Wer kennt sie nicht, die Hoffnung? Wie viele Hoffnungen macht man sich im Laufe eines Lebens und wie viele Enttäuschungen resultieren aus falschen Hoffnungen? Viele glauben oder verbinden den Begriff Hoffnung mit der Erwartung, dass alles in Erfüllung geht, was wir uns wünschen. Die Kinder hoffen auf ein bestimmtes Geschenk, die Erwachsenen auf einen neuen Job, die Beförderung oder die große Liebe, die Schwerkranken hoffen auf Heilung.  Hoffnung bedeutet landläufig das Warten auf die Erfüllung unserer Erwartungen, in der Weise, wie wir sie uns wünschen. Geschieht das nicht, sind wir enttäuscht. Enttäuscht vom Schicksal oder, wenn wir religiös sind, enttäuscht von Gott, der unsere Wünsche nicht erfüllt hat. Dieser Hoffnungsbegriff ist sehr einengend und auf das Erfolgserlebnis fixiert.  Bleibt das Erfolgserlebnis aus, so sind wir enttäuscht und das, worauf wir unsere Hoffnung gerichtet haben, hat unser Vertrauen verloren. Der philosophische Begriff der Hoffnung ist ein anderer. Hoffnung ist, nach dem Philosophen und Mediziner Giovanni Maio, ein Offensein, für das, was kommen wird und das wir nicht ändern können und ein Vertrauen darauf, es bewältigen zu können. Hoffnung bedeutet nicht, an die Erfüllung unserer Wünsche zu glauben, sondern vielmehr das Vertrauen, mit deren Nichterfüllung bestehen und z. B. eine unheilbare Krankheit akzeptieren zu können. Es ist eine Hoffnung, die sich an den jeweiligen Verhältnissen anpasst und ein Zugeständnis an die Widrigkeiten des Lebens, auf die man keinen Einfluss hat. „Hoffnung ist nicht Optimismus, sie ist nicht die Überzeugung, dass etwas gut ausgeht, sondern die Gewissheit, dass etwas Sinn hat – ohne Rücksicht darauf, wie es ausgeht.“, so der tschechische Menschenrechtler Vaclav Havel. In diesem Sinne kommt es nicht darauf an, welche Optionen man hat, sondern darauf, dass man auch in dem vermeintlich Sinnlosen einen Sinn findet. Auf diese Weise ist es möglich, auch dann zufrieden sein zu können, wenn die Wünsche nicht erfüllt werden. Gelassen ausgedrückt bedeutet Hoffnung, das Leben anzunehmen, wie es ist. Hoffnung, so Giovanni Maio, ist nicht auf ein bestimmtes Ziel gerichtet, eben nicht auf die Erfüllung der Wünsche. Hoffnung ist vielmehr ein Offensein für das, was kommen wird, und das Vertrauen darauf, es bewältigen zu können. Hoffen ist ein Vertrauen auf die eigene innere Stärke und darauf, an den Widrigkeiten nicht zu zerbrechen. „Denn in einem tieferen Sinn“, so der Philosoph, „hofft man nicht auf etwas, sondern auf sich selbst.“ Wenn man dagegen die Hoffnung aufgibt, so bedeutet das im Umkehrschluss, dass man sich selbst aufgibt. Von Helga Ranis.

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