Aufgrund der großen Resonanz auf unseren Beitrag „Die Welt als Garten“, haben wir uns dazu entschlossen, die Entstehung eines Gemeinschaftsgartens zu dokumentieren. Quell-Autorin Martina Guthmann wird bis zur Ernte im Herbst den von der Permakultur-Designerin Karin Frank initiierten „Schöpfungsgarten“ im oberbayerischen Traunstein begleiten und über alle wichtigen Schritte berichten.

Gemeinschaftsgärten, wie sie derzeit an vielen Stellen entstehen, machen es möglich, dass in vereinter Kraft aus brachen Flächen fruchtbares Land wird. Das Konzept dahinter: auf möglichst natürliche Art und Weise mit den Boden- und Klimabedingungen umzugehen und damit zu erreichen, dass die Natur bald das meiste selbst erledigt. So einfach das klingt, ergeben sich beim „Community Gardening“ aber eine Reihe von Fragen:  Wer stellt das Land zur Verfügung? Wie lassen sich bürokratische Hürden überwinden ? Wo und wie lassen sich Mitgärtner motivieren? Welche Gerätschaften sollen angeschafft werden und welche lassen sich ausleihen? Woher sollen die Pflänzchen und samenfestes Saatgut  bezogen werden? Wieviel Zeit gilt es wann und wofür einzuplanen ? Wann sind welche Arbeitsschritte zu beginnen ?

Beginnen wir in unserer Dokumentation damit, was bislang geschah:

Piesenhausen: Im Rahmen unserer Recherchen zu diesem Thema stand ich im Herbst 2014 fasziniert und bewundernd vor der reichen Ernte des hier entstandenen Gemeinschaftsgartens. In Anbetracht der unzähligen kindskopfgroßen Kohlrabis und Rote Beete, der saftigen Karotten, der nicht enden wollenden Kartoffelketten, der prallen Wirsing- und Kohlköpfe, die die glücklichen Gemeinschaftsgärtner nach Hause trugen, war ich fast ein bisschen ungläubig, dass an dieser Stelle im Frühjahr nur eine Wiese gewesen sein sollte.

Als mir die Permakultur-Designerin Karin Frank allerdings dann noch von der reichen Sommerausbeute vorschwärmte, von Beeren und Blumen, von Salaten. Gurken, Radieschen und dicken Kräuterbüschen, da keimte in mir der Wunsch, die Entstehung eines solchen Gartens von seiner Vision über den ersten Spatenstich bis zu Ernte begleiten. Für mich selbst, aber vor auch für die Leser von Quell, denen vielleicht noch der letzte Impuls dafür fehlt, selbst loszulegen.

Der Ort: Das Studienseminar St. Michael in Traunstein

Das Studienseminar St. Michael ist ein Internat der Erzdiözese München und Freising. Früher besuchten bis zu 200 Schüler das Studienseminar, dessen bekanntester Schüler der emeritierte Papst Benedikt XVI. ist.  Heute sind es rund 50 Jungs, die hier wohnen und das staatliche Chiemgau-Gymnasium besuchen. Unter dem neuen Studienleiter Wolfgang Dinglreiter und dem Geschäfstführer des katholischen Kreisbildungswerkes Tobias Trübenbach soll nun auf dem  stadtnahen Areal ein für alle Interessierten offener Campus entstehen mit dem Motto „Naturnahes Leben Lernen“. Der Schöpfungsgarten soll Teil davon sein, ebenso ein Naturbadeteich (zu dem das alte Freibad umfunktioniert wird) und ein Repair Cafe.

Die Idee: Der Schöpfungsgarten

In der Geschichte gehörte es mit zur Aufgabe der Klöster, Land urbar zu machen und Menschen Wissen über Anbau und Heilkraft der Pflanzen zu vermitteln. Die Permakultur-Designerin Karin Frank lernt über ihren Freund Johann Tullner vom Forum Ökologie den neuen Seminar-Direktor Wolfgang Dinglreiter kennen. Ihre Idee. auf dem großzügigen Gelände einen Gemeinschaftsgarten der Traunsteiner Bevölkerung entstehen zu lassen, stößt bei ihm auf offene Ohren. Das Studienseminar St. Michael und das Katholische Kreisbildungswerk sagen Karin Frank zu, bei Interesse der Traunsteiner Bevölkerung das Projekt Schöpfungsgarten ideell und nach besten Kräften materiell zu unterstützen und ein rund 3000 qm großes Grundstück zur Verfügung zu stellen, das unter ihrer professionellen Anleitung bestellt werden kann. Dabei steht immer im Mittelpunkt, dass die Natur und alles, was aus ihr entsteht, ein Geschenk Gottes ist.

