„Man kann die Vergangenheit nur genießen, wenn man nicht an die Zukunft denkt, das heißt die Zukunft der Vergangenheit.“ Diese höchst philosophische Feststellung fand ich nicht bei einem der großen Philosophen, sondern vielmehr in einem Kinderbuch; in dem Buch “ die Kinder von Arden“ von Edith Nesbit, das 1908 erstmals in englischer Sprache erschienen ist.  Dieser Spruch lädt uns ein, den Augenblick zu genießen, ähnlich dem lateinischen “ carpe diem“ und nicht an die Zukunft, nicht an das Gleich, Später oder Morgen zu denken. Wir sollen uns jetzt freuen und den Moment genießen und nicht darüber nachdenken, ob der Anlass der Freude oder des Genusses nachher, morgen oder zu einem späteren Zeitpunkt   noch vorhanden ist bzw. darüber, dass das nicht mehr der Fall sein könnte. Denn, was jetzt Gegenwart ist, gehört nach einem Bruchteil einer Sekunde schon der Vergangenheit an, ist unwiderruflich vorbei und kann nicht mehr rückgängig gemacht werden. Dennoch kann und soll man dieses Vergangene in guter Erinnerung behalten, sich darüber freuen, daran denken, wobei das durchaus manchmal auch mit Wehmut verbunden sein kann, es auf sich beruhen und das, was schön war, immer noch auf sich wirken lassen, es genießen, auch wenn es vorbei ist.“ Das Schönste ist die Erinnerung“, sagt eine alte Redensart. Und dieser Spruch ist genauso weise wie der aus dem genannten Kinderbuch. Von einem besonderen Erlebnis, der Begegnung mit einem besonderen, für einen selbst sehr wichtigen Menschen, kann man aus der Erinnerung heraus immer noch zehren oder sich darüber freuen, immer noch im Rückblick genießen, auch wenn der konkrete Anlass vorbei ist, sich nicht wiederholen lässt und es auch keinen neuen Anlass gibt.  Eine gute Theateraufführung, ein Konzert mit einem Künstler oder einer Künstlerin, der oder die einem viel bedeuten, können lange Zeit in den Alltag wirken und Kraft geben, diesen zu meistern, auch wenn man weiß, dass man diese Theateraufführung oder diesen Künstler/diese Künstlerin nicht mehr sehen wird. Die Vergangenheit genießen zu können, kann ein Stück weit zu einem gelingenden Leben beitragen. Auch wenn die Kinder größer und selbständiger werden und die Konflikte nicht ausbleiben, kann man sich über die Vergangenheit freuen, als sie noch klein und anhänglich waren. Auch wenn eine Beziehung mittlerweile gescheitert ist, kann man immer noch gerne an den ersten gemeinsamen Urlaub zurückdenken. Die Vergangenheit genießen zu können, bedeutet nicht, dass man wie mit verbundenen Augen durch die Gegenwart geht, sondern es bedeutet, darüber zu reflektieren und den Blick ab und zu nach innen zu richten. Von Helga Ranis.