Öko-Mode schmeichelt der Haut und dem Aussehen. Von Andrea Tichy.

Von der „Liebe auf den ersten Blick“ ist wohl jeder schon beim Einkaufsbummel getroffen worden. Man sieht es im Schaufenster und weiß sofort: „Dieses Teil will ich haben.“ Leider war die spontane Verliebtheit in der Vergangenheit nur allzu oft von der Optik geprägt und beim Tragen enttäuschten die inneren Werte. Heute verstärkt sich das positive Gefühl immer häufiger in der Umkleidekabine: Wenn sich das Teil so gut anfühlt, dass man es am liebsten gar nicht mehr ausziehen möchte. Öko-Textilien gelingt es zunehmend, die inneren und äußeren Werte eines Kleidungsstücks auf einen Nenner zu bringen.

Zu Beginn der Öko-Bewegung war das mit der Gesundkleidung so eine Sache. Sie war häufig langweilig, schlabberig, in verwaschenen Farben und ließ deren Träger bei der ersten Begegnung in die Müsli-Schublade einordnen. „Man pflegte beim Kauf sein gutes Gewissen, wirkte aber in den Sachen geschlechtslos und irgendwie tragisch“, so konstatiert Fred Grimm, Autor des Buches „Shopping hilft die Welt verbessern“. Kein Wunder, dass sich die Käufer zugunsten ihres Aussehens lieber mit konventioneller Bekleidung ausstatteten. – Und das, obwohl die chemischen Keulen der Textilindustrie zahlreich sind. Nicht weniger als 7.000 verschiedene Substanzen stehen den Textil-Ausrüstern zur Verfügung, um Stoffe knitterfrei, kuschelweich, pflegeleicht oder glänzend zu machen.

„Wenn Kleidung zur Reizwäsche wird…“, so lautet der Titel einer Pressemeldung von Greenpeace. Auf dem Weg vom Feld über die Fabrik in den Schrank verwandelten ganze Bäder von Chemikalien unsere Kleidung allzu oft in Reizwäsche für Umwelt und Gesundheit. Wenn T-Shirts, Hosen, selbst Kleider oder Mäntel zum schnelllebigen Wegwerf-Produkt werden, dann haben viele Hersteller nur noch ein Ziel vor Augen: mit Hilfe von Chemie die Kosten bei der Herstellung so weit wie möglich zu drücken. Und so ist die Bekleidungsindustrie zum Großabnehmer von Chemikalien geworden: rund ein Viertel der weltweit produzierten Chemikalien kommen dort zum Einsatz.

  • Azofarben zum Beispiel sorgen bei Baumwolle, Wolle und Seide für kräftige Farben. Manche von ihnen können krebserregende aromatische Amine entwickeln, wenn sie auf der Haut durch Schweiß gespalten werden.
  • Ein anderes Beispiel ist Formaldehyd, das unter anderem für die „Pflegeleicht-Veredelung“ eingesetzt wird. Das giftige Gas kann auf der Haut ätzend wirken und Kontaktallergien verursachen.  Blei läßt sich in so manchem T-Shirt-Aufdruck nachweisen. Das Nervengift kann sich in kleineren Mengen über einen längeren Zeitraum im Körper anreichern und eine chronische Vergiftung hervorrufen, die sich unter anderem durch Kopfschmerzen, Müdigkeit oder Fruchtbarkeitsschäden zeigt.
  • Das Metall Nickel, das bereits bei 15 Prozent der Deutschen eine Allergie ausgelöst hat, findet sich nicht nur in Knöpfen und Accessoires, sondern wird auch zum Einfärben von Textilien eingesetzt.

Ganz anders produziert Hess Natur, Europas größter Ökotextil-Hersteller: Statt Synthetik und Chemie einzusetzen setzt das Butzbacher Unternehmen konsequent auf Naturfasern – von der Unterwäsche bis hin zum kleinen Schwarzen. In eigenen Richtlinien hat die Firma genau festgelegt, womit und wie ihre mittlerweile 800 verschiedenen Sortiments-Teile produziert werden dürfen. Alle reinen Baumwoll-Artikel stammen zu 100 Prozent aus kontrolliert ökologischem Anbau. Beim Färben und Ausrüsten der Textilien verzichtet das Unternehmen grundsätzlich auf umwelt- und gesundheitsschädigende Hilfsmittel. Chlorbleiche und optische Aufheller gehören ebenso wenig ins Repertoire wie Motten- Käfer-Schutzausrüstung oder Filzfrei-, Bügelfrei- oder Pflegeleichtausrüstungen. Dass die Naturtextilien dennoch nicht verfilzen, nicht einlaufen und gleichzeitig atmungsaktiv, wärmend und hautfreundlich bleiben, erreicht das Unternehmen durch mechanische Ausrüstungsverfahren, an deren Verfeinerung die sechsköpfige Technoloie-Abteilung permanent tüftelt. Auch bei den Zutaten macht das Unternehmen keine Kompromisse: Knöpfe, Reißverschlüsse und Ornamente bestehen aus reinen Naturmaterialien, etwa aus Steinnuss, Perlmutt, Horn, Holz, Leder oder Glas. Metallteile sind prinzipiell chrom- und nickelfrei.

