Der bewusste Kauf von regionalen Lebensmitteln bringt eine Reihe von Vorteilen: er macht sensibel für die Natur und die Jahreszeiten, fördert die Kreativität in Sachen Verarbeitung und hilft obendrein, das Klima zu schützen.

Hhmmm, welch unerwarteter Genuss! Die Kartoffelsuppe von Ronnie Bolz entwickelt sich im Mund zu einem wahren Kunstwerk: zitronige Geschmackskomponenten treffen auf die knusprigen Brösel von dunklem Brot, der kräftig-herbe Schnittlauch kontrastiert mit der Milde von Kartoffeln und Sahne.

Permakultur im Museum
Der ehemalige Sternekoch bittet im Frankfurter Museum für angewandte Kunst zu Tisch, nachdem er zuvor den interessierten Besucherinnen und Besuchern die von ihm angeregten Hochbeete vorgeführt hatte. Vor fünf Jahren war der ausgezeichnete Koch (Pâtissier des Jahres 2010 im Gault Millau) aus dem stressigen Zirkus der Sterneküche ausgestiegen, um sich fortan dem wahren Geschmack von Lebensmitteln zu widmen. „Man tut sich in Deutschland schwer, Produkte für sich stehen zu lassen“, sagt er. Ronny Bolz strebt nicht danach, die Verarbeitungsintensität zu erhöhen, wie dies in der Sterneküche angesagt ist, sondern er möchte den Fokus auf den Eigengeschmack der Produkte lenken, so wie er sie als Kind im elterlichen Garten erlebt und genossen hat. Nach seinem Rückzug aus der hohen Gastronomie hat er im heimischen Dorf damit angefangen, zwei große Gartengrundstücke nach den Prinzipien der Permakultur zu bewirtschaften, um in Sachen Geschmack zu den verlorenen Freuden seiner Kindheit zurück zu finden. Das dabei gewonnene Wissen hat er in die drei Hochbeete einfließen lassen, die seit Frühjahr dieses Jahres im Souterrain des Museums für Angewandte Kunst stehen und dessen primäres Ziel es erst einmal ist, Grünmasse aufzubauen, um die Erde der Beete zu verbessern.
Der Impulsvortrag mit dem Koch- und Permakulturexperten ist Teil der Aktion „Klimagourmet“, mit der die Stadt Frankfurt Bewusstsein in Sachen regional essen schaffen und zugleich das Klima schützen möchte. Begonnen hatte die Aktion ursprünglich als „Veggiday“ und wird seither  vom Frankfurter Energiereferat mit viel Engagement vorangetrieben. Denn die Stadt Frankfurt hat sich zum Ziel gesetzt, bis 2030 die CO2-Emissionen der Stadt zu halbieren und bis 2050 nur noch erneuerbare Energien zu nutzen. Dabei spielt auch die Ernährung eine wichtige Rolle: So lassen sich beispielsweise durch ein Kilo regional erzeugte Äpfel im Vergleich zu eingeflogenen Äpfeln aus Neuseeland rund 14 kg CO2 einsparen.
Frankfurt, die Stadt der Hochhäuser und Bankentürme, lässt auf den ersten Blick nicht vermuten, wie sehr der Gedanke des regionalen Essens hier schon verwurzelt ist. Im Osten der Stadt – unweit des  Wolkenkratzers der Europäischen Zentralbank – weist das „Grüne Saucen Denkmal“ auf die besondere Spezialität der hessischen Großstadt hin, deren sieben Kräuter hier angebaut  werden. Auf der Konstablerwache – einem Verkehrsknotenpunkt der darunter verlaufenden S-Bahnen – bieten seit mehr als 25 Jahren regionale Erzeuger aus Rheinhessen und der Rhön ihre Produkte an. Auf den Streuobstwiesen rund um die Stadt gedeihen mehr als 100 Apfelsorten, die traditionell zu Apfelsaft und -wein verarbeitet werden. Mehr als 20 der Frankfurter Schulen betreiben einen eigenen Schulgarten, in dem die Kinder von der Karotte bis zur Süßkartoffel, vom Honig bis zu Grüne-Sauce-Kräutern eine bunte Vielfalt an selbstgezogenen Lebensmitteln ernten.

