Das alte Wissen um die Fähigkeiten und Eigenschaften  der verschiedenen Baumarten war lange Zeit nur noch einem kleinen Kreis von Eingeweihten bekannt – nun beginnen sich auch die Konsumenten wieder verstärkt für die Vorzüge verschiedener Holzsorten zu interessieren.

Kann man sich in Bäume verlieben? Mauro Corona, Holzbildhauer aus dem italienischen Erto meint dazu: „Ja!“. Ihm passierte dies beispielsweise mit der Zirbelkiefer. „Wenn ich im Herbst in meiner Werkstatt eine Auswahl von Zirbelkieferstämmen lagere, die nur darauf warten, bearbeitet zu werden, erfüllt mich dies mit tiefster Zufriedenheit“, schreibt der renommierte Holzbildhauer und Holz-Liebhaber in seinem Buch „Die Stimme des Waldes“. „Die Zirbelkiefer hat den vollkommenen inneren Frieden erreicht“, so philosophiert Mauro über ihre Eigenschaften. Und er schließt von sich auf andere: „Ihre Gegenwart ist für alle eine reine Freude.“

So wie Mauro Corona pflegen Menschen auf der ganzen Welt intensive Beziehungen zu Bäumen – Beziehungen, die allerdings ganz unterschiedliche Formen annehmen können. Die kalifornische „Baumfrau“ Julia Butterfly Hill beispielsweise verbrachte 738 Tage auf einem 1000jährigen Redwood, um ihn so vor dem Zugriff einer Holzfirma zu retten. Was für das ehemalige Fotomodell ursprünglich als kurzfristige Protestaktion gegen den Kahlschlag von altem, unwiederbringlichem Wald geplant war, entwickelte sich für die damals 22jährige zu einem Engagement auf Leben und Tod. Sie trotzte in 60 Meter Höhe den Naturgewalten in Form von Hagelstürmen oder Orkanen und ließ sich auch durch Hubschrauber, Lärmterror oder grelles Scheinwerferlicht nicht dazu bewegen, ihre Mission vor dem Erreichen ihres Zieles zu beenden. Eine ähnliche Konsequenz legt die peruanische Kleinbäuerin Senovia Rios Figueroa an den Tag. Um wenigstens einige wertvolle Mahagoni-Bäume im Regenwald Perus vor den Kettensägen der Holzfäller zu bewahren, begaben sie und ihr Sohn sich in große Gefahr. Für die Anerkennung ihrer Landrechte führten die beiden einen zunächst aussichtslos scheinenden Kampf gegen profitgierige Holzfäller, korrupte Polizei und Militär. Ihr Sohn wurde verhaftet und ein Jahr im Gefängnis festgehalten. Nach vielen Anstrengungen kam er frei und die Holzfäller verließen schließlich das illegal besetzte Land.

Während ihre Schutzaktion für die Bäume die Bäuerin Senovia Rios Figueroa bis an den Rand der Verzweiflung geführt hat, kann der nachhaltige Umgang mit Bäumen beziehungsweise Holz auch neue Lebensperspektiven eröffnen. Elisabeth Groß beispielsweise hat in der künstlerischen Arbeit mit Holz ihre Berufung gefunden. In letzter Zeit arbeitet die Holzbildhauerin aus Bornheim aus gesundheitlichen Gründen zwar überwiegend nur noch an großen Skulpturen. Aber ihre intensive Beschäftigung mit verschiedenen Holzarten hat zu früheren Zeiten in ihren Händen wie fast von alleine etwas entstehen lassen, was sie „Handschmeichler“ nennt: blank geschmirgelte Holzstücke, die so angenehm in der Hand liegen, dass sie auf den Benutzer einen beruhigenden Effekt ausüben. Schmeichler aus 185 verschiedenen Holzarten hat Elisabeth Groß über die Zeit hinweg angefertigt und je nach Temperament und Verfassung ihrer Kunden fühlten diese sich von unterschiedlichen Materialien angesprochen. Nach der Erfahrung der passionierten Sammlerin hat „jedes Holz seinen eigenen Charakter und entfaltet seine individuelle Kraft“.

Die Beobachtungen von Mauro Corona gehen in die gleiche Richtung: „Bäume sind wie Menschen mit guten und schlechten Eigenschaften“, zieht er das Fazit. Doch in der modernen Industriegesellschaft ist den meisten Zeitgenossen der Sinn für diese Eigenschaften abhanden gekommen – dabei sind das menschliche Leben und die Entwicklung der Zivilisation aufs Engste mit Holz verbunden. Das beschreibt der Autor Joachim Radkau ausführlich in seinem lesenswerten Buch „Holz – Wie ein Naturstoff Geschichte schreibt“. Der Bau von Häusern, das Bergwerkswesen, das Sieden von Salz, der Bau von Schiffen, der Betrieb von Schmieden, Bäckereien, Brennöfen von Töpfern, Kalk- und Ziegelbrenner – Glanz oder Untergang ganzer Nationen wurden maßgeblich von Holz beeinflusst.

Auch heute noch spielt Holz für das globale Leben eine wichtige Rolle: Die Regenwälder Amazoniens, die Wälder der Tundra und Taiga tragen maßgeblich dazu bei, klimaschädliches CO2 in Sauerstoff umzuwandeln. In den Ländern Afrikas ist Holz nach wie vor der am häufigsten eingesetzte Brennstoff – auch wenn Holz in Ländern wie Uganda so knapp geworden ist, dass die Frauen stundenlange Gewaltmärsche auf sich nehmen müssen, um genügend Holz zum Essenkochen zu sammeln.

Hierzulande feiern die lange vernachlässigten Wälder derzeit eine Renaissance und werden zunehmend zum Wirtschaftsfaktor. Mit dem Boom von Holz- oder Pelletheizungen lohnt es sich wieder, dem Wald intensive Pflege und eine nachhaltige Bewirtschaftung angedeihen zu lassen. Schon heute sparen die 90.000 Holzpelletheizungen in Deutschland so viel Heizöl ein wie in einen Öltanker von der Größe der Exxon Valdez hineinpasst – das entspricht rund 600.000 Tonnen CO2. Jenseits des Klimaschutzes wird Holz aber auch als faszinierender Grundstoff für Alltagsgegenstände neu entdeckt: Sei es in Form von behaglichen Kirschholzmöbeln, als robustes Eichenparkett oder in Form von unbehandelten Eschen-Stielen für Gartenwerkzeuge, mit deren Hilfe die Gartenarbeit schwielenlos von der Hand geht. Es lohnt, sich der vielfältigen Fähigkeiten und Eigenschaften von Holz zu besinnen und diese bewusst in den Alltag zu integrieren.

Foto: Monika Frei-Herrmann

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