„Ethik ist wichtiger als Religion“, lautet die Mission des Dalai Lamas. Durch Bücher, aber auch durch Auftritte wie in Frankfurt am Main, versucht der Tibetische Religionsführer diese Haltung den Menschen nahe zu bringen. Doch was ist grundsätzlich unter dem Begriff „Ethik“ zu verstehen? Quell-Autorin Helga Ranis hat sich damit auseinander gesetzt:

Ethik – das Wissen vom richtigen Tun 

Der Begriff Ethik stammt aus dem Griechischen und bedeutet das sittliche Verständnis. Die Ethik befasst sich mit den Voraussetzungen und der Bewertung des menschlichen Handelns.  Als philosophische Disziplin findet sie sich bereits bei Aristoteles.  Die erste schriftlich verfasste und überlieferte Ethik ist die Nikomachische Ethik, in der sich Aristoteles mit dem menschlichen Handeln und den Tugenden auseinandersetzt.  Ethik ist der Bereich der Philosophie, der den Gesamtbereich des menschlichen Handelns und die Reflexion darüber zum Gegenstand hat.  Aber bereits vor Aristoteles, bei Sokrates, hat die Ethik als Gewissensentscheidung einen hohen Stellenwert.  Sokrates ging es um sittliches Wissen, um die Unterscheidung von Gut und Böse. Er glaubte an die menschliche Vernunft sowie an klare und allgemeingültige Regeln für das Zusammenleben. Wer Rechenschaft über sich und sein Leben ablegt, weiß, wie man sich verhalten muss, um zum wahren Menschen zu werden. Wer weiß, was richtig ist, wird auch das Richtige tun.

Ethik versus Moral

Im Zentrum der Ethik steht somit das reflektierte und verantwortungsbewusste Handeln. Auf den Punkt gebracht findet sich dieses bei Kant mit einer seiner berühmten W-Fragen,  „Was soll ich tun?“  und mit der Beantwortung dieser Frage mit dem kategorischen Imperativ.  Die Ethik als philosophische Disziplin ist Teil der Praktischen Philosophie. Cicero übersetzte als erster den griechischen Begriff ethiké als philosophia moralis, als Moralphilosophie. Diese Definition ist aber insofern nicht ganz zutreffend, als man zwischen Ethik und Moral unterscheiden muss.  Ethik bedeutet das grundsätzliche Wissen um das richtige Handeln und Tun und das Ausüben derselben in der Praxis. Die Moral dagegen zielt auf den Einzelfall ab und hat auch immer die Umwelt im Blick. Die Ethik steht sozusagen über der Moral.Die Moral besteht aus Normen, die Ethik aus Werten, die über der Moral stehen.  Moral ist in Bezug auf andere (was sollen denn die Leute sagen?) während Ethik die reine Handlung ist.  D.h. ethisch kann man auch dann handeln, wenn uns gerade niemand beobachtet. Moralisch handelt man, wenn wir Zeugen unseres Handelns haben.  Ethisch handelt man, wenn eine Handlung grundsätzlich erfolgt oder nicht erfolgt. In diesem Sinne steht die Ethik über der Moral.

Ethisches Handel wichtiger denn je 

Ethisches Handeln scheint heute erforderlicher als je zu sein und es betrifft nicht nur die Verantwortlichen in Politik und Wirtschaft und auch nicht nur die „ganz großen Themen“. Vielmehr sollten wir  unser  Alltagsverhalten reflektieren und überlegen, wie wir im Alltag zur Gestaltung einer besseren Welt beitragen können. Denn die Verhaltensweisen im Kleinen, z.B. wie ich den Menschen in meiner Umgebung begegne oder wo und welche Kleidung oder Lebensmittel ich kaufe, wirken sich auf diejenigen im Großen, in der Gesamtheit aus und können dadurch auch Einfluss auf Politik und Wirtschaft haben.  Die Ethik als praktische Philosophie könnte somit zum Gelingen einer besseren Welt beitragen.

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