Den Menschen ist eine tiefe Sehnsucht in die Gene geschrieben, sich in freier Natur zu bewegen. Wenn dann noch Kunst hinzu kommt, die uns neue Dimensionen des Sehens und Erkennens eröffnet, dann entstehen daraus Orte, an denen die Seele sich zu erheben beginnt. Von Martina Guthmann.

Wenn Menschen von einer besseren Welt träumen, stellen sie sich fast immer einen Garten vor – der Garten Eden ist Sinnbild einer Welt ohne Kummer und Sorgen. Seit der Vertreibung aus dem Paradies ist indes alles auf der Welt mühsam geworden, auch das Erschaffen von Naturlandschaften, in denen sich unsere Ideale und Sehnsüchte widerspiegeln.

Egal, welchen Typ die Kreateure von Landschaftskunst vor Augen hatten und haben – den französischen Gartenstil, der mathematischen Gesetzen folgt und die Natur in ein starres Korsett zwingt, den Stil der englischen Gärten, der die Grenzen zur freien Natur vergessen macht oder den modernen Stil, der sich über die früheren Gesetze der Gartenbaukunst hinwegsetzt – eines steht fest: es bedarf einer großen Vision und einer Menge Geld und Durchhaltevermögen, um seinem inneren Bild von einem idealen Ort Gestalt zu verleihen.
Beispiel Muskau, der größte europäische Landschaftspark im englischen Stil: Besessen von der Vision, seine Stadt samt Umland durch einen „herrlichen und großen Garten“ zu verschönern, zog Fürst Hermann von Pückler (nach dem die gleichnamige Torte benannt wurde) alle ihm zur Verfügung stehenden Register: Inspiriert von dem damals richtungsweisenden Landschaftsgarten im englischen Stourhead beauftragte der Standesherr Muskaus den Landschaftsgärtner Jacob Heinrich Rehder mit diesem zur damaligen Zeit ebenso innovativen wie gigantomanen Landschafts-Umgestaltungs-Projekt. Seine Inspirationen schöpfte er aus vielen Fernreisen, die ihn nach Afrika, den Vorderen Orient, Ägypten oder Griechenland führten und bei denen er immer wieder Nachahmenswertes für seinen Stammsitz an der Lausitz fand. Um diese ihm vor seinem inneren Auge vorschwebenden Bilder in die Wirklichkeit umzusetzen scheute Pückler keine Mühen und Kosten. Der extravagante Dandy und Lebemann verschuldete sich für seine Gärten, die er noch mehr liebte als seine Frauen, grenzenlos. Und er kannte auch keine moralischen Grenzen: In England ging er mit dem Segen seiner Geliebten auf Brautschau, um damit neues Geld aufzutreiben.

Ein anderes Beispiel für die alle Hindernisse ausräumende Kraft der Vision sind die „7000 Eichen“ in Kassel. Als der Künstler Joseph Beuys im Jahr 1982 kurz vor der documenta 7 den ersten Baum pflanzte und die erste Basaltstele daneben setzte, war die Reaktion der Kasseler Bevölkerung verhalten bis ablehnend. Jahrelang lagen mitten in der Stadt die Basaltsäulen für die noch zu pflanzenden Bäume und bildeten damit ständige Steine des Anstoßes. Es war eine große Leistung des Pflanzbüros, Standorte für 7000 Bäume zu finden, wobei aufgrund der Bodenbeschaffenheiten nicht nur Eichen, sondern auch Eschen, Linden, Platanen, Robinien, Kastanien gepflanzt wurden. Und zu jedem Baum wurde eine Basaltstele gestellt. Mit der Zeit verwandelte sich Ablehnung in Akzeptanz und der Widerstand war endgültig geschwunden, als fünf Jahre nach Beginn der Aktion der Sohn des inzwischen verstorbenen Künstlers in sieben Meter Abstand neben dem ersten Baum den letzten der 7000 Bäume pflanzte. „Ich will mehr und mehr herausgehen, um zwischen den Fragen der Natur und den Fragen der Menschen an ihren Arbeitsplätzen zu sein. Das wird eine erneuernde Tätigkeit sein; es wird ein Heilungsprozess sein für all die Fragen, vor denen wir jetzt stehen“, so beschrieb Beuys seine Motivation für das Projekt.

Ob die Kunst Wunden aufreißt, die durch die Kraft der Natur geheilt werden? Auch beim Projekt „kunstwegen“ scheint das so zu sein. Um die Verbindung von Natur und Kunst zu verhindern, hatte sich am Fluss Vechte erbitterter Widerstand formiert. Streitpunkt war unter anderem eine 270 Meter lange Ankerkette aus dem Hafen von Ravenna, mit deren Hilfe der Künstler Luciano Fabro einem in Vergessenheit geratenen Hügelgrab aus der Bronzezeit zu neuer Wahrnehmung verhelfen wollte. Immer wieder schlossen sich die Bauern aus der Umgebung zusammen, um der Verlegung der schweren Kette einen Riegel vorzuschieben. Heute versinkt die tonnenschwere Ankerkette selbst langsam im Boden und wird dennoch von einer wachsenden Besucherschar aufgesucht: Als ungewöhnliches Denkmal, das uns mit gesteigertem Bewusstsein die uns umgebende Natur wahrnehmen lässt.

Foto: Monika Frei-Herrmann

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