Unter dem Pflaster liegt der Samen
Anregungen bekommen die Schulgartengruppen im „Frankfurter Garten“ auf dem Danziger Platz. Dort wird auf einer Fläche von rund 2.500 Quadratmetern weitaus mehr getan, als nur gegärtnert.  Mit rund  90 Hochbeeten, erdgefüllten Reissäcken und Getränkeverpackungen lockt diese grüne Oase am Ostbahnhof zudem mit einem Café, einem Markt und zahlreichen Bildungs- und Veranstaltungsangeboten.
Bei Hügelbeet-Projekten auf kirchlichen Grundstücken in Frankfurt haben Mitglieder der Quell-Redaktion in diesem Jahr Erfahrungen gesammelt, die für sie neu und  aufregend waren: Der Geschmack des ersten selbst geernteten Kohlrabis hat sich in den Geschmacksknospen ebenso eingebrannt wie der Duft der beim Sommerfest gegrillten Kartoffeln. Nun bleibt die spannende Frage: bis wann im Winter lassen sich auf dem Hügelbeet Grünkohl und Rosenkohl ernten? „Unter dem Pflaster liegt der Strand“ lautete bis in die 1990er Jahre das Motto der Frankfurter Stadtzeitung „Pflasterstrand“. Heute müsste es heißen: „Unter dem Pflaster liegt der Samen“. QC42E01

Hier geht’s zum Kartoffelsuppen-Rezept von Ronny Bolz

 

Regional: Die Vielfalt des Winters

Obst
Der Apfel prägt die regionale Obstauswahl im Winter, denn er lässt sich gut lagern. Aufgrund seiner vielfältigen Sorten – hierzulande gibt es etwa 1.600 verschiedene Kulturäpfel – braucht es mit dem Apfel aber nicht langweilig werden. Von knackig bis mürbe und von süßaromatisch bis säurereich reichen Konsistenz und Geschmack der unterschiedlichen Sorten. Frisch genossen entfaltet der Apfel sein größtes Gesundheitspotenzial. Doch auch in verarbeiteter Form versorgt er im Winter den Körper mit wichtigen Mineralstoffen. Etwa als Kompott,  Apfelmus, Apfelsaft oder Apfelwein.

Nüsse, Kerne und Samen
Nüsse, Samen und Kerne sind Energiebündel und sie   strotzen nur so von essenziellen Fettsäuren – Fettsäuren, die der menschliche Körper nicht selber herstellen kann, aber dringend braucht. Obendrein schmecken Nüsse, Kerne und Samen auch lecker. Nicht ohne Grund haben „Apfel, Nuss und Mandelkern“ in der traditionellen Weihnachtsbäckerei ihren Ehrenplatz gefunden. Tipp von Rapunzel-Geschäftsführer Andreas Wenning: „Pflanzen Sie sich Ihren eigenen Haselnussbaum“. Selbst geerntete Haselnüsse schmecken köstlich und der Haselnuss
baum gehört zu den wohl anspruchslosesten Gehölzen, die Sie in Ihrem Garten pflanzen können.

Wild
Noch mehr bio als bei frei lebenden Tieren geht nicht: Das Fleisch von Hirsch, Reh, Wildschwein, Hase, Fasan, Rebhuhn oder Wildente ist arm an Fett und außerdem reich an Eiweißen, Mineralstoffen und Vitaminen. Es ist aromatisch, kernig, etwas dunkler und zarter als das beim Metzger gekaufte Fleisch von Nutztieren. Der Begründer der Permakultur Bill Mollison war übrigens ein großer Genießer von Wildbret.

Gemüse
„Kohl ist der König des Wintergemüses“ schreibt der englische Starkoch Jamie Oliver. In Form von Grünkohl entfaltet er seinen vollen Geschmack erst nach dem ersten Bodenfrost und er lässt sich auch noch im Winter frisch vom Feld ernten.
Gesund – vollgepackt mit antioxidativ wirkenden Vitaminen, Mineralstoffen, Ballaststoffen, Aminosäuren und sekundären Pflanzenstoffen – ist Kohl obendrein.
Kulinarisch lässt sich Kohl in vielfältigen Kochstilen einsetzen: Von der bayerischen Kost etwa in Form von Sauerkraut oder Krautwickel bis hin zur asiatischen Küche mit diversen Wok-Gerichten.

Vorurteil
„Im Winter gibt Regionales nur wenig für Feinschmecker her“, so lautet ein gängiges Vorurteil, das immer mehr neue Kochbücher nun widerlegen. Doch auch der Blick in Omas Bücherschrank bringt inspirierende Hinweise, wie sich die Nahrungsmittel der Saison bestmöglich nutzen lassen.QC42E02

NÜTZLICHE LINKS:
www.klimagourmet.de
www.frankfurt-greencity.de
www.frankfurter-garten.de
www.umweltlernen-frankfurt.de
www.permakultur-akadamie.de
www.permakultur-akademie.com
www.permaculture.org.uk

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