetzten elektrischen Energie verloren. Wird der Wasserstoff dann wieder in einer Brennstoffzelle zwecks Stromerzeugung verbrannt, entweicht viel Energie durch Wärmeverluste. Eine weitere Verlustquelle ist das Speichern von Wasserstoff. Da dieser, bezogen auf sein Volumen, nur sehr wenig Energie enthält, muss er aufwändig komprimiert oder durch Abkühlen auf minus 253 Grad verflüssigt werden. Auch das kostet Energie. Weitere Energie geht durch Speichern und Verteilen verloren. Und auch Brennstoffzellen fressen Energie. Am Ende der Umwandlungs- und Verteilungskette kommen von der ursprünglichen Solar- oder Wind-Energie nur ein Viertel bis ein Drittel im Motor an. Würde diese dagegen direkt ins Stromnetz gespeist, würden 90 Prozent zum Verbraucher gelangen. Ist das ein Totschlag-Argument für den Wasserstoff? Sicherlich nicht. Man wird genau hinschauen müssen, in welchen Bereichen sich der Einsatz von Wasserstoff wirklich lohnt. Letztlich bleibt es ungewiss, ob Wasserstoff die Patentlösung für die Energie-Wende sein kann.

Wasserstoff

Grün, grau oder blau

Grüner Wasserstoff wird durch Elektrolyse von Wasser hergestellt, wobei für die Elektrolyse ausschließlich Strom aus erneuerbaren Energien zum Einsatz kommt. Unabhängig von der Elektrolysetechnologie erfolgt die Produktion von Wasserstoff CO2-frei, da der eingesetzte Strom zu 100 Prozent aus erneuerbaren Quellen stammt.

Grauer Wasserstoff basiert auf dem Einsatz von fossilen Kohlenwasserstoffen. Maßgeblich für dessen Produktion ist die Dampfreformierung von Erdgas. Seine Erzeugung ist – abhängig vom fossilen Ausgangsstoff – mit erheblichen CO2-Emissionen verbunden.

Blauer Wasserstoff: Seine Erzeugung wird mit einem CO2-Abscheidungs- und -Speicherungsverfahren gekoppelt. Die Wasserstoffproduktion kann damit als CO2-neutral betrachtet werden, da das CO2 nicht in die Atmosphäre gelangt.