Der Kochbrunnen am Kranzplatz ist nicht nur Wiesbadens Wahrzeichen, sondern auch ein oft frequentierter Ort von Gesundheitsbewussten. Denn aus der ergiebigen Quelle sprudelt Thermalwasser, dem man eine ganze Reihe von Gesundheitseffekten zuschreibt:

So soll das salzhaltige Wasser bei Erkältungen und Halsschmerzen wohltuende Wirkung zeigen, die Verdauungsorgane anregen und aufgrund seines Calciumsgehalts gegen Osteoporose vorbeugen.
So mancher Wiesbadener schwört auf das Hausrezept, jeden Tag prophylaktisch 200 ml Kochbrunnen-Wasser zu trinken. Denn dieses Wasser ist eine Rarität, wie man sie selten findet: Das Wasser steigt aus eigener Kraft aus der Tiefe, beinhaltet viele Mineralstoffe, wird nicht aufbereitet und bringt somit Qualitäten mit, die es als „lebendiges Wasser“ auszeichnen. Und „lebendiges Wasser“ kann für die Gesundheit besondere Effekte bieten: es kann vom Körper besser als industriell aufbereitetes Wasser aufgenommen werden und kann die Ausscheidung von Schadstoffen und Giften fördern. Bei solch stark mineralhaltigen Wässern wie dem Kochbrunnen kann dessen Lebendigkeit dafür sorgen, dass überschüssige Mineralstoffe direkt aus dem Körper abtransportiert werden, so dass diese nicht abgelagert werden und Probleme verursachen.
In der Vergangenheit waren Trinkkuren mit Wässern wie dem Kochbrunnenwasser eine häufig angewendete Heilmethode. Historische Abbildungen geben noch heute einen Eindruck wieder, wie dieses Kurwesen früher praktiziert wurde: So genannte Brunnenmädchen schöpften das Heilwasser aus der Quelle und reichten es den Gästen, die es anschließend in kleinen Schlucken beim Flanieren um den Kranzplatz tranken. Der Dichterfürst Goethe zählte zu den Nutznießern des Wiesbadener Wassers ebenso wie der Schriftsteller Fjodor Dostojewski oder der Komponist Richard Wagner. Heute können sich Gesundheitsbewusste an dem achteckigen Quelltempel selber bedienen.

Bewusstsein für das historische Quellen-Erbe
Wiesbaden ist eine Stadt, die sich des Wertes ihrer historischen Quellen durchaus bewusst ist. Während Städte wie Frankfurt am Main ihre Jahrhunderte lang genutzten Heilquellen wie etwa das Wasser des Grindbrunnens unbeachtet im Erdreich versickern lassen, setzt sich die hessische Landeshauptstadt aktiv dafür ein, ihren Bürgern und Besuchern den Zugang zu den Quellenschätzen möglich zu machen. Ein Beispiel für dieses Engagement ist die so genannte Drei-Lilien-Quelle. Ihre Fassung gilt als Zeugnis des reinen Jugendstils in Wiesbaden. Im früher verwahrlosten Quellraum haben Renovierungsarbeiten begonnen und demnächst soll die historische Quellen-Anlage an der Hinterseite des Hotels Schwarzer Bock in neuer Pracht für die Bürger offen stehen.
Wer heute einen Rundgang zu den Bunnnen unternimmt, der kann den alten Glanz von Wiesbaden noch erahnen: Das ehemalige Palasthotel am Kranzplatz zeugt vom Boom des Kurwesens, das Anfang des 20. Jahrhunderts seinen Höhepunkt erlebte. Die Bevölkerung wuchs damals rasant und im Jahr 1905 zählte die „Weltkurstadt“ mehr als 100.000 Einwohner. Noch 200 Jahre früher lebten in der im Grunde ungünstig gelegenen Stadt – kein Zugang zu einem Fluss, kein leichter Zugriff auf Trinkwasser – weniger als 1.000 Menschen. Was Wiesbaden damals wie heute dennoch so attraktiv macht, sind seine Thermalquellen, die zu den heißesten in Europa zählen und von ihrem Mengenaufkommen nur noch mit Kurstädten wie Karlsbad zu vergleichen sind. Schon von den Römern und Kelten wurden die Quellen geschätzt und sie sprudeln nach wie vor in ungebrochener Kraft mit einem Volumen von täglich zwei Millionen Litern.

25.000 Jahre altes Wasser
Besondere geologische Gegebenheiten lassen das aus 2.000 Metern Tiefe aufsteigende Thermalwasser entlang einer Linie parallel zur Lang- und Saalgasse an die Oberfläche treten. Wie Perlen auf einer Schnur sind dort die fünf Hauptquellen – Salmquelle, Kochbrunnen, Große und Kleine Adlerquelle, Schützenhofquelle – aufgereiht. Rund 25.000 Jahre braucht das Thermalwasser des Kochbrunnens, um nach dem Abregnen aus der Erde wieder nach oben zu steigen. Seine hohe Temperatur resultiert aus unterirdischen Magma-Herden. Auf seinem Weg durch die Spaltenzone des Oberrheingrabens reichert sich das Wasser mit Calcium, Magnesium, Strontium, Eisen, Mangan und Kohlensäure an. In jedem Liter sind bis zu 8,6 Gramm Salze gelöst, deswegen werden die Wiesbadener Quellen auch Natrium-Chlorid-Thermen genannt. Früher wurden aus den Salzen Lutsch-Pastillen gepresst. Heute gibt es Seifen zu kaufen, in denen eine kleine Menge des täglich anfallenden Salzes verarbeitet wird. Doch die Schätze Wiesbadens lassen sich auch ohne Geldbeutel nutzen. Ein Trinkbecher oder eine Trinkflasche genügt, um die gesundheitlichen Wirkungen des Wiesbadener Thermalwassers für sich zu erschließen.

Foto: Dr. Thomas Weichel, Stadtarchiv Wiesbaden
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Beitrag Wiesbadener Quellenspaziergang