Impulsvortrag:   Dienstag abend, 27.2.2015

Karin Frank hält in Traunstein einen ersten Impulsvortrag. Das katholische Bildungswerk Traunstein lädt Interessierte dazu ein und kann rund 60 Zuhörer dafür gewinnen. In ihrem Vortrag berichtet Karin Frank von Höfen mit solidarischer Landwirtschaft (so genannten CSA Höfen, von community supported agriculture), von Urban Gardening, interkulturellen Gärten und essbaren Landschaften als sinnvolle Alternative zum Supermarkt. Sie zeigt, wie man mit wenig Geld und Aufwand eine hochwertige, biologische und regionale Ganzjahresversorgung mit Gemüse, Kräutern und Obst erzielen kann.

Im Anschluss an den Vortrag entspinnt sich eine rege Diskussion über die mögliche Realisierung eines solchen Projektes in Traunstein und ganz konkret auf dem Gelände des Studienseminars St.Michaels. Spontan schreiben sich 20 Zuhörer für den von Karin Frank angebotenen Lehrgang „Permakultur“ ein und wollen sich an dem Projekt aktiv beteiligen. Pro Teilnehmer wird eine finanzielle Beteiligung von 300 Euro und eine aktive Mitarbeit erwartet, so wie es Zeit, Konstitution und Fähigkeiten ermöglichen. Im Gegenzug lernt jeder Kursteilnehmer wertvolles über Misch- und Permakultur und erhält wöchentlich seinen Ernteanteil.  Damit kann das Projekt unter dem Arbeitstitel „Schöpfungsgarten“ in die nächste Runde gehen.

Startschuss: Dienstag abend, 17.3.2015

Der Schöpfungsgarten geht an den Start. Die Teilnehmer erfahren von Karin Frank, die den Garten die ganze Saison über begleiten wird, 
sämtliche Details über das neue Projekt. Viele der bereits gewonnenen Teilnehmer bringen weitere Interessenten mit und es wird schnell ganz konkret: Wie wird der Garten angelegt, welche Formation sollen die Hügelbeete haben? Wer aus der Gruppe hat Kontakte zu Bauern, kann Holzschnitt für die Hügelbeete oder einen Bagger organisieren?

Erster Termin vor Ort:   Freitag, 20.3.2015

Rund  20 Teilnehmer sind bei der Begehung und den ersten Arbeiten im geplanten „Schöpfungsgartens“ dabei. Karin Frank hat das Gelände vorab markiert, so dass sich die Form der Beete schon auf dem Rasen abgezeichnet. Um die kleinen Apfel-Bäumchen auf dem Gelände bleibt eine kleine Grasinsel bestehen, die später mit Kräutern bepflanzt werden soll. Dies hat den doppelten Nutzen, dass um die Bäumchen nicht gemäht werden muss.

Das kleine Gewächshaus neben der Wiese wird eingerichtet. Die Teilnehmer pikieren unzählige kleine Pflänzchen, die sich unter dem wärmenden Glasdach gut entwickeln können und später in die Hügelbeete eingesetzt werden sollen. Das geht mit kleinen Pikierstäbchen, aber auch genauso mit einem Bleistift oder dünnen Ästchen. Mit kleinen Sprühflaschen werden die Pflänzchen benetzt. Das Wasser dafür hat sich in den Eimern schon etwas von der Sonne erwärmt.

Bauer Martin aus Siegsdorf liefert Eichen- und Birken-Holz. Das Holz muss passend für die Hügel zurechtgeschnitten werden. Dafür haben die Schöpfungsgärtner Sägen, Äxte, Haumesser, Astscheren, Gartenscheren  und Handschuhe mitgebracht.  Wem das Grobe nicht liegt, zieht sich in das Gewächshaus zurück und hilft beim Pikieren der Pflänzchen.

Regen-Pause: Samstag und Sonntag, 21. und 22.3. 15

Die geplanten Arbeiten fallen aus, da es nass und unbeständig ist,

Spontan-Termin aufgrund des günstigen Wetters: Montag, 23.3.2015

Per Rundmail informiert Karin Frank kurzfristig alle Traunsteiner Schöpfungsgärtner. Denn die Arbeit muss zügig vorangehen, ist aber sehr wetterabhängig. Es geht darum, die Gunst der Stunde zu nutzen und alle Vorarbeiten für die bevorstehenden Baggerarbeiten zu leisten:

Ein Bauer hat schon Frühjahrsschnitt, dünne Stämme, dicke Äste angeliefert, die später die Basis für die Hügelbeete werden. Das dünne Astwerk muss kleingeschnitten werden und auch die Hecken entlang der Wiese werden runtergeschnitten. Dafür sind einige Männer mit Motorsägen im Einsatz. Der Schnitt wird in Kürze benötigt für den Aufbau der Hügelbeete. Doch wenn der angekündigte Bagger kommt, muss er freie Bahn haben und kein Astwerk darf dann im Weg liegen. Die Teilnehmer kommen und gehen wie in einem emsigen Bienenstock und geben sich Werkzeug und Arbeit in die Hand. Eine Grüppchen hat zwischenzeitlich die Freiluftküche organsiert und versorgt alle fleißigen Helfer mit einer Stärkung. „ Alles fügt sich wunderbar- jeder trägt nach seinen Fähigkeiten und zeitlichen Kapazitäten zum Gelingen des Großen ganzen bei“, freut sich Karin Frank. Erwin Kiefer, der das Permakultur-Projekt in Aschau betreut, wird auch in Traunstein dabei sein und sich unter anderem auch um Finanzen kümmern.

Der Bagger kommt: Dienstag, 24.3.2015  

Es ist ein Glücksfall, der dem Schöpfungsgarten zugute kommt: Das Studienseminar hat einen Bagger organisiert, der das bisherige Freibad des Seminars für den Umbau zum Badeteich teilweise mit Erde auffüllt. So zieht der Bagger im Anschluss daran auch schon gleich die Formen für die Hügelbeete. Der Aushub wird später wieder gebraucht und bleibt daher direkt entlang der nun schon erkennbaren Beet-Formationen liegen. Mary, 74 Jahre, ist überglücklich, denn sie sieht, wie das Gemeinschafts-Projekt in kürzester Zeit Formen annimmt. Abends ist die Hälfte der Baggerarbeiten geschafft.

Zweiter Bagger-Termin: Mittwoch, 25.3. 2015

Ab 7°°Uhr rückt der Bagger noch einmal an: Die Arbeit zwischen den Bäumen ist eine Herausforderung für den Baggerfahrer. Noch ist es trocken und Karin Frank ist vor Ort, um zusammen mit Erwin Kiefer, und weiteren Helfern die Gunst der Stunde zu nutzen. Auch heute geht es darum, Äste zu schneiden und nach Größe zu sortieren. Dann kann Zug um Zug begonnen werden, die Hügel aufzubauen, beginnend mit den dicksten Ästen. Von den sehr stacheligen Weißdornzweigen werden nur die verwertbaren größeren Äste herausgeschnitten. Bis zum Abend werden alle Baggerarbeiten fertig gestellt.

Beete-Bau mit Unterbrechungen: Donnerstag, 26.3. 2015

Das Studienseminar stellt den Schöpfungsgärtnern Schubkarren zur Verfügung, eine riesengroße Erleichterung für die nächsten Arbeitsschritte.  Aufgrund des unbeständigen Wetters nutzen Karin und Erwin die Regengüsse für Büroarbeiten. In den trockenen Tagesabschnitten kommen immer wieder Traunsteiner in ihren neu entstehenden Garten und transportieren mit den Schubkarren zunächst die dicken Äste auf die Beetgräben.

 Besprechung: Freitag, 27.3. 2015

Besprechung im Studienseminar: So viele Ideen zum Campus und Lehrgarten„Naturnahes Leben Lernen“ wollen in die Wege geleitet werden. Aber auch Organisatorisches ist zu besprechen bis hin zur Entwicklung eines Gutschein-Systems für die gerechte und sinnvolle Verteilung der Ernte.

Für Samstag ist trockenes Wetter angekündigt. Daher werden alle Schöpfungsgärtner per mail eingeladen. Karin Frank wird den nächsten Arbeitsschritt erklären: Wie genau wird das feinere Holz zwischen und auf die größeren Äste aufgeschichtet, sodass bald formschöne und kompakte Hügel entstehen? Schon so viel vorweg: Da die Aufschichtung wie ein 3D-Puzzle funktioniert, ist es wichtig, die Holzteile übersichtlich vor Ort zu platzieren, so dass man passende Teile schnell finden kann. Und das dünne Gestrüpp wird so hergerichtet, dass es eng zusammengelegt werden kann. Damit lassen sich Lücken zwischen den dicken Ästen auffüllen. „Es ist für mich selbst auch immer wieder faszinierend, dass wir alles vorhandene Material integrieren können. So ist der Sinn des natürlichen Kreislaufs von Anfang an erfüllt“, schwärmt Karin Frank.

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Zukunftsplanung bei frisch geernetem Salat

Von der Disziplin, nicht zu gießen

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So entsteht ein Hügelbeet

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Der Schöpfungsgarten wächst und gedeiht

Gemeinschaftsgärten: Wo Sie mitmachen können