Während sich in den vergangenen Jahren vor allem Allergiker von dieser Konsequenz überzeugen ließen, finden sich unter den mittlerweile 700.000 Hess-Käufern zunehmend auch modebewusste Kunden, die ganz unterschiedliche Stile pflegen. Als „selbstverständlich weiblich“, fasst Hess-Chefdesig-nerin Christiane Ulm das Frauenbild zusammen, das bei der Ausrichtung der Kollektion vor Augen hat. Längst passé sind die emanzipationsbewegten Zeiten, in denen die Kundinnen ihre Weiblichkeit ablehnten und ihre Kurven unter wallenden Kleidern oder weiten Latzhosen lieber versteckten. Heute darf Öko-Kleidung ruhig eng anliegend und sexy sein – ohne dabei sexistisch zu wirken.

Weltweit ist das zehnköpfige Design-Team von Hess Natur unterwegs, um die Modetrends einzufangen: von New York bis Kopenhagen, von London bis Antwerpen. Bei aller Orientierung an Trends folgt die Entwicklung der Kollektionen von Hess Natur dennoch nachhaltigen Prinzipien: „Das was wir machen, soll wie eine zweite Haut sein. Wir wollen niemanden verkleiden, sondern die Persönlichkeit des Trägers in den Vordergrund stellen“, sagt Chefdesignerin Christiane Ulm. Wobei ihr eines ganz wichtig ist: „Der Kunde muss unsere Mode lange tragen können.“ Aus diesem Grund lassen sich neue Teile immer auch mit Stücken der vorherigen Kollektionen gut kombinieren. So hält es auch Christiane Ulm selbst: In dem Outfit, das sie zum Quell-Gespräch trägt, hat sie Rock, Bluse und Jacke unterschiedlichen Alters miteinander kombiniert und überzeugt durch selbstbewusste Lässigkeit: „Es ist eine Styling-Frage, alt und neu zu kombinieren“, so Ulm.

Trotz seiner Vorreiter-Stellung in Sachen Naturmaterialien bekommt Marktführer Hess Natur zunehmend Konkurrenz – von extravagenten Modedesig-nern, kleinen Mode-Labels oder von Großanbietern wie dem Otto-Versand, der mittlerweile zum weltweit viertgrößten Anbieter von Kleidung aus Bio-Baumwolle geworden ist.
Der Jeans-Hersteller Levi‘s hat mittlerweile „Eco-Jeans“ aus „hundert Prozent organischer Baumwolle“ im Angebot, die nach eigenen Angaben ausschließlich mit natürlichem Indigo gefärbt sind.

„Bei den großen ‚Fashion Weeks‘ von New York, London oder Paris gehörten die Schauen der Desig-ner, die mit umweltfreundlichen Materialien experimentieren zu den heimlichen Höhepunkten der Modewochen“, beobachtet Autor Fred Grimm. „Die Show ‚Future Fashion‘ in New York zeigte einem erstaunten und begeisterten Publikum, was 35 internationale Modeschöpfer von Oscar de la Pena über Linda Loudermilk bis Norma Kamali mit Materialien wie Bambus- und Kornfasern oder organisch angebauter Baumwolle alles anstellen können.“ Grün liegt eben voll im Trend: Ob New York, Kopenhagen oder Frankfurt am Main.

Baumwolle: Spitzenreiter in Sachen Umweltbelastung.

Konventionelle Baumwolle – die zur Hälfte den globalen Faserbedarf bedient – ist sehr anfällig für Insekten. Daher werden beim Anbau große Mengen hoch giftiger Insektizide sowie Pestizide eingesetzt. Die Folgen für Gesundheit und Umwelt sind dramatisch – so dramatisch, dass immer mehr Beteiligte umdenken. Auch wenn zertifizierte Bio-Baumwolle erst einen winzigen Bruchteil der weltweiten Ernte beträgt – rund 0,1 Prozent – ist in Sachen Umweltverträglichkeit einiges in Bewegung geraten. So hat beispielsweise die FSAF – die Foundation for Sustainable Agriculture und Forestry in Developing Countries – das Projekt „Cotton made in Africa“ ins Leben gerufen. Es hat sich zum Ziel gesetzt, mehr als 180.000 afrikanische Bauern im Einsatz von Düngemitteln und Pestiziden besser zu schulen und für den Rohstoff verlässliche Preise zu zahlen, beides wichige Schritte in Richtung Nachhaltigkeit. Die erste Ernte soll etwa 10.000 Tonnen Baumwolle einbringen – das entspricht einer Menge von 12 Millionen T-Shirts. Handelspartner wie der Otto-Versand oder Tom Tailor haben sich dazu verpflichtet, „Cotton made in Africa“ abzunehmen.

Öko-Siegel

Öko-Siegel: Rund fünf Prozent der Textilien in Deutschland tragen ein Öko-Siegel, Tendenz steigend. Das weltweit bekannteste Textil-Öko-Label ist „Öko-Tex-Standard 100“.  Es prüft das Endprodukt auf die Einhaltung von Schadstoff-Grenzwerten. Die Umweltorganisation Greenpeace hält diesen Standard für nicht ausreichend und empfiehlt stattdessen beispielsweise: Hess Natur, purewear, IVN Naturtextilien, Green Cotton oder IFOAM.

Foto: Hess Natur

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