Sieht so wirklich unsere Zukunft aus? Um die Erde abzukühlen, pumpen Ingenieure durch einen Schlauch flüssiges Schwefeldioxid in die Stratosphäre – als Schutzschild gegen die Sonne. Auf den Ozeanen fahren Boote, die mit Unterwasserturbinen Salzwasser in den Himmel sprühen und künstliche Wolken erzeugen, um die Sonne abzuhalten. Christine Mattauch berichtet aus New York.

Die Vision ist beklemmend, aber keineswegs irreal. Gezielte Eingriffe in das Klima rücken immer mehr in den Bereich des Machbaren. Geo-Engineering, so der Fachausdruck, war bis vor wenigen Jahren ein Randthema, das außer ein paar Spezialisten höchstens Science-Fiction-Begeisterte oder Technikverliebte ernst nahmen. Doch je mehr die Kohlendioxid-Belastung und mit ihr die Erderwärmung zunimmt, desto mehr wird das Basteln am Klima eine Möglichkeit, über die sich Gegner und Befürworter heftige Debatten liefern.
Was ist von Geo-Engineering zu halten? Fest steht: Mit der Thematik beschäftigen sich seriöse Wissenschaftler, zum Beispiel David Keith, Physikprofessor an der University of Calgary. Seit den 1980er Jahren hat er darum gekämpft, dass seine Forschungen Beachtung finden – jetzt auf einmal ist er gefragter Experte. „In den vergangenen Monaten war ich zu Hearings sowohl im amerikanischen Kongress als auch im britischen Parlament eingeladen“, sagt er. „Das hätte ich mir früher nicht träumen lassen.“ Die britische Royal Society, die renommierteste und älteste Wissenschaftsgesellschaft der Welt, gab vor eineinhalb Jahren ihren ersten Report zum Thema heraus. Sie fordert, in den nächsten zehn Jahren hundert Millionen Pfund für Forschung bereit zu stellen. Denn: Geo-Engineering könnte eines Tages „unsere einzige Hoffnung“ sein.
Ganz falsch, sagen die Gegner des Geo-Engineering, unsere einzige Hoffnung ist die Änderung unserer Lebensweise. Sie sehen die Gefahr, dass der Druck zur CO2-Einsparung sinkt, wenn die Leute glauben, das Problem sei durch simple Technik zu beheben.

Geo-Engineering als letzter Ausweg?
Mehr als 100 Umweltorganisationen unterstützen den internationalen Aufruf „Hands off Mother Earth“ (Hände weg von Mutter Erde), der im vergangenen Frühjahr gestartet wurde. „Unsere Heimat ist kein Laboratorium“, warnen sie. Sie befürchten, dass das Klimageschehen viel zu komplex ist, um Folgen und Nebeneffekte beherrschen zu können. „Vielleicht können Sulfate in der Stratosphäre die Erde kühlen, aber sie können zugleich den Monsun in Afrika und Asien beeinträchtigen und damit Wasser und Nahrung für zwei Milliarden Menschen“, heißt es in dem Aufruf.
Die Politik scheint gespalten. Ende Oktober beschlossen im japanischen Nagoya mehr als 190 Staaten ein Moratorium zu Geo-Engineering. Der Text lässt jedoch viele Möglichkeiten offen, denn er besagt lediglich, dass die Techniken nicht im großen Stil angewendet werden sollen, bevor sie wissenschaftlich abgesichert sind und die Risiken angemessen gewürdigt wurden – eigentlich eine Selbstverständlichkeit. Kleine Forschungsvorhaben werden sogar ausdrücklich zugelassen.
Das ist wohl auch ganz sinnvoll. Fachleute argumentieren, dass Geo-Engineering als „letztes Mittel“ verfügbar sein muss. Sollte sich der Klimawandel drastisch beschleunigen, könnten künstliche Wolken und Schutzschilder aus Schwefelteilchen „der einzige Weg sein, die globalen Temperaturen rasch abzusenken“, so die Royal Society. Dass dies prinzipiell funktioniert, wurde etwa bei Vulkanausbrüchen nachgewiesen, die SO2 in den Himmel schleudern. Den Fundamentalgegnern, die glauben, dass Geo-Engineering zu viele Risiken hat, halten die Befürworter entgegen, dass dies eher dafür spricht, mehr zu forschen und nicht weniger.

Geschäftsfeld künstliche Natur
Auch deutsche Wissenschaftler gehen das Thema an. Am Hamburger Max-Planck-Institut für Meteorologie läuft ein 1,3 Millionen teures interdisziplinäres Projekt, finanziert aus Mitteln der Europäischen Union. Auch am Marsilius-Kolleg der Universität Heidelberg gibt es eine Forschungsgruppe. Sie untersucht unter anderem, welche Technologien aus physikalischer und ökonomischer Sicht ernst zu nehmen sind und wie sich der gesellschaftliche Diskurs um Risiken und Chancen entwickelt.
Denn Geo-Engineering ist nicht gleich Geo-Engineering, es gibt unterschiedliche Methoden (siehe Randspalte). Physikprofessor Keith hat 4,5 Millionen Dollar von Multimilliardär Bill Gates erhalten, um ein System zu entwickeln, das Kohlendioxid in Natron bindet und auf diese Weise den Klimawandel mildert. „Das hat viel weniger Risiken, als wenn man versucht, die Sonneneinstrahlung zu manipulieren“, findet Keith. Mit einem ähnlichen Ansatz arbeitet Klaus Lackner, Geophysiker an der Columbia University in New York. Er entwickelt künstliche Bäume, die Kohlendioxid per Ionen-Austausch tausend mal schneller als der Luft herausziehen als ihre natürlichen Vorbilder. Dass die Technik prinzipiell funktioniert, hat Lackner im Labor der Columbia University bereits nachgewiesen. Der nächste Schritt ist der Bau eines Prototyps.
Doch während die Wissenschaftler echtes Erkenntnisinteresse treibt, werden in den USA Unternehmer aktiv, die in Geo-Engineering ein Geschäftsfeld sehen. Einer von ihnen ist Nathan Myhrvold, der 14 Jahre als Manager bei Microsoft arbeitete. Heute betreibt er nahe Seattle das Unternehmen „Intellectual Ventures“, das Patente entwickelt und verwertet. So hält Myhrvolds Firma die Rechte an einer Wirbelsturm-Prävention: eine Schlauch-Zylinder-Konstruktion, die das warme Oberflächenwasser der Ozeane nach unten wälzt. In San Francisco akquirierte das Jungunternehmen Climos 3,5 Millionen Dollar Risikokapital, um eine Technik zu entwickeln, mit der man die Weltmeere „düngen“ kann. Das soll das Wachstum von Algen begünstigen, die CO2 aus der Luft aufnehmen und in tiefe Wasserschichten katapultieren.
Physiker Keith findet das bedenklich. „Wenn Risikokapital eine starke Beteiligung an einem Geschäft hat, ist das notwendigerweise nicht mehr transparent. Es geht dann ums Verkaufen und nicht mehr um den wissenschaftlichen Fortschritt. Wir reden über eine Technologie, die möglicherweise das Überleben der ganzen Welt sichert. Die darf nicht in Privatbesitz sein.“

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