Angesichts langer Autoschlangen, energieintensiver Schneekanonen und landschaftsverschandelnder Liftanlagen scheint Wintersport unter dem Aspekt der Nachhaltigkeit ein höchst fragwürdiges Vergnügen zu sein. Reisespezialistin Martina Guthmann hat den Wintersport unter die Öko-Lupe genommen.

Kurze Tage, wenig Licht und der Hochnebel in den Städten – rund um die Jahreswende wird die Lust auf Licht, Luft und Sonne geradezu unwiderstehlich. Viele Zeitgenossen zieht es um diese Zeit in den Süden, andere wiederum in die Alpen zum Wintersport – dessen C02-Bilanz gar nicht so schlecht ist: Verglichen mit einer zweiwöchigen Mexiko-Reise liegt ein zweiwöchiger Skiurlaub in den Alpen gerade mal bei einem Zehntel der durchs Fliegen freigesetzen C02-Emissionen.
Trotzdem haftet dem Wintersport allgemein der Ruch der Sünde wider die Natur an. Schmerzhaft bewusst wird uns der Klimawandel ja gerade in den Alpen: am stetigen Rückgang der Gletscher und am permanenten Anstieg der Schneefallgrenze. Viele bekannte Wintersportorte können ihren Gästen mittlerweile nicht mehr das Schneevergnügen vor der Haustür garantieren. Doch weniger Wintertouristen als man vielleicht vermuten würde, sind bei ihren Urlaubsbeschäftigungen wirklich auf Schnee angewiesen. Selbst in einem klassischen Wintersportort wie Garmisch- Partenkirchen kommt nur ein Viertel der Gäste zum Wintersport; drei Viertel der Winterfrischler genießen einfach die klare Winterluft, das Mehr an Licht und Sonne, Wanderungen, Kutschfahrten oder das Wellness-Programm in ihrer Unterkunft. Diese Gäste sind auch dann zufrieden, wenn sich im Ferienort nicht der Schnee an den Bordsteinrändern türmt – solange eine nahe Bergbahn noch in den weißen Zauber führt. Am Berg jedoch werden Schneekanonen und Beschneiungsanlagen zunehmend unverzichtbar, um den Erwartungen der Skifahrer gerecht zu werden.

Schneekanonen machen nur 0,5 Prozent der C02-Bilanz aus.
Professor Thomas Bausch vom Alpenforschungsinstitut, der sich seit Jahren mit der Klimaveränderung in den Alpen und den damit einhergehenden Auswirkungen auf den Tourismus beschäftigt, ist dabei eine differenzierte Betrachtung wichtig: „Bei der  Energiebilanz für einen eintägigen Skiausflug von München nach Garmisch, Anreise mit VW Golf; 7,5 Liter Sprit-Verbrauch, fallen 90 Prozent auf die Anreise. Die verbleibenden 10 Prozent fallen zu 95 Prozent auf die Bergbahnen und Lifte, 5 Prozent auf die Beschneiungsanlagen, so dass die Beschneiung lediglich 0,5 Prozent der Gesamt-C02-Bilanz ausmacht.“ Damit ist die An- und Abreise wieder einmal der entscheidende Aspekt und es muss – auch beim Wintersport – vor allem über deren Form diskutiert werden. Fahrgemeinschaften bilden, Gruppenbus und Bahn nutzen und auch lieber ein paar Tage am Stück in den Bergen bleiben sind umweltfreundlichere Alternativen als die PKW-Spritzfahrt für einen Tag.
Zahlreiche Wintersportorte bieten bei der Anreise mit der Bahn attraktive Pauschalangebote. Immer mehr Wintertouristen finden Gefallen daran, statt mit eigener Ausrüstung nur mit Kleingepäck anzureisen und vor Ort hochwertige, aktuelle und vor allem auf die Umstände angepasste Ausrüstung beim Fachmann leihen zu können. In dieser Hinsicht ist gerade das schweizerische Arosa als Vorbild zu nennen, denn seine Erreichbarkeit mittels Bus und Bahn ist hervorragend. Darüber hinaus bietet Arosa Tourismus seit 2006 für Gäste die Option der Klimaneutralität: Der Urlauber hat dabei die Möglichkeit, bei der Buchung seiner Winterpauschale oder vor Ort unter Angabe seines Urlaubsverhaltens zu entscheiden, ob seine Reise klimaneutral gestellt werden soll. Entscheidet er sich dafür, entstehen ihm keinerlei Mehrkosten. Zum Vergleich: Bei Buchung der Wanderpauschale werden pro Tag vier Kilogramm CO2 angesetzt und bei der Buchung der Skipauschale 16 Kilogramm CO2, die über ein alternatives Biogasprojekt in Arosa ausgeglichen werden.

Klimaneutralität als Verkaufsargument
Klimaneutralität bietet auch Christof Schellhammer – Mitbegründer der ersten klimaneutralen Berg- und Skischule Vivalpin – seinen Gästen und beschreibt die Motivation dafür so: „Ich bin mit dem Berg groß geworden und mir wurde schon früh klar, dass ich den Alpen etwas dafür zurückgeben muss, damit ich sie morgen noch so genießen und erleben kann. Hier in der Natur sind wir sicherlich in stärkerem Maße ständig mit dem Klimawandel konfrontiert wie in städtischen Regionen.“ Die Initiatoren von Vivalpin haben lange überlegt, wie sie eine „einigermaßen anständige Lösung finden, um unser Geld als Bergführer und Skilehrer zu verdienen und gleichzeitig unsere traumhaft schöne Heimat zu erhalten.“ Die Lösung, die Vivalpin gefunden hat: Von der Klimaagentur Climate Partner lässt sich Vivalpin für sein komplettes Programm die C02-Bilanzen berechnen und gleicht den C02-Ausstoß durch den Kauf von Emissionszertifikaten aus, den sie als Umweltbonus auf ihre Kalkulation aufschlagen. Anfängliche Bedenken der Vivalpin-Gründer, dass die Gäste beim Preisvergleich zu einem günstigeren Anbieter oder zu einem alternativen Reiseziel wechseln könnten – eine Flugreise in die Sonne ist ja nicht selten billiger als eine Reise in die Alpen – haben sich nicht bestätigt. Im Gegenteil: Viv-alpin hat insbesondere im Bereich des Firmengeschäfts und bei der Organisation von Events gerade wegen ihrer Klimaneutralität großen Erfolg zu verbuchen.

Die Natur ist das schützenswerteste Kapital
Georg Schober vom Alpenhof in Krün ist einer von denen, die schon lange den Schatz ihrer Heimat zu schätzen wissen, dabei aber nicht viel Wind um ihr Umweltengagement machen. Schober: „Umweltverträglichkeit ist bei uns die Summe aller Faktoren, das fängt dabei an, dass wir mehr Nistplätze für Vögel als Betten im Haus haben und endet bei einem für den Winter gut gedämmten Haus und der Tatsache, dass wir für unser 70-Betten-Hotel nur eine kleine Rest-Müll-Tonne benötigen.“ Bereits vor über 12 Jahren hat sein familiengeführtes Haus die Auszeichnung für Umweltschutz vom bayerischen Ministerium bekommen. Menschen wie Schober oder Schellhammer geht es in ihren Aktionen um Bewusstseinsbildung: Angefangen bei klimaneutralen Unterkünften bis hin zu klimaneutralen Skischulen und Skiliften. Bis aus den viel versprechenden Anfängen eine Massenbewegung wird, bleibt allerdings noch viel zu